Jugend, Information und (Multi-)Media: JIM-Studie 2009 online verfügbar

Seit ein paar Tagen ist sie draußen, die neue JIM-Studie (MPFS, 2009), und endlich habe ich etwas Zeit gefunden, die wichtigsten Ergebnisse zusammenzufassen. Vorweg: Einmal mehr überraschen die Daten nicht (siehe Ergebnisse aus dem letzten Jahr). Die Medienausstattung unter Jugendlichen ist sehr gut; Handy, Computer und Internet gehören zu ihrem Alltag; immer mehr haben auch Digitalkameras, tragbare Spielekonsolen und Flachbildfernseher. Bildungsspezifische Unterschiede gibt es in Bezug auf die Zugänglichkeit von Zeitungen/Zeitschriften. Unverändert legen Jugendliche großen Wert auf nicht-mediale Freizeitaktivitäten. Besonders gefragt sind Freundschaften pflegen, Sport und Nichtstun. Familienunternehmungen nehmen allgemein ab.

Bei den Themen, die Jugendliche interessieren, liegt Aktuelles vorn – eine Tatsache, die sich auch bei den Erwachsenen in der ARD-/ZDF-Online-Studie wiederspiegelt. Gefolgt werden die News von Informationen zu persönlichen Problemen und dem Thema Musik. An vierter Stelle folgt Ausbildung/Beruf, was ich im Hinblick auf unsere eigenen Aktivitäten mit dem KaffeePod sehr spannend finde. Allerdings muss man einschränkend sehen, dass das Interesse an Berufsorientierung bei Gymnasiasten nicht so stark ausgeprägt ist. „Mit zunehmendem Alter zeigt sich ein deutlich gesteigertes Interesse beim aktuellen Zeitgeschehen, persönlichen Problemen, Informationen zu Ausbildung und Beruf, politischen Themen und lokalen Konzerten. Ein abnehmendes Informationsbedürfnis kann man bei Sport, Computer- und Konsolenspielen und Stars feststellen.“ (ebd., S. 12)

Bevorzugte Informationsquelle ist das Internet, wobei Themen und die Wahl des Mediums zum Teil zusammenhängen (z.B. Mode und Zeitschriften). Dem Fernsehen wird eine große „Informationskompetenz“ (S. 12) nachgesagt, wobei ich davon ausgehe, dass mit dem Begriff etwas durcheinander geraten ist und inhaltlich vor allem die Selektion und die Glaubwürdigkeit der Information durch das Fernsehen gemeint ist. Später wird klar, dass die öffentlich-rechtlichen Sender nicht gerade zum Lieblingsprogramm der Jugendlichen gehören. Hinzu kommt der Siegeszug von Videoportalen wie YouTube und den Mediatheken, deren Angebote junge Leute in Zeiten der Medienkonvergenz mehr und mehr in Anspruch nehmen. Als zentraler Vorteil von audio-visuellen Medien wird dabei die Präsentation beschrieben, die eine verstärkte Konsumhaltung bei Jugendlichen hervorrufen, mehr noch: „Je niedriger die formale Bildung, desto stärker ist der Wunsch nach einer mehr passiven und strukturierten Nutzung.“ (ebd., S. 29)

Im Exkurs zur Bundestagswahl wird das Interesse an politischen Themen und der Zusammenhang mit der Mediennutzung sowie dem Bildungshintergrund der Jugendlichen erhoben. Angesichts der anderen Ergebnisse bei den Jugendlichen verwundert es kaum, dass das Internet als Informationsquelle auch bei Politik überwiegt. Hierin zeigt sich ein erheblicher Unterschied zu Erwachsenen (siehe Auswertung einer Studie zum Einfluss von Social Media auf die Wahlentscheidung). Als eklatant werden die Unterschiede nach Bildungsniveau bezeichnet: „So war die Bundestagswahl 2009 nur für ein gutes Drittel der Jugendlichen mit formal niedriger Bildung von Bedeutung, beim mittlerem Bildungsabschluss zeigte knapp die Hälfte Interesse. Unter den Abiturienten waren es drei Viertel. Bedenklich ist, dass etwa die Hälfte der Jugendlichen mit niedriger formaler Bildung gar kein Interesse an der Wahl der Volksvertreter bekundete.“ (ebd., S. 15) Familie und Freunde werden von 12 Prozent der Befragten als relevant für den Prozess der Informationsversorgung eingeschätzt.

