Beitrag: „Bildungsmedien zwischen Sozialisation, Partizipation und Öffentlichkeit“

Damit es nicht im Semesterbeginn untergeht, möchte ich in aller gebotenen Kürze noch auf unseren Beitrag zur Tagung „Medien, Wissen, Bildung“ der DGfE-Sektion Medienpädagogik und des interfakultären Medienforums Innsbruck hinweisen. Unter dem Motto „Bildungsmedien zwischen Sozialisation, Partizipation und Öffentlichkeit“ haben Kerstin Mayrberger und ich sieben Jahre nach Initiierung des Projekts w.e.b.Square auf dessen aktuellen Stand (zurück-)geblickt – und vor allem offene Fragen hinsichtlich der Fortführung des (Medien-)Projekts aufgeworfen, die uns bei allem Erfolg vergangener Tage inzwischen beschäftigen. Unter medienpädagogischem Blickwinkel ging es uns daher um drei Perspektiven auf das Projekt (aus dem Abstract):

„Die Produktion von Bildungsmedien stellt (1) Bezüge zur aktiven Medienarbeit (Schell, 1993) und deren Zielsetzungen durch die selbsttätige Auseinandersetzung im Kontext Hochschule her. Die veränderten Sozialisationsbedingungen im Umgang mit Bildungsmedien legt (2) die Auseinandersetzung mit der tatsächlichen Partizipation (Mayrberger, 2012) insbesondere von Studierenden bei der Produktion dieser Art von Bildungsmedien und deren Rezeption nahe. Herausgegriffen wird (3) die öffentliche Dimension (Hofhues, 2010), die zu w.e.b.Square als Journal gehört und die bezogen auf die Partizipation der Studierenden am Projekt flankierend wirkt. Somit lässt sich am Beispiel w.e.b.Square verdeutlichen, welche Herausforderungen sich im Geflecht von Sozialisationsbedingungen von Studierenden, ihrer Bereitschaft zur Partizipation und Möglichkeiten der Veröffentlichung ergeben.

Zusammenfassend steht im Beitrag die Partizipationsproblematik als Sozialisationsproblematik für den Umgang mit Bildungsmedien an der Hochschule im Vordergrund. Mit dem vertretenen Verständnis wird mindestens ein erweiterter Kontext zur Entwicklung akademischen Lehrens und Lernens aufgezeigt ebenso wie eine neuerliche Diskussion um eine (veränderte) Lehr- und Lernkultur mit/durch Medien aufgeworfen.“

Da ich aufgrund des Semesterauftakts in Heidelberg nicht nach Innsbruck reisen konnte, habe ich meinen Impuls zum Projekt w.e.b.Square vorab auf Video aufgezeichnet (danke, Carlo!) und ins Netz gestellt. Kerstin hat dann vor Ort die theoretische Einordnung und Weiterführung des Beitrags übernommen, worüber ich ihr sehr dankbar war/bin. Allerdings führt dies auch dazu, dass ich lediglich über den Beitrag, nicht aber über etwaige Diskussionen im Zusammenhang damit berichten kann. Das wird aber bestimmt an anderer Stelle nachgeholt. 🙂

Literatur

  • Schell, F. (1993). Aktive Medienarbeit mit Jugendlichen. Theorie und Praxis. 2. überarbeitete Aufl. kopaed: München.
  • Hofhues, S. (2010). Die Rolle von Öffentlichkeit im Lehr-Lernprozess. In S. Mandel, M. Rutishauser & E. Seiler Schiedt (Hrsg.), Digitale Medien für Lehre und Forschung (S. 405–414). Reihe Medien in der Wissenschaft (Band 55). Münster: Waxmann.
  • Mayrberger, K. (2012). Partizipatives Lernen mit dem Social Web  gestalten: Zum Widerspruch einer ,verordneten Partizipation‘. Medienpädagogik 21. http://www.medienpaed.com/21/mayrberger1201.pdf

 

Lesenswert: „Media Studies 1.0: Back to Basics“

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um auf einen interessanten Artikel im Media Education Research Journal (MERJ) hinzuweisen. Unter dem Titel „Media Studies 1.0: Back to Basics“ fragt Dan Laughey kritisch nach dem Neuen an den digitalen Medien und den daraus resultierenden Umstrukturierungsversuchen von Medien(wissenschaftlichen)studiengängen. Das finde ich aus verschiedenen Gründen spannend, besonders interessant aber wohl deshalb, weil ich

  1. selbst erhebliche Diskrepanzen in der Beschäftigung mit dem Web 2.0 als Container für mediale Veränderungen der letzten fünf bis zehn Jahre in den unterschiedlichen Fachwissenschaften festgestellt habe und
  2. der Beschäftigung mit diversen Medien und Formaten (sowohl singulär als auch gekoppelt bzw. crossmedial) Bedeutung einräume.

Abgesehen davon schreibt der Autor etwa von der Wiederentdeckung von McLuhan („The Medium is the Massage.“) und rekurriert auch sonst auf die eine oder andere ältere Schrift. Das finde ich als frühere Studentin der Medien und Kommunikation per se lesenswert. Aber der Reihe nach.

Zu Beginn des Artikels stechen provokante Bemerkungen wie diese besonders heraus:

„Media Studies 2.0 claims to live in the post-broadcast era of wise crowds, mass collaboration and unfiltered creativeness. In this whole new era anyone can tweet, blog, tag, poke, upload videos to YouTube or photos to Flickr. But the question rarely addressed is: who cares? Who really cares if joeblogga94 posts his ‘Hey Dude’ movie – at the same time several thousand other nobodies do likewise? Is anybody watching? Highly unlikely. What the post-broadcast era amounts to, in quantifiable terms, is one huge and collective exercise in vanity publishing.“  (Laughey, 2011, pp. 58-59)

Eine solche Position ist spannend, weil sie in den Mund nimmt, was viele, vor allem kommunikations- und medienwissenschaftlich geprägte Autoren denken:

  • Welche Rolle spielen digitale Medien  in der Auseinandersetzung mit Medien als allumspannendes Phänomen?
  • Welche Bedeutung nehmen digitale Medien wie die oben genannten für den Meinungsbildungsprozess in Gesellschaft und Öffentlichkeit ein?

Aus meiner Sicht können Twitter, Blogs und sonstige Formate diesen Fragen nicht standhalten – die Frage ist aber: Müssen sie das? Mit der Medienentwicklung geht immerhin eine erhebliche Diversifizierung in der Nutzung einher, die Laughey zwar im Großen hinterfragt, die aber doch deutlich zu beobachten ist und in Langzeitstudien zur