"Wir sind die Tollsten!"

Es ist schon einigermaßen interessant, wenn die aktuelle Ausgabe der Wochenzeitung DIE ZEIT ihren Teil Chancen mit einem Thema eröffnet, über das ich erst kürzlich gebloggt habe: das Corporate Publishing oder, etwas weiter gefasst, das Wissenschaftsmarketing an sich. Der betreffende Artikel scheint mir inhaltlich sehr ausgewogen und nah an der Praxis zu sein: So wird berichtet vom Selbstverständnis des Wissenschaftlers, der sich mitunter mit der Öffentlichkeitsarbeit schwer tut, vom zentralen Öffentlichkeitsarbeitsreferenten an Hochschulen, der zum Teil chronisch überarbeitet ist, und von der Aufgabe der Wissenschaft an sich, sich nach außen zu öffnen. Auch einige Lösungsansätze werden skizziert, zum Beispiel die Hoffnung auf ausgeklügelte Kommunikationsstrategien und -maßnahmen teuer beauftragter Full-Service-Agenturen. Ob diese Konzepte zu Bildungseinrichtungen passen, wird unter Rückgriff auf die Ökonomisierungskritik von Münch (2009a, b) und weiteren hinterfragt. Insofern ein wirklich lohnenswerter Artikel, der die sehr unterschiedlichen Anforderungen an Kommunikation (und Kommunikationsstrategien) im Non-Profit- und Public-Bereich auf den Punkt bringt.


Quellen:
Münch, R. (2009a). Globale Eliten, lokale Autoritäten. Bildung und Wissenschaft unter dem Regime von PISA, McKinsey & Co. Frankfurt: Suhrkamp.
Münch, R. (2009b). Unternehmen Universität. Aus Politik und Zeitgeschichte. 45, 10–16.

"weltzeit" über politische Kommunikation im Internet

In der aktuellen „weltzeit“ (S. 12f.) findet sich ein interessantes Interview zur politischen Kommunikation im Internet. Im Fokus steht Thomas Gensemer, Partner von Blue State Digital und Obama-Wahlkampfmanager. Er spricht über den letzten US-Wahlkampf und auch über (Denk-)Fehler, die hierzulande im Online-Wahlkampf gemacht werden. Im Kopf bleiben z.B. Aussagen wie „100.000 E-Mail-Adressen sind wichtiger als eine Million Follower bei Twitter“. Anhänger des Direktmarketing werden das mit großer Sicherheit unterschreiben, zumal auf diesem Weg eine direkte Ansprache von Wählern möglich ist. Da die Gruppe potenziell unentschlossener Wähler bekanntermaßen klein ist, gewinnt die direkte, vor allem auch emotionale Ansprache an Bedeutung.

Ergänzt wird das Gespräch um ausgewählte Ergebnisse zur Glaubwürdigkeit von politischen Informationen in unterschiedlichen Medien. Die W3B-Studie von Fittkau und Maaß (leider nur für viel Geld bestellbar) zeigt dabei auf, dass das Fernsehen in punkto Glaubwürdigkeit vor dem Internet liegt – überraschend, immerhin schneiden sonst vor allem die Qualitätszeitungen weit besser ab. Interessant sind die Ergebnisse auch im Hinblick auf die genutzten Informationsquellen im Internet: So liegen die Websites von Zeitschriften/Zeitungen, die von öffentlich-rechtlichen und privaten TV-Sendern deutlich vor Internetangeboten der Bundesregierung und ebenso weit vor Social Networks, Blogs und Co. Man kann damit begründet zu dem Schluss kommen, dass letztere im deutschen Wahlkampf nur eine untergeordnete Rolle spielen (im Artikel heißt es dazu: „Derzeit sei das Internet hierzulande für einen Wahlkampf „à la Obama“ noch nicht bereit.“ (ebd., S. 13)).

Attac-Offensive mit gefälscher Zeit-Ausgabe

Eigentlich wollte ich nur etwas Zeitung lesen. Online stöbern in den Nachrichten des Tages – wie immer halt. Gestolpert bin ich dann über einen Artikel bei Spiegel-Online: Gefälschte Zeit – mit freundlichen Grüßen von Attac. Einen kurzen Moment dachte ich, ich habe mich verlesen. Aber nein! Was für ein genialer (Guerilla-Marketing-)Schachzug. Schade nur, dass die Attac-Seiten seit Stunden down sind. Mit so großer Resonanz in den neuen und alten Medien haben die Macher wohl nicht gerechnet. Zum Glück wurde ich über Twitter mit einem Link zur Fake-Zeitung versorgt. Voilà:

Werde jetzt noch etwas zur Medienresonanz recherchieren. Finde die Aktion ungemein spannend… zumal sich mein Seminar im Wintersemester 2009/2010 mit Web 2.0 und Non-Profit-PR auseinander setzen wird. Habe das Thema erst gestern festgelegt. Wie passend.

Update 23.03.2009: Eine exemplarische Übersicht zur Medienresonanz findet sich inzwischen direkt bei Attac.

