Sorry, ich muss Sie enttäuschen…

Heute war ich beim XIV. Hochschulsymposium der Hanns Martin Schleyer-Stiftung Diskutantin auf dem Podium zum „Erwartungshorizont an die universitäre Lehre“. Vor diesem Hintergrund sind im Vorfeld drei Thesen entstanden, die ich auf dem Podium vertreten habe und hier zur weiterführenden Diskussion zur Verfügung stelle.

  • These 1: Es bestehen viele Vorstellungen und Annahmen über Studierende. Sie basieren häufig auf einem konkreten Bild des Studiums und münden in allerhand Konzepten zur Gestaltung von Studium und Lehre. Dabei wird vielfach lediglich angenommen zu wissen, um wen es sich bei der Gruppe „der Studierenden“ handelt.
  • These 2: Speziell subjektive Sinnzuschreibungen und Deutungen des Studiums durch Studierende selbst kommen im Repertoire von Studienganggestaltung, Evaluation und empirischer Hochschulbildungsforschung (zu) wenig vor.
  • These 3: Nicht erst seit der Digitalisierung dienen Studierende oft als zentrale Begründung für Lehr-/Lern- und Studienganginnovationen. Dabei wird Studierendenorientierung zugunsten gewünschter Kundenorientierung und der erhofften (managerialen) Erneuerung der Hochschulen manchmal schlicht missverstanden.

Wer darüber hinaus wissen möchte, was es mit dem Titel des Blogbeitrags auf sich hat, kann im ausformulierten Papier genauer nachlesen, auf welchen Beobachtungen sich meine Thesen im Einzelnen stützten. Hinweis: Das Papier diente zu meiner Vorbereitung und wurde als solches nicht vorgetragen. (Download .pdf | .docx)

Abschlussvortrag: Lehre und Studium 4.0. Digitalisierung der Hochschulwelt – Segen oder Fluch? (10. GEW-Wissenschaftskonferenz)

In der letzten Woche fand die 10. Wissenschaftskonferenz der GEW in Budenheim bei Mainz statt. Das übergeordnete Tagungsmotto lautete „Lust oder Frust? Qualität von Lehre und Studium auf dem Prüfstand“ und versprach umfassende Diskussionen über (tages-)aktuelle Themen im Hochschul- und Wissenschaftskontext (zum Programm). Mir kam im Rahmen dieser Veranstaltung die Aufgabe zu, mit einem Abschlussvortrag am Samstag die Tagung zu rahmen. Und natürlich sollte es in der ‚closing lecture‘ um Digitalisierung gehen, verkürzt um die ambivalente Frage, ob diese Segen oder Fluch sei. Antworten habe ich im Vorfeld schriftlich festgehalten und stelle ich an dieser Stelle in Form meines Vortragsmanuskripts gerne zur weiteren Verwertung und Diskussion Verfügung (.docx | .pdf).

Rückblick: Sektionstagung Medienpädagogik

Vor ein paar Tagen fand in Bremen die Sektionstagung Medienpädagogik in der DGfE (= Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft) statt. Das Tagungsthema lautete Medienpädagogik in Zeiten einer tiefgreifenden Mediatisierung (zum Tagungsprogramm). Mit der Fokussierung wurde aus meiner Sicht dem Tagungsort Bremen Rechnung getragen. Immerhin steht Mediatisierungsforschung dort seit Jahren im Mittelpunkt und Mediatisierung als Phänomen, Gegenwartsdiagnose bzw. schlicht ‚Dauerbrenner’ wird vor Ort in Projekten und interdisziplinären Zusammenhängen theoretisch reflektiert wie auch empirisch untersucht.

