in Wirtschaft, Wissenschaft

DeGöB 2012: Fazit eines Neulings

Seit einigen Stunden bin ich zurück von der Jahrestagung der deutschen Gesellschaft für ökonomische Bildung (DeGöB) und bin immer noch ganz mitgenommen von allen Eindrücken. Immerhin war es für mich das erste Mal auf der Jahrestagung der Wirtschaftsdidaktiker und das nicht ohne Grund: Ich habe dort die Kernergebnisse meiner Dissertation vorgestellt. Die DeGöB kannte ich schon eine ganze Weile, vor allem in Zusammenhang mit den Recherchen um unser Netzwerk Ökonomie & Bildung e.V.; ohne den netten Austausch mit Thomas Retzmann wäre ich allerdings vermutlich nicht auf die Jahrestagung und den zugehörigen Call for Papers aufmerksam geworden. Denn dieses Jahr drehte sich alles um die ökonomische Bildung in der Sekundarstufe II, ein rahmengebendes Thema, innerhalb dessen ich gerne eine Einreichung formuliert habe und auch nach Chemnitz an die TU gefahren bin (zum Programm).

Meinen Vortrag habe ich überschrieben mit der „Entwicklung sozio-ökonomischer Kompetenzen im Kontext schulischer Projektarbeit“, denn im Bereich der individuellen Kompetenzentwicklung von Schülern hat meine Untersuchung sicherlich die umfassendsten Befunde erzielt. Neben einigen Hinweisen zu meiner Dissertation, deren Verortung in der Entrepreneurship Education und der grundsätzlichen Herangehensweise der Studie habe ich dann drei Spezifika aus meiner Arbeit herausgegriffen und vorgestellt: (1) die Ergebnisse zur Kompetenzentwicklung der Schüler im zugrunde liegenden Schule-Wirtschaft-Projekt, (2) den Bereich des Einstellungswandels durch schulische Projektarbeit sowie (3) die Rolle bzw. Bedeutung der Unternehmensvertreter für die Kompetenzentwicklung der Schüler, auch im Verhältnis zu den Lehrern. Die Befunde stießen dabei im Publikum auf großes Interesse, wobei ein größerer Teil der Diskussion auf die Veränderungsmöglichkeiten eines (wirtschafts-)didaktischen Konzepts infolge einer Projektevaluation entfallen ist, denn: Die Ergebnisse insbesondere hinsichtlich des Erwerbs von ökonomischen Fachwissens waren durchaus ernüchternd und bestärkten das Gros der Anwesenden in ihrer Haltung, eine ökonomische Grundbildung auch im allgemeinbildenden Gymnasium einzufordern. Interessant für mich zu sehen war, dass die Diskussion mit den Fachdidaktikern nochmals eine deutlich andere Wendung genommen hat, als ich dies aus anderen Kontexten kannte (ich habe die Evaluationsergebnisse ja schon häufig präsentiert).

Vor allem wurde Bezug genommen zur Eröffnungskeynote von Rolf Dubs am Vortrag, der die ganze Debatte um ökonomische Bildung in der Sekundarstufe II retrospektiv aufgezeigt hatte – im Übrigen ganz ohne eine PowerPoint-Präsentation, was zunächst für Überraschung, dann aber für ein gebanntes Fachpublikum sorgte. In Erinnerung blieb vor allem eine seiner Skizzen, in der Dubs letztlich unterschiedliche Lehr-Lernformate zugunsten einer Lernformvariation kombiniert hat und in der gezielte „Inseln“ geschaffen wurden für die selbsttätige Auseinandersetzung mit Wirtschaft – etwa in Projekten zwischen Schulen und Unternehmen, die aber letztlich auf einen Bestand an ökonomischem Grundwissen aufbauen sollten, um bessere auch fachbezogene Ergebnisse hinsichtlich einer Kompetenzentwicklung zu erzielen, so das Fazit des Plenums. Mit dem Ende der Diskussion zu meiner Dissertation kann ich mich gut anfreunden, wohl wissend, dass die längerfristige Projektarbeit in der Schule durchaus auch ihre Wirkungen abseits des Ökonomischen (bspw. hinsichtlich der sozialen Kompetenzen) entfalten darf.

Auch sonst war die Jahrestagung eine interessante Erfahrung für mich, auf der ich viele Personen kennengelernt habe, die ich bereits „vom Lesen“ kannte. Gleichzeitig ist der Ausflug in die Schulwelt immer wieder sehr abwechslungsreich in thematischer Hinsicht, da sich didaktische Überlegungen gegenüber dem Kontext Hochschule durchaus gleichen können, aber der formale Rahmen doch nochmals andere (engere?) Zielrichtungen in der Diskussion vorgibt. Mein Dasein als Medienpädagogin/-didaktikerin wurde dabei gerne zur Diskussion genutzt, da immer mehr Projekte in der ökonomischen Bildung auch mediale Bezüge in Lehre und Forschung aufweisen.

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Kommentar

  1. Liebe Frau Hofhues,
    ich freue mich beim Lesen Ihrer Zeilen sehr, dass Sie sich in unserem Kreise so wohlgefühlt haben und darüber hinaus auch fachdidaktisch inspiriert wurden. Herzlichen Dank im Gegenzug dafür, dass Sie unsere Tagung durch Ihren Vortrag bereichert haben. Deshalb bin ich schon sehr auf Ihre schriftliche Fassung für den Tagungsband gespannt.
    In der Deutschen Gesellschaft für Ökonomische Bildung freuen wir uns immer über solchen qualifizierten Input von Außen. Das sorgt dafür, dass wir nicht „im eigenen Saft braten“ und unseren Horizont kontinuierlich erweitern, so dass wir stets auf der Höhe der Zeit bleiben. In diesem Fall haben Sie manche unserer Eindrücke und Erkenntnisse über die (Un-)Wirksamkeit von Praxiskontakten im Hinblick auf die ökonomische Bildung der Schülerinnen und Schüler bestätigt – wenn Sie nicht in qualifiziert erteilten Ökonomieunterricht eingebettet sind. Auch dafür vielen Dank.
    Bleiben Sie an Ihrer neuen Wirkungsstätte doch einfach in Kontakt mit uns. Sicherlich gibt es über das Thema Ihrer Dissertation hinaus noch weitere Anknüpfungspunkte.
    Es grüßt Sie herzlichst
    Prof. Dr. Thomas Retzmann
    Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Ökonomische Bildung e. V.

  2. Lieber Herr Retzmann,

    vielen Dank für Ihren Kommentar, über den ich mich sehr gefreut habe! Die Diskussion über die curriculare Verankerung ökonomischer Bildung empfand ich ebenso wie die Überlegungen zur Wirksamkeit von Projektlernen generell sehr fruchtbar. Hier scheint es noch bessere Möglichkeiten der Verzahnung im Sinne von Dubs‘ Inseln zu geben, die sich erst im Diskurs mit der Fachdidaktik zeigen und entsprechend den Blick vom einzelnen Projekt auf Rahmenbedingungen in Einzelschulen und Bundesländern lenken – mit allen neuen Herausforderungen, die sich infolge der strukturellen Neuerungen ergeben (würden). Von daher freue ich mich auf den weiteren Austausch, gerne erweitert um Aspekte der ökonomischen Bildung in der Hochschule oder der Integration von Medien in (fach-)didaktische Überlegungen.

    Herzliche Grüße,

    Sandra Hofhues