Fundstück "Studienwahl"

Aufräumen zu Jahresbeginn hat etwas für sich. Jedenfalls bin ich ein großer Fan davon. Jedes weggeworfene Papier schafft Platz für neues und Bücher, weil man die ja nicht wegwirft, gehen zum Flohmarkt. Und damit verbinde ich wiederum eine Menge Spaß, denn in der Früh aufzustehen und noch im Taschenlampenschein mit Leuten zu verhandeln, ob das Zeug jetzt fünfzig Cent oder doch einen Euro Wert ist – einfach klasse. Weltberühmt (zumindest bei uns in der Familie) sind auch die Versuche, in Sonderaktionen mehrere Stücke gleichen Typs an die Frau oder den Mann zu bringen. Ja, Flohmarkt ist schon ein persönliches Highlight Jahr für Jahr.

Aber um noch mal auf das Aufräumen zurückzukommen: Schön bei der Durchsicht alter Dinge sind auch die vielen Erinnerungen, die bei der Gelegenheit wieder zum Vorschein kommen. So habe ich eben erst meine ganzen Bewerbungsunterlagen für mein Studium wiedergefunden und die Prioritätenliste, die ich damals aufgestellt hatte. Grund dafür war nicht meine persönliche Affinität zu Listen (könnte man ja meinen bei dem kaufmännischen Background), sondern vielmehr der Hinweis eines sehr reflektierten Berufsberaters bei der Agentur für Arbeit in meiner Heimatstadt Rheine. Er hat mir vor fast zehn Jahren erklärt, welche Umbrüche mit den Reformen von Bologna auf Universitäten/Hochschulen zukommen. Er sollte in seiner Einschätzung Recht behalten. Und heute ist die Diskussion um die neuen und alten Studiengänge und das, was sie zu leisten im Stande sind, aktueller denn je (siehe z.B. Website des Bildungsstreiks).

Damals ging es vor allem darum, ob es noch Sinn macht, sich für ein Magister- oder Diplomstudium einzuschreiben, während die Zukunft in den modularisierten Bachelor- und Masterstudiengängen zu liegen schien. Für mich persönlich waren die neuen Studiengänge wohl aus zwei Gründen attraktiver: Zum einen kam mir die interdisziplinäre Ausrichtung der meisten B.A.-/M.A.-Studiengänge entgegen (wohingegen ich die Nebenfachwahl im Magister alles andere als trivial und zusätzlich stark abhängig von der Ausrichtung der einzelnen Universität fand). Zum anderen war mir zwar klar, dass ich studieren wollte, aber eben nicht, wie lange meine Zeit an der Universität andauern sollte. Das zeitlich überschaubare B.A.-Studium hat mich daher angesprochen – gerade auch, weil ich den Zeithorizont von drei Jahren durch die eben beendete Ausbildung ganz gut abschätzen konnte. Augsburg stand daher als einer der ersten umgestellten Medienstudiengänge in Deutschland auf meiner Prioritätenliste ganz oben.

Rückblickend waren das sicher Überlegungen, die in etwa den Mainstream der Studierendenschaft widerspiegelten. Viele meiner Kommilitonen waren interessiert daran, ihr Studium zügig durchzuziehen und möglichst bald in den Arbeitsmarkt einzutreten (was vermutlich die Punktelogik bzw. das individual-ökonomische Kalkül evoziert hat); zusätzlich strahlte der Bachelor und die damit verbundenen Reformen (vor allem Interdisziplinarität und Internationalität) eine gewisse Anziehungskraft auf die Studierenden aus, ohne dass sie im Detail wussten, was sich dahinter verbirgt. Ziemlich bald haben nämlich eine Reihe von Kommilitonen nach Beschäftigungen neben dem Studium gesucht – viele engagierten sich in Projekten, andere in der Fachschaft und wieder andere in irgendwelchen Nebenjobs. Bei mir waren es vor allem die Fachschaft und die Tätigkeit als studentische Hilfskraft, die mir ab dem zweiten Semester viele Einblicke in die Organisation Universität ermöglicht und mit Sicherheit auch Interesse am wissenschaftlichen Arbeiten bzw. Forschen erzeugt haben (was bis heute anhält).

Im Rückblick somit wirklich interessant, wie sich Einstellungen über die Zeit entwickeln und Meinungen bzw. Haltungen verändern können. Die ganzen Einschreibungsunterlagen und Bescheide der Unis/FHs werde ich jedenfalls trotz Aufräumwahn behalten – schließlich sind sie Spiegel einer für mich und aus Bildungsperspektive turbolenten Zeit.