Science Pop*: Wenn der Wissenschaftler zum Pop-Star wird

Danke, brand eins. Euer Schwerpunkt „Kommunikation/PR“ ist nicht nur großartig aufbereitet, Ihr sprecht mir auch an vielen Punkten aus der Seele. Nehmen wir allein den Bericht zum Thema „Science Pop“. Hier wird ein absolut berechtigtes Spannungsfeld skizziert: „Scheuen Wissenschaftler den Austausch mit der Öffentlichkeit – oder interessiert die sich gar nicht für Details aus den Laboren?“ (ebd., S. 108ff) Sehr treffend formuliert, wie sowohl die eine als auch die andere Seite begründet, warum sie sich der Öffentlichkeit stellt oder das eher unterlässt. Denn PR und Wissenschaft – das passt nicht für alle Beteiligten zusammen; insbesondere viele Wissenschaftler sehen PR eher als notwendiges Übel denn als ernstzunehmende Pflicht an. Dabei wandelt sich auch die Non-Profit-PR rasant schnell: Beflügelt durch die digitalen Medien werden Botschaften immer professioneller und somit schneller bzw. gezielter unter das Volk gebracht. Aber nicht nur die technogische Entwicklung sorgt dafür, dass man sich im Non-Profit-Bereich stärker um die Öffentlichkeit bemüht – auch mangelde finanzielle Ressourcen der einzelnen Professuren, Lehrstühle etc. bedingen, dass sich immer mehr (Teil-)Bereiche auf den Wettbewerb der Universitäten einlassen. Durch Exzellenzinitiativen o.ä. wird diese Haltung natürlich weiter geschürt. Jetzt kann man sich über die Entwicklung beschweren und sich allein in der Community um Anerkennung bemühen – doch will man das? Denn Wissenschaft heißt auch mit wichtigen Erkenntnissen zu diffundieren in interessierte gesellschaftliche Gruppen, in Wirtschaft und Politik. Ohne ansprechende Kommunikation fällt es aber schwer, genau diese relevanten Gruppen zu erreichen. Oder wie formuliert es Andreas Molitor, brand eins-Redakteur und Autor des o.g. Textes:

  • 1. Axiom: Wer Geld will, muss auch erklären können, wofür er es braucht.
  • 2. Axiom: Wer nur auf die Anerkennung der Kollegen schaut, wird nie populär.
  • 3. Axiom: Wer Journalisten gängeln will, muss sein Bild in der Öffentlichkeit selbst malen.

Treffender könnte man die Anforderungen an Wissenschaftsmarketing bzw. -PR wohl nicht beschreiben… und gewissermaßen nebenbei das 1. Axiom von Watzlawick, Beavin und Jackson (1969) unterstreichen: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ (ebd., S. 53)

* Der Begriff „Science Pop“ stammt von Winfried Göpfert.

Auf die besten setzen: Henkel ändert Markenstrategie

Bisher konnte man Henkel immer als Paradebeispiel dafür zeigen, wie es einem Hersteller allen Unkenrufen zum Trotz gelingen kann, zahlreiche Marken unter seinem Dach zu beherbergen. Damit wird bald Schluss sein. Das Unternehmen will seine Markenvielfalt verringern, wie Henkel-Chef Kasper Rohrsted in einem Interview mit der FTD bekannt gibt. Die Strategie ist nicht neu – im Gegenteil: Die meisten Unternehmen sind erst dann richtig erfolgreich, wenn sie sich für starke Marken entscheiden, die zudem noch klar von anderen zu unterscheiden sind. Wenn man allerdings über Jahre eine andere Markenstrategie verfolgt, kommt der Wechsel doch etwas überraschend. Aber Persil gibt es natürlich weiterhin.

Erfolgreich ohne Werbung?

Es gibt sie also tatsächlich, die Unternehmen, die sich gegen den Trend der Vermarktung von allem und jedem auflehnen. Im Artikel Die Antifernsehbiere in der aktuellen brandeins sind es z.B. Bierfabrikanten: Marken wie Oettinger, Reissdorf Kölsch und Rothaus Tannenzäpfle kommen seit Jahren ganz ohne Anzeigen, Fernsehspots und teils sogar ohne Marketingabteilung aus. Gewiss kann man dies bereits als Kommunikationsstrategie begreifen, schließlich wird ein Produkt durch das Unbekannte v.a. eins, nämlich mystifiziert. Doch ein derartiges Vorgehen kennt man eher aus Premiumsegmenten, worunter Oettinger bspw. nicht fällt. Das Bier gehört, von Handelsmarken in Discountern abgesehen, zu den wohl günstigsten Produkten seiner Art – nicht zuletzt aufgrund einer klugen Budgetierung bzw. nicht zu Buche schlagenden Kosten für Werbung. Bei aller Bewunderung für diese (Nicht-)Kommunikation fällt mir aber Luhmann (1995, S. 101f) ein, der einmal sagte: „Was nicht kommuniziert wird, kann dazu nichts beitragen. Nur Kommunikation kann Kommunikation beeinflussen […]; und nur Kommunikation kann Kommunikation kontrollieren und reparieren.“ (ebd.) Interessant wird es nämlich für Marketer, wenn man die Images der einzelnen Marken vergleicht: Während Tannenzäpfle teuer ist und bisweilen sogar als kultig beschrieben wird, gilt Oettinger nicht gerade als das beste Bier. Allein der Preis für den Hausgebrauch stimmt. Bleibt also zu fragen, wie lange und unter welchen Bedingungen man sich ohne Werbung tatsächlich auf dem Markt halten kann…