Die Medienbeschäftigung unterscheidet sich weiterhin nach Geschlecht: „Mädchen wenden sich häufiger dem Fernseher zu, verwenden häufiger Handy und Internet und sie hören mehr Musik über Radio und CDs als Jungen. Besonders deutlich sind die Unterschiede beim Bücherlesen und der Digitalfotografie: hier ist der Anteil der Nutzer unter den Mädchen fast doppelt so hoch wie bei den Jungen.“ (ebd., S. 17)

Ab Seite 19 folgen Daten zur Wichtigkeit der einzelnen Medien nach Tagesablauf – interessant sind die Ergebnisse vor allem deshalb, weil es noch Unterschiede im Nutzungsverhalten gibt und die Daten etwa Aufschluss über die Versorgung mit dem „Überall-Internet“ bieten (nur zwei Prozent greifen bisher auf mobiles Internet zurück, ebd., S. 32). Darüber hinaus werden bestimmte Medien nach wie vor mit Freizeit verbunden – keine neue Erkenntnis, aber dennoch wichtig, sich diesen Aspekt permanent vor Augen zu führen, wenn man über Lernen außerhalb von genuinen Lernorten (z.B. Schulen, Hochschulen, Betrieben) nachdenkt. Trotzdem wird das Internet (natürlich, möchte man sagen) in der Hälfte aller Fälle täglich/mehrmals pro Woche genutzt (ebd., S. 37).

Die Ergebnisse zu Computerspielen möchte ich an dieser Stelle vernachlässigen und stattdessen lieber zu den Online-Communities und der Preisgabe persönlicher Daten kommen. Denn die Durchdringung mit Communities ist immens und das Verwischen von Privatsphäre und Öffentlichkeit ein ernstzunehmendes Problem – zumindest dann, wenn eine entsprechende Kompetenz im Umgang fehlt. „Alle Communities leben von der Kommunikations- und Präsentationsfreude ihrer Nutzer“ (ebd., S. 46) trifft Anspruch und Wirklichkeit einschlägiger Plattformen von meiner Ansicht nach ganz gut. Selbstdarstellungsdrang und Sorglosigkeit im Umgang mit privaten Daten führt schließlich dazu, „dass nicht einmal die Hälfte aller Nutzer von Online-Communities von der Privacy-Option Gebrauch machen“ (ebd., S. 47). Von der Preisgabe der Daten bis zu ihrem Missbrauch durch Dritte ist es dann nicht mehr weit.

Ganz interessant und ebenso bedenklich sind die Ergebnisse zum Online-Shopping, da bereits jeder fünfte 12-13-jährige als Käufer im Internet in Erscheinung getreten ist. Ähnlich kritisch stimmt mich die Handyausstattung, deren Kosten bei einem Drittel der Befragten über feste Verträge getilgt werden. Ohne großen Umweg kommen mir bei der Datenlage die Forderungen nach mehr ökonomischer Bildung in der Schule in den Sinn. Denn mit der Mediennutzung und entsprechenden -nutzungsszenarien gehen Chancen und Risiken einher. Die Studie endet daher mit folgender Einschätzung: „In Relation zu der massenhaften Nutzung dieser Medien halten sind die Missbrauchsfälle noch in Grenzen, allerdings ist das Potential dieser technischen Möglichkeiten nicht zu unterschätzen. Eine unbedachte Veröffentlichung von Bildern und Kommentaren kann viel Ärger bereiten und schnell zu einem Fall von Cyber-Mobbing werden. Hier sind Eltern, Pädagogen und auch die Anbieter gefragt, die Jugendlichen aufzuklären und auf ein verantwortungsbewusstes Verhalten im Internet hinzuarbeiten.“ (ebd, S. 61)

Ein abschließender Hinweis gilt dem Design: Seit Beginn der Langzeitstudie (1998) wurden einige Änderungen inhaltlicher Natur vorgenommen, die vor allem auf technische Neuerungen und damit verbundene Entwicklungen zurückzuführen sind. Dies gilt im Besonderen für die differenzierte Erfassung des Bereichs Film und für das Cyber-Mobbing, das ein größer werdendes Problem unter Jugendlichen ist (wen es thematisch interessiert: Tamara guckt in ihrer M.A.-Arbeit noch genauer hin). Ergänzt werden die quantitativen Ergebnisse mit qualitativen Daten aus der Studie JIMplus (weiterführende Infos zur Soziodemografie, zur Auswahlstrategie und zur Methode „Befragung“ finden sich auf S. 4).