Aufreger der Woche

Kennt Ihr das: Man liest etwas und denkt sich gleichzeitig, das gibt’s doch nicht! So ging’s mir in der letzten Woche gleich zweimal… und dann auch noch in Bezug auf dasselbe Thema: richtig zitieren.

  • E-Mail-Nr. 1 und Frage der Woche: Warum braucht die Medienpädagogik ein eigenes Zitiersystem? Ähm, eigenes? Wir machen ja viel, aber dass wir uns die Mühe machen, ein eigenes Zitiersystem zu entwerfen. Also ne…
  • E-Mail-Nr. 2 und die Frage zum Wochenende: Wann darf man welches Buch zitieren? Auszug aus der E-Mail: “So haben wir das gelernt: Wenn keine Fußnoten drin sind, besser nicht zitieren.” Ähm, hat der Dozent schon mal ‘was von mehreren, durchaus seriösen Zitierweisen gehört? Nicht zu fassen…

Zugegeben, die erste Mail hat mich köstlich amüsiert und ich habe wohlwollend die APA-Richtlinien näher erläutert; die zweite Mail hat mich dafür echt erschrocken. Ich würde mich jedenfalls hüten, Studierenden so eindimensional zu erklären, was sie zitieren dürfen und was sie folglich lieber sein lassen sollten. Zum Glück war das niemand aus Augsburg.

Deutsche Geschichten

Wer die NEON liest, kennt die Rubrik „Deutsche Geschichten“ schon lange. Wer sie nicht liest, dem sei sie allein deswegen dringend empfohlen. Heute übertrifft sich die neueste Ausgabe selbst mit der Rekonstruktion einer Belanglosigkeit:

„München. Auf der Fahrt von Hamburg nach München hat der ICE zwanzig Minuten Verspätung. Kurz vor München sammeln sich die Leute im Gang, um auszusteigen. Ein Mann regt sich besonders laut auf: „Die Penner von der Bahn verarschen uns Kunden von vorne bis hinten!“ Als er aussteigt, sieht man ein Logo auf seiner Jacke. Es ist das der Telekom.“ (NEON, 12/2008, S. 8)

Zu viel versprochen? 🙂

Kritisch "beleuchtet"

Immer wieder diese Buzzwords. Ich gebe zu, manchmal nutze ich sie auch. Aber ein Wort ist mir schon seit längerem ein Dorn im Auge: der Leuchtturm. So habe ich gestern mächtig über „Das Streiflicht“ in der Süddeutschen Zeitung geschmunzelt, das den Wächter der Meere und dessen metaphorischen Gebrauch zum Thema macht. Herrlich. Aber lest selbst.

„Es gibt Dinge, die gehören einfach zusammen. Ein See beispielsweise ist erst dann ein richtiger, schöner See, ein See an sich also, wenn man von seinen Ufern aus Berge oder zumindest größere Hügel sehen kann. In Mecklenburg etwa gibt es viele flächige Seen, die man auf den ersten Blick für vollgültige Seen halten könnte. Hat man aber einmal den Königssee, den Trasimenischen See oder Tanganjikasee erblickt, muss man nicht lange darüber nachdenken, warum zu einen richten See Berge gehören. So ähnlich ist das auch mit der Küste und dem Leuchtturm. Küsten ohne Leuchttürme sind in Ordnung, können sogar ganz schön sein. Aber wenn auf einem Hügel über dem gischtenden Meer so ein Turm steht, dann weiß man: Hier ist das Land zu Ende, da draußen im grauen Gewoge leben die unaussprechlichen Gezackten, der Turm wirft Schiffern jenen Funken Leben zu, der die Hoffnung erhält. Ach Leuchtturm.