Auf die Tagung blicke gerne zurück, etwa wegen der sehr engagierten (Auftakt-)Keynote, die die politische Dimension der Medienpädagogik nicht nur betont, sondern mit Blick auf politische Entwicklungen absichtsvoll stark gemacht hat. Nicht zuletzt deshalb hat Shakuntala Banaji als Keynote-Speakerin auch auf das anglo-amerikanische Citizenship-Konzept verwiesen, das hierzulande oft als bürgerschaftliches Engagement übersetzt wird. Mein Eindruck ist, dass die gegenwärtige Diskussion über Citizenship evtl. einen Schritt weiter gehen könnte als jene, die ich vor Jahren im Zuge meiner Dissertation kennengelernt und dann mit Bezug zu einem Projekt näher in den Blick genommen habe. Folgt man Shakuntala Banaji, können (medien-)pädagogische Maßnahmen nämlich ohne gesellschaftlichen Bezug nicht stattfinden; ein solcher gesellschaftlicher Bezug erfordert jedoch auch eine normative Debatte darüber, wohin sich Gesellschaft oder ihre Teilbereiche bewegen sollen.

Angesprochen sind damit durchaus auch kommunikative Figurationen, wie diese später bei Andreas Hepp analysiert und als Wesensmerkmal einer tiefgreifenden Mediatisierung herausgestellt wurden. In diesem Zusammenhang sind auch seine drei Thesen zur Re-Figuration durch tiefgreifende Mediatisierung zu sehen, wenngleich über das Adjektiv ‚tiefgreifend‘ weiter zu diskutieren ist. So ist der Hinweis zur Veränderung sozialer Praxis durch Medien unabhängig von konkreten Medienentwicklungen m.E. bereits in älteren Mediatisierungstheorien eingelagert. Der inhärente Widerspruch der Gestaltung, der sich auf unterschiedlichen Ebenen durchaus in beiden Keynotes findet, wurde im Plenum nicht weiter debattiert, drängt sich aber unter Bezugnahme auf Subjektivierungstheorien auf. Konkret: Wie gestalte ich meine Medienwelt? Wie gestalten Medienwelten mein Leben (mit)? Und welche Gestaltung (von Welt) habe ich (noch/wieder) in der Hand?

Schön für mich, im Kontext einer Sektionstagung aber (noch) ungewöhnlich waren die Tracks zur Erwachsenenbildung (in Kombination mit der Lehrer*innenbildung) und der Beruflichen Bildung, sodass auch Erwachsene als (mögliche) Zielgruppe der Medienpädagogik/-didaktik weiter in den Blick genommen wurden. Einen Aufriss zur Diskussion stellt hier sicherlich auch unser Beitrag zu „Ambivalenzen medienpädagogischer Erwachsenenbildung“ dar, welcher unterschiedliche Begründungsnarrative und -widersprüche zwischen Subjekt/Medien/Organisation fokussiert hat. Mit dem Beitrag wollten wir absichtsvoll keine Antworten liefern, sondern zur Diskussion mit den Teilnehmenden anregen. Das Diskussionsprotokoll wird gerade noch erstellt und kann – bei Interesse – angefragt werden.

In einem ähnlichen Zusammenhang sehe ich auch den Beitrag zum BMBF-geförderten #ko.vernetzt-Projekt, der Einblick in die Konzeption, das Untersuchungsvorhaben sowie erste Ergebnisse geben sollte. Diskutiert wurde u.a. über die Zusammenführung unterschiedlicher Ergebnisse und über methodologische Zugriffe auf das Feld – auch vor dem Hintergrund einer Förderlaufzeit von drei Jahren. Nach und nach werden wir Projektergebnisse sicherlich veröffentlichen; wer sich zwischendurch einen Eindruck verschaffen möchte, kann dies u.a. in einem (kurzen) Artikel in der Zeitschrift berufsbildung (Heft 171) tun oder bei Twitter nachlesen, wo die Tagungsbeiträge fast lückenlos dokumentiert sind. Dafür – und für vieles weitere – vielen Dank an die Tagungsausrichter*innen rund um Karsten D. Wolf.

Preprint: Medienbezogene Routinen in formalen Bildungskontexten – Beobachtungen am Beispiel #OER

In Kürze erscheint ein Artikel auf den Seiten der Hochschuldidaktik der Universität Siegen, den ich im Nachgang zum dortigen Hochschuldidaktiktag zum Thema „Die neue Offenheit“ verfasst habe. Er betrachtet insbesondere den Umgang mit medienbezogenen Routinen in formalen Bildungskontexten. Die Überschrift deutet zudem an, dass ich mit dem Text über den Tellerrand von OER in Schulen, Hochschulen und Weiterbildung hinausblicken möchte.

