in Wissenschaft

Ertappt! Oder nicht?

Die GMW’10 liegt nun schon vier Monate hinter uns, aber bei einem Zitat von Ewald Terhart musste ich nochmals an unsere Diskussionen zur Tagungsdidaktik von damals denken. Im Wortlaut:

„Eine Sache didaktisch aufzubereiten, sich didaktisch zu verhalten hat einen durchaus ambivalenten Ruf. In pädagogischen Zusammenhängen wird es durchaus noch begrüßt – wenn es denn kompetent gemacht wird. Unterricht muss didaktisch sein. In außerpädagogischen Zusammenhängen das Ziel massiver Didaktisierungsbemühungen anderer zu sein, wird schon deutlich weniger geschätzt. Da möchte man motiviert und fasziniert werden – aber nicht didaktisch an die Hand genommen. Damit soll angedeutet werden: Didaktisches Handeln hat immer den Beigeschmack des Künstlichen, des Anleitenden, der Gängelung oder gar Nötigung. Es ist ein Handeln, das sehr schnell als überdosiert wahrgenommen wird. Überall Chancen für Didaktisierung zu sehen, ist eine berufsbedingte Haltung von Schulpädagogen und (manchen) Lehrern. Eine solche Didaktisierung dann auch noch in Überdosis anzubringen, muss man wohl schon als eine Art Berufskrankheit allzu ambitionierter Pädagogen bezeichnen. Insofern ist es wichtig, sich immer auch der sachlichen und moralischen Grenzen der Didaktik bzw. der Didaktisierbarkeit von Lern- und Erfahrungsprozessen bewusst zu sein.“ (Terhart, 2009, S. 100, Hervorhebung im Original)

Ein Stück weit fühle ich mich bei diesem Textausschnitt „ertappt“ – auch Joachim hatte vor ein paar Monaten hinsichtlich der Didaktisierung von Veranstaltungen Bauchschmerzen. Umgekehrt bin ich immer noch der Meinung, dass man Tagungen unter dem Gesichtspunkt von Lernen und Wissenserwerb betrachten kann (ich lasse nicht locker!). In jedem Fall wird mich dieses Thema weiter beschäftigen.

Btw.: Das Reclam-Heft sieht nach der ersten Lektüre gewohnt zerfleddert aus… das sagt aber, kennt man auch schon, nichts über die Qualität des Inhalts aus, denn: Das Buch bietet einen guten Einstieg in Didaktik und didaktische Fragestellungen, gerade wenn man nicht direkt aus dem Fachbereich Erziehungswissenschaft kommt. Außerdem ist es recht günstig zu haben, was den Kauf für studentische Budgets ermöglicht.


Quelle:
Terhart, E. (2009). Didaktik. Eine Einführung. Stuttgart: Reclam.

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Kommentar

  1. Liebe Sandra,

    mit den Didaktikbüchern ist das so eine Sache. Ich habe nie verstanden, wie Lehrer es überhaupt hinbekommen, in der Schule zu überleben, falls sie vor allem die klassischen deutschsprachigen Didaktikbücher gelesen haben. Die sind interessant, u.a. aus einer philosophischen Sicht. Und wie man auf einer abstrakten Ebene seinen Unterricht prinzipiell planen kann, mag man mit dem einen oder anderen didaktischen Modell auch kennengelernt haben. Aber was ich genau mache, wenn ich vor Schülern und Studierenden stehe, wie ich mit der Präsenzzeit im Unterricht umgehe, was man tun kann, um Inhalte zu erklären, damit sie auch verstanden werden, wie man es hinbekommt, dass sich Lernende mit den im Mittelpunkt stehenden Inhalten auch selbst beschäftigen – das steht da leider nirgendwo. Dafür gibt es dann zahlreiche Praxisbücher, die allerlei „Methoden“ anbieten, die man aber schlecht beurteilen und einordnen kann, wiel jeglicher theoretischer Überbau fehlt, weil sie auf völlig unterschiedlichen logischen Ebenen liegen etc. Irgendwie haben „die Didaktiker“ ihren Laden nicht richtig im Griff. Da ich es nie hinbekommen habe, einen vernünftigen, für Studierende lesbaren Reader zu dem Thema zusammenzustellen, habe ich selbst einen Studientext verfasst. Den mag der klassische Didaktiker belächeln oder sogar als „falsch“ bezeichnen. In Kombination mit einigen Veranstaltungen habe ich aber den Eindruck, dass er etlichen Leuten schon was vermitteln konnte ;-).

    Also „keine Panik“ bei solchen Sätzen aus dieser Ecke der wissenschaftlichen Literatur, die ich auch gern lese, aber mit einem anderen Zweck als zu erfahren, wie man Lernen und Lehren in Bldungsinsitutionen, aber auch in anderen (informellen) Kontexten besser machen kann.

    Gabi

  2. Hallo Gabi,

    also panisch werde ich jetzt nicht 😉
    Mich hat das Zitat vor allem wegen der „Überdosis“ angesprochen, denn darin steckt ein wahrer Kern: Man muss sich genau überlegen, „wie viel“ Lehre man planen kann, und auch einsehen, dass Planungsmöglichkeiten schwieriger werden, je unverbindlicher ein Kontext ist. Diese Einsicht finde ich wichtig, da man manchmal gerne allzu genau planen würde, wie Unterricht und Lehre letztlich abläuft. Da muss man vermutlich nur seine eigene Entwicklung in der Lehre anschauen, denn: Erst mit der Zeit gelingt es dort, mit dieser gewissen Offenheit bzw. Unsicherheit in Lehr-Lernkontexten auch umzugehen.

    Liebe Grüße,

    Sandra