O je, Leuchtturm. In jüngerer Zeit hat der Leuchtturm leider eine verwerfliche Karriere in der Sprache jener absolviert, die eigentlich zu den unaussprechlichen Gezackten zu rechnen sind, also Politiker, Blogger, Manager und Journalisten. Wenn diese Wesen, die dauernd von etwas ausgehen und „scheinen“ ohne das zugehörige „zu sein“ benutzen, machtpoetisch bedeutsam klingen wollen, dann reden sie von Leuchttürmen, die sie überall entdecken. […]

Es gibt immer wieder solch garstige Sprachmoden. Seit Klaus Wowereit, ein echter Leuchtturm unter den Luftikussen, seinen einzigen berühmten Satz Sprach („und das ist gut so“), beenden wahnsinnig witzige Schreiber und Redner ihre Texte gerne mit eben jenem Satz. Meistens muss man diesen Vorabendhumor einfach nur mannhaft ertragen, selbst wenn die Leute dauernd „nicht wirklich“ sagen, wenn „nicht“ meinen. Vor allem darf man dem Leuchtturm selbst nicht unrecht tun. Er, der rot-weiß Gestreifte, der Aufrechte, der Trutzpfeiler, kann ja nichts dafür, dass die Laberer ihn missbrauchen. Er steht einfach da, fest gemauert, und blickt hinüber über das Meer vor Amrum, als sei er ein… nun ja, ein Leuchtturm eben.“ (Süddeutsche Zeitung, 13.08.2008, Nr. 188, 33. Woche, 64. Jahrgang, S. 1)

studiVZ: Studentenplattform mit Suchtpotenzial

Zwischendurch „nur kurz“ im studiVZ nach dem Rechten sehen – für viele Studenten gehört das Surfen auf der Plattform inzwischen zu ihrem Alltag dazu. Spätestens seit auf unserer w.e.b.Square-Tagung darüber berichtet wurde, dass erste Studierende bereits reale Treffen mit echten Freunden sausen lassen, um sich im studiVZ die neuesten Bilder anzusehen, den schrägsten Gruppen beizutreten oder gar mit Fremden zu kommunizieren, wissen wir: Das studiVZ bietet einiges an Suchtpotenzial. Passend zu unseren Diskussionen („Wie blöd muss man denn eigentlich sein“), berichtet der Uni-Spiegel nun über den Selbstversuch eines Jura-Erstsemesters. Er fragt sich: Wie süchtig macht StudiVZ wirklich?

Der Furz des Herings oder: Wie Wissenschaft am eigenen Image sägt

Köstlich! In der aktuellen Ausgabe der brandeins wird über den Ig-Nobelpreis und damit über die unsinnigsten („ignoble“) Forschungsgegenstände der letzten Jahre berichtet. Herausragend unnötig ist z.B. die biologische Forschung zur Kommunikation von Heringen. Die Erkenntnis: Der Austausch funktioniert mittels Flatulenzen (für die Nicht-Lateiner: Furzen). Abgesehen von überaus lustigen und geradezu unsinnigen Forschungsthemen wird im Text eine weitere Problematik angesprochen: „Respekt, Ehrfurcht, tiefer Glaube – der Laie neigt vor allem zu Letzterem, wenn von wissenschaftlichen Spitzenleistungen die Rede ist.“ (brandeins 01/08, 113) Der Expertenstatus des Forschers ist nicht zuletzt ein Produkt des Wissenschaftsbetriebs, der durch seine Communities wie andere Systeme das Streben nach Anerkennung, Ruhm und Karriere fördert (im Artikel wird noch von Geld gesprochen – wer an der Hochschule arbeitet, weiß jedoch, dass man da nicht reich werden kann ;-)). Gegenüber Zuckermann haben etwa deutsche Nobelpreisträger ihren Erfolg allein auf „Glück und soziale Beziehungen“ zurückgeführt. Erschreckend, irgendwie. Bleibt zu hoffen, dass Initiativen wie der Ig-Nobelpreis weiter zur Entzauberung unnützer Forschung und von medialen Selbstdarstellern beiträgt.

Home, Sweet Home

Wenn in den Medien über meine Heimat berichtet wird, dann waren die Nachrichten zuletzt meist negativ. Karmann-Stellenabbau, Amoklauf in Emsdetten und Winter-Chaos – all das war aus dem sonst so beschaulichen Münsterland zu hören. Only bad News are good News – das haben alle MuK-Studenten spätestens in der Einführungsveranstaltung zur Medienwirkungsforschung gelernt. Dass sich seit zwei Jahren auch eine ganz andere Art von Nachricht in den Medien hält, ist v.a. eins – nämlich überraschend: die etwas unglückliche Liebe von Schwan und Tretboot auf Münsters Aasee. Jetzt meldet die Süddeutsche Zeitung: „Schwan Petra wird ihrem Tretboot untreu.“ Das war’s dann wohl – mit den positiven Heimatgefühlen für mich. Gut, dass bald Weihnachten ist.