Ausgehend von einer knappen Bestandsaufnahme zu OER in formalen Bildungskontexten geht es im Folgenden vor allem um OER als „Verlassen der Komfortzone“ und medienbezogene Routinen, die sich durch OER in Organisationen ändern sollen. Dabei wird die Beobachtung zentral, dass sich manche Routinen in Organisationen durch OER nicht verändern. Sie werden durch bekannte Angebote und Schwerpunktsetzungen in den Programmen eher noch verstärkt bzw. verfestigt. Es schließt sich die Frage an, ob und inwieweit sich (hoch-)schulische Praxis oder Weiterbildungspraxis überhaupt ändern lässt. Aus (medien-)didaktischer Sicht nimmt man das ständig an; durch Beobachtung von Praxis liegt aber auch der Schluss nahe, dass diese in gewisser Hinsicht (Haltungen etc.) unbeweglich ist.

Es kommt daher nicht von ungefähr, dass ich im Artikel vor allem die kommunikative Verhandlung darüber, was OER in formalen Bildungsorganisationen sind/sein können, in den Mittelpunkt rücke. Auch attestiere ich eine gewissen scheuen Umgang mit OER – und das nicht ohne Grund: So ist aus anderen Zusammenhängen eine ähnliche Scheu oder Zurückhaltung bekannt, bspw. aus früheren Schriften zum Wissensmanagement oder auch aus dem Diskurs über Medienkompetenzen in den 2000er Jahren. In beiden Fällen wurde schon früher die Kommunikation über Wissen und Handeln stark gemacht – sei es als individuelle oder gemeinsame Reflexion über, klar, Praxis.

Hofhues, S. (2018/in Druck). Medienbezogene Routinen in formalen Bildungskontexten – Beobachtungen am Beispiel OER. In A. Schnücker & S. Schönauer (Hrsg.), „Neue Offenheit“. Siegen: Universität Siegen. (weitere Daten n. bek.) (Preprint PDF | .docx)

Wickie will’s wissen…

Normalerweise mache ich so etwas ja nicht, aber angesichts des bunten Programms der Häfler Kinderuni möchte ich doch ein wenig Werbung machen: für die Einschreibung zur Kinderuni generell und für meinen kleinen Part über Medien am 14.3.2015.

„Wickie will’s wissen: Was sind ‚die Medien‘? (Seminar 7+) | iPhone, Facebook, Apple Watch – Atari, WWW und die Swatch? BamS – Krawuuummmmm! KiKa – Logo! Oder Medien doch ein ‚No Go‘? All das will Wickie auf seiner Reise durch die Medienlandschaft wissen. Kommt und reist mit!“

Anmeldung unter http://www.kinderuni-fn.de

Podiumsdiskussion: „Individuelle Förderung: Wie gelingt sie? Wie können digitale Medien helfen?“ #didacta14

Auf Einladung des Verbands Bildungsmedien war ich gestern auf der didacta in Stuttgart, um im „Forum Bildung“ über die individuelle Förderung mit und ohne (digitale) Medien zu diskutieren. Neben mir waren Beat Döbeli Honegger, Stefan Klinga (Stadtmedienzentrum Mannheim) und Tilo Knoche (Klett) eingeladen, was eine Fokussierung auf den Einsatz respektive den Gebrauch digitaler Medien in Unterricht und Schule schon zu Beginn der Diskussionsrunde ermöglichte. Eine richtige Diskussion stellte sich aber nicht ein, stattdessen ergaben sich einmal mehr sehr ähnliche Meinungen und Haltungen bei den Teilnehmenden: Bspw. geht es nicht mehr darum, zwischen analog und digital zu unterscheiden; pädagogische Konzepte sollten stets mit Medien gedacht werden; ein bewusster und aufgeklärter Umgang mit Medien ist zu fördern; Fähigkeiten im Umgang mit Medien fehlen vielerorts (und nicht nur bei Lehrpersonen); strukturelle Herausforderungen hindern beim individuellen Einsatz digitaler Medien; und und und. Die Argumente, die ich hier anführe, dürften zumindest aus mediendidaktischer sowie schulpädagogischer Sicht gut bekannt sein. Auch sind sie, historisch betrachtet, nicht neu: Ähnliche Argumente finden sich stets, wenn ein Medium Gesellschaft und damit auch Schule zu durchdringen beginnt. Insofern driftete die geplante Diskussionsrunde zu Individualisierung schnell und bewusst ab in Richtung einer Mediatisierung von Alltag und Schule und angemessenen didaktischen Konzepten, die Medien nicht verpönen, sondern bewusst einsetzen und – bestenfalls – mediale Vielfalt abseits von Hypes fördern.