Quelle:

MPFS – Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2009). JIM-Studie 2009. Jugend, Information und (Multi-) Media. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger. Stuttgart: Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg. Online verfügbar unter: http://www.mpfs.de/fileadmin/JIM-pdf09/JIM-Studie2009.pdf (zuletzt 01.12.2009).

Jugendliche, Information und (Multi-)Media: JIM-Studie 2008 online verfügbar

Heute wurde die neue JIM-Studie vom Medienpädagogischen Forschungsverband Südwest (2008) veröffentlicht. Im Fokus steht wie gewohnt der Medienalltag von 12- bis 19-jährigen. Dabei kann einmal mehr gezeigt werden, dass das Internet für Jugendliche nicht mehr wegzudenken ist. Aber von vorn.

Einen schönen Abriss über die sich ständig wandelne Medienwelt liefert der Einstieg in die Studie:

„Die letzten zehn Jahre waren durch einen enormen Wandel des Medienangebots geprägt. Während sich in den Neunzigerjahren die Fernsehwelt stark verändert hat, ist das vergangene Jahrzehnt durch die rasante technische und inhaltliche Entwicklung von Handy und Internet geprägt. Fernsehen, Radio und Tageszeitung sind inzwischen multimediale Realität, die Ausspielung der Inhalte erfolgt über zahlreiche Kanäle, die Nutzer können mit den unterschiedlichsten Endgeräten auf die Inhalte zugreifen, Begriffe wie „fernsehen“ oder „Radio hören“ verlieren ihre Eindeutigkeit. Die Konvergenz der Medien steht dabei erst am Anfang, zählt aber insbesondere in den Bereichen Musik und Internet bereits zum Alltag Jugendlicher.“ (ebd., S. 3)

Fast schon erschreckend, wie schnell sich Zeiten ändern…

Bei der Durchsicht der JIM-Studie habe ich dann nur wenige Highlights entdeckt. Gut, erstmals besitzen Jugendliche eher einen Computer als einen Fernseher und sie sind generell gut mit Medien (Computer, Internet, Fernsehen, Handy) versorgt. Das Internet nutzen sie hauptsächlich zur Kommunikation. Was beruhigt: Jugendliche pflegen ihre Kontakte trotz schülerVZ und Co. nicht nur virtuell, sondern treffen Freude regelmäßig in natura und gehen ebenso oft zum Sport.

Angesichts der großen Sorge um die Zukunft des Prints bin ich über die Zahlen zur Medienbeschäftigung gestolpert: In ihrem Alltag nutzen zwölf Prozent der Jugendlichen regelmäßig das Internetangebot einer Tageszeitung und zehn Prozent das von Zeitschriften. 43 Prozent lesen dagegen regelmäßig eine Tageszeitung in gedruckter Form (vgl. ebd., S. 12). Trotz der Dominanz der digitalen Medien im Alltag halten die meisten Jugendlichen die Zeitung jedoch für das glaubwürdigste Medium, was den klassischen Medien Auftrieb geben sollte.

Jugendliche sind zudem in der Lage, das Fernsehrogramm differenziert zu bewerten. Allerdings muss man kritischer sein, was ihre Nutzung von Online-Communities angeht. Dort denkt nicht jeder Jugendliche über den sachgerechten Umgang mit sensiblen Daten und über die faire Behandlung von Gleichaltrigen nach (vgl. ebd., S. 52ff).

Warum Online Communities letztlich genutzt werden, klärt die eher qualitativ angelegte Zusatzbefragung „JIMplus 2008“:

„Als wichtigsten Grund für die Nutzung von Online-Communities wurde dabei zunächst das Thema „Freunde“ in all seinen Facetten genannt: Alle Freunde sind auch dort eingetragen, man kann Freunde (wieder) finden und neue kennenlernen, man kann mit Freunden in Kontakt bleiben oder treten, sich schreiben und austauschen. Ein weiterer wichtiger Aspekt sind Fotos, denn der Austausch und die Kontaktaufnahme findet natürlich auch auf der bildlichen Ebene statt. Man präsentiert sich selbst und schaut, wie die anderen sich darstellen, Bilder gemeinsamer Aktivitäten halten das Erlebte fest und zeigen denen, die nicht dabei waren, was sie versäumt haben.“ (ebd., S. 55)

Wie so oft zeigen sich auch in dieser JIM-Studie Unterschiede nach dem formalen Bildungsgrad der Jugendlichen. Allerdings gleichen sich zumindest die Verbreitungs- und Nutzungszahlen von Computer bzw. Internet langsam an, was grundsätzlich positiv zu bewerten ist.