Podiumsdiskussion: „Digitale Gesellschaft“

Dienstag war ich zur Statuskonferenz des BMBF-Programms „Digitale Medien in der beruflichen Bildung“ eingeladen, um auf dem Podium mit Elisabeth Slapio (IHK Köln, Innovation und Umwelt), Peter Bihr (u.a. Next!Berlin) und Markus Beckedahl (u.a. netzpolitik.org) etwaige Herausforderungen mit der „Digitalen Gesellschaft“ vorrangig aus Bildungsperspektive zu vertreten. Über die Einladung zur Diskussionsrunde habe ich mich sehr gefreut: Immerhin gibt es neben dem pädagogischen Herz auch das ökonomische, das mal mehr, mal weniger stark in mir schlägt und biografisch durch die eigene (duale) Ausbildung zur Industriekauffrau bedingt ist. Das Podium gab mir nun die Gelegenheit, eigene Erfahrungen, aber auch fachwissenschaftliche Perspektiven vor einem interessierten Publikum einzubringen.

Wenn ich die Podiumsdiskussion rekapituliere, ergaben sich drei große Schwerpunkte in der Diskussion, wobei wir 1) eher in einer Datenschutzdebatte verhaftet blieben, als dass wir uns den Herausforderungen für 2) Individuen in Alltag und 3) Beruf genähert hätten. Ersteres überrascht mich dabei nicht: Speziell bei Themen, die Unsicherheit hervorrufen, gibt es viel Diskussionsbedarf, und auch Lagerbildungen sind gewissermaßen natürlich. So diskutieren auf der einen Seite meist diejenigen, die unerschrocken und aufgeschlossen mit neuen Themen und Begebenheiten umgehen, und auf der anderen Seite finden sich Stimmen, die sich (zunächst) in Zurückhaltung und Kritik üben. Die Debatte um Datenschutz hat dabei allerdings die nächste Stufe schon erreicht: Es gibt vielfältige Nutzungsformen des Internets, digitaler Werkzeuge und entsprechende Anwendungsszenarien in Bildungskontexten. Es existiert aber ein Medien- und Urheberrecht, das dem raschen Medienwandel sowie den vielfältigen Nutzungspraktiken kaum „hinterher“ kommt. Entsprechend wird der Ruf nach Regulierung lauter, auch wenn man kaum absehen kann, ob sie überhaupt etwas bringt. Dennoch scheint dieser dominanter als der Ruf nach umfassenden Medienkompetenzen, die eben nicht nur den technischen Gebrauch von Medien einschließen, sondern vor allem den aufgeklärten Umgang mit Medien adressieren sowie Lernumgebungen anstreben, die eine problem- und handlungsorientierte Auseinandersetzung möglich machen. Diese, wenn man so will, wiedergewonnene subjektive Betrachtungsweise auf Medien in Alltag und Beruf ist aber keineswegs einfach umzusetzen, da sie (im vorliegenden Fall) Unternehmen und Unternehmenszielen im Weg zu stehen scheint: Einerseits sind mitdenkende („mündige“) Arbeitnehmer/innen gewünscht, andererseits geht es (je nach Berufsgruppe) auch um die bloße Ausführung von Tätigkeiten. An der Stelle hätte man gut an frühere Diskussionen um die Subjektivierung von Arbeit und zugehörige Transformationsprozesse anknüpfen können, dafür war die Zeit aber zu knapp und der Schwerpunkt Datenschutz letztlich zu ausgeprägt. Insofern näherten wir uns lediglich der „Digitalen Gesellschaft“ mit inhärenten Positionen und Facetten und suchten weniger nach konkreten Lösungen oder Handlungsoptionen darin.

Ob das nun gut oder schlecht ist, mag ich an der Stelle nicht bewerten: Für mich ist es eher ein Zeichen von nach wie vor großer Unsicherheit im Umgang mit Medien und Medienwandel und einer Diskussion, die sich nur langsam inhaltlich verändert und in unterschiedliche gesellschaftliche Bereiche diffundiert.

Vortrag: Open Education in der (Hoch-)Schule

Zugegeben, mein Einstieg ins Thema OER erfolgte auch über Ressourcenfragen. Zu Augsburger Zeiten ging es dem w.e.b.Square-Team z.B. darum, studentische Arbeiten im Netz verfügbar oder vielmehr noch: sichtbar zu machen. Es ist nun fünf Jahre her, dass wir w.e.b.Square als offene Bildungsressource auf der GMW-Jahrestagung im Jahr 2008 vorgestellt haben; die Initiative selbst ist noch älter. Schon immer hat mich aber die didaktische Frage „hinter“ den frei und offen zugänglichen Bildungsressourcen interessiert: Wie gestaltet man eigentlich Bildungsräume, in denen nicht nur die Nutzung von OER selbstverständlich ist, sondern auch deren gemeinsame Produktion oder Veränderung (um nur zwei weitere Ziele im Zusammenhang mit OER zu nennen). So habe ich mich sehr gefreut, dass Kerstin Mayrberger und ich auf der diesjährigen OER-Konferenz von Wikimedia Deutschland zusammen über Open Educational Practices/Open Education sprechen durften. Der Impulsbeitrag fand gleich nach der Keynote-Lecture von Philipp Schmidt statt, der uns für unseren Impuls mehrere „Steilvorlagen“ lieferte und durch Hinweise wie „Offen fängt nicht im Netz an“ in eine passende Richtung zeigte. Es sprach bspw. die Grundfeste des Social Web an, die mit bekannten Schlagworten wie (Re-)Use, (Re-)Distribute, Revise und Remix beschrieben werden. Anders als Philipp hatten wir allerdings drei Thesen im Gepäck, anhand derer wir zur Diskussion einluden und damit die partizipative Grundidee von OER aufgreifen wollten (zum Abstract, zu den Folien):

  1. Open Education braucht Grassroot-Initiativen und gute Beispiele dafür, dass eine Open Educational Practice in Lehrveranstaltungen funktioniert.
  2. Offen will jede/r Lehrende und Lernende sein, kann aber nicht unmittelbar mit der Offenheit umgehen.
  3. Open Education heißt nicht Laissez-Faire.

Die Thesen fanden insgesamt sowohl Zustimmung als auch Ablehnung, in jedem Fall wurden sie aber zum Anlass für weitere Gespräche in den Pausen genommen. Schön ist, dass das an den Beitrag angeschlossene Etherpad einen Teil der Diskussion abbildet und eine nach der Session getroffene, persönliche Einschätzung sowie alle Materialien und Tweets enthält. Ob und inwieweit durch unseren Impuls die Sicht auf OER als Lehr-Lernmaterial für pädagogische oder didaktische Zugänge geöffnet wurde, sei dahingestellt. Sicherlich wurden aber Überschneidungen zu bekannten (hoch-)schul- und medienpädagogischen Diskussionen deutlich, die es im Zusammenhang mit OER notwendigerweise zu bearbeiten gilt.

Projektabschluss: Reflect!

Die Zeit rennt! Vor knapp sechs Monaten hatte ich hier im Blog darauf hingewiesen, dass unser Medienprojekt Reflect! durch die Förderinitiative peer3 gefördert wird. Rückblickend immer noch eine tolle Sache, denn die Projektförderung erlaubte es, den Teilnehmenden Fahrtkosten zu erstatten, Gelder für Materialien auszugeben, Veranstaltungen zu organisieren etc. Ein großer finanzieller Posten, der sonst durch die Hochschule auch anfällt, ist die Begleitforschung. Bei Reflect! war und ist dies aber anders, da die Veränderung der medienpädagogischen Praxis, nicht die Erforschung im Vordergrund der Projekte stand. Die offizielle Begleitungforschung des Projekts wurde daher ausgelagert und durch das JFF in München übernommen, sodass Teilnehmende und Projektleitung im Prozess auf unterschiedlichen Wegen befragt/untersucht wurden. Ganz gleich war uns die Entwicklung des Projekts allerdings nicht, da es in dieser Art für die HAW und das Jugendrotkreuz neu war und ist. Wir haben daher zusätzlich ein studentisches Evaluationsteam in das Projekt integriert, das Reflect! als realen Gegenstand untersuchen darf und hierzu auch andere Methoden als ausschließlich Befragungsinstrumente nutzt. Auch passt eine Untersuchung von Studierenden gut ins Bild von Peer-Education.

Der Förderzeitraum ist inzwischen so gut wie vorbei und das Projekt endete am vergangenen Mittwoch mit der Abschlussveranstaltung an der HAW Hamburg in kleiner, aber feiner Runde, zu der auch Expert/inn/en außerhalb des Projekts eingeladen waren. Besonders gefreut habe ich mich über die Anwesenheit und das kritische Mit-Diskutieren von Christina Schwalbe, Marianne Wefelnberg und Ralf Appelt, die meine Mediensicht auf die Dinge wunderbar unterstützt und, was noch wichtiger ist, die Teilnehmenden zum Nachdenken angeregt haben. Unser Projektmentor von medien + bildung war leider verhindert, dafür waren einige Personen aus Leitungsgremien des Jugendrotkreuzes zugegen und haben sich die Ergebnisse gespannt angeschaut. Auch dies war und ist eine tolle Wertschätzung für das Projekt.

Reflect! zielte im Kern darauf ab, Medienkompetenzen bei Studierenden der HAW und Ehrenamtlichen des Jugendrotkreuzes zu entwickeln – mithilfe eines Peer-Coaching-Ansatzes, der dazu führte, dass Studierende und Ehrenamtliche ein Team (Tandem) bildeten und dabei auch noch ihre Multiplikatorenrolle für das Jugendrotkreuz im Sinn behalten mussten. Inhaltlich bot der Jugendmedienschutz einen groben Rahmen zur Auseinandersetzung, der wirklich nur sehr grob gesteckt war, denn: Uns ging es im Projekt vor allem darum, dass Studierende und Ehrenamtliche sich überhaupt mit Mediatisierung i.w.S. auseinandersetzen (vgl. dazu Krotz, 2001; 2012) und aus Alltagsbeobachtungen und -herausforderungen eigene Fragestellungen für ein Teilprojekt in Reflect! ableiten. Wenn man so will, ging es um die permanente und gemeinsame Auseinandersetzung mit und über Medien, ohne dabei zwingend neue oder andere Medien als die Gewohnten zu nutzen. Letzteres ist zugleich auch ein Kernergebnis des Projekts: Allein durch die Auseinandersetzung mit und über Medien in einer ungewohnten Konstellation zwischen Ehrenamtlichen und Studierenden haben alle Beteiligten das Gefühl, ihre Medienkompetenzen entwickelt zu haben. Und diese Medienkompetenzen beschränken sich nicht allein auf eine technische Bedienkompetenz (durch Nutzung von iPads, des Projekt-Blogs, Whats App etc.), sondern auch auf kritisch-reflexive Elemente (im Sinne von „Wozu sind die Medien gut und was machen die Medien mit mir?“).

So überrascht es rückblickend nicht, dass die Studierenden und Ehrenamtlichen im einzigen Teilprojekt, das im Projektverlauf übrig geblieben ist, sich philosophierend möglichen Fragestellungen im Bereich Medien genähert haben, vielmehr noch: Sie haben zusammen mit weiteren Jugendlichen in der Lernwerkstatt der HAW Philosophieren als Methode angewendet, um sich etwaigen Problemen der Jugendlichen mit Medien zu nähern (sozusagen als argumentative Basis von Maßnahmen zum Jugendmedienschutz). Diese Spezialform des Gruppeninterviews hat das Team selbst aufgezeichnet – mit einem iPad, das sich die Beteiligten aus dem Bestand der HAW ausgeliehen hatten – und zugleich als Dokumentation für die eigentliche Projektpräsentation genutzt. Inhaltlich drehte sich ein Großteil der Diskussion um den (möglichen?) Gegensatz von Realität und Virtualität, den die Studierenden bereits beim Kick-off als Herausforderung in die Diskussion eingebracht hatten und der sich offenbar als Gegenstand der Diskussion gehalten hat.

Dass ausgerechnet dieses Thema zur weiteren Auseinandersetzung aufgegriffen wurde, finde ich nach wie vor spannend, zeigt es doch, wie weit sich die wissenschaftliche Fachdiskussion von gefühlten Herausforderungen in der Auseinandersetzung mit und über Medien entfernt. Allerdings erlaubte es unser Verständnis des Projekts und von der Funktion der Projektleitung nicht, hier lenkend einzugreifen, denn das Projekt sollte „durch und durch“ von den Peers gestaltet werden. Während der erste Zugang zum Thema für mich also durchaus schwierig war, war ich über den Ausgang des Teilprojekts höchst überrascht und auch begeistert: So haben die Studierenden und Ehrenamtlichen sich – analog zu einem existierenden Stück – ein kurzes Theaterstück überlegt, das die Unterschiede insbesondere in der Kommunikation zwischen real und virtuell aufzeigt. Danach möchten sie mit Jugendlichen über Unterschiede (und Gemeinsamkeiten!) philosophieren und schließlich über Mediatisierung reden, weniger selbst Medien produzieren oder anwenden.

Im Ergebnis ist der erste Projektdurchlauf von Reflect! also überraschend, aber passend zugleich: Wenn ein Projekt zur kritischen Reflexion von Medien anregen will, ist es letztlich nur konsequent, dass der reflexive Anteil z.B. ggü. eigener Produktionstätigkeit an Bedeutung gewinnt. Auch ist denkbar, dass hierin die Kooperation zwischen Studierenden und Ehrenamtlichen sichtbar wird, immerhin werden die Studierenden an der HAW zu pädagogischen Fachkräften ausgebildet, sodass Reflect! dazu ein wichtiges Lernfeld bieten kann. Ich glaube, ich nehme dem gemeinsamen Projektabschluss mit allen Peer3-Projekten im April im Thüringer Wald nicht zu viel vorweg, wenn ich von einer zufriedenen Projektleitung berichte, die sich über den Ausgang des ersten Durchlaufs freut. Auch haben wir für uns einige Aufgaben mitgenommen, die im Spannungsfeld von Struktur und Offenheit stehen, denn: Während die große Offenheit am Projekt abschließend besonders gelobt wurde, gab es durchaus Schwierigkeiten beim Suchen und Finden einer Idee, bei der Nutzung des Blogs („Wozu?“) und in der Kommunikation der Gruppen untereinander. Wir sehen hier durchaus Handlungsbedarf, der aus Erfahrung aber zu neuen, sprich Anschlussproblemen führen wird.

Literatur

  • Krotz, Friedrich (2001). Die Mediatisierung kommunikativen Handelns. Wie sich Alltag und soziale Beziehungen, Kultur und Gesellschaft durch die Medien wandeln. Opladen: Westdeutscher Verlag.
  • Krotz, Friedrich (2012). Von der Entdeckung der Zentralperspektive zur Augmented Reality: Wie Mediatisierung funktioniert. In Friedrich Krotz/Andreas Hepp (Hrsg.), Mediatisierte Welten (S. 27–55). Wiesbaden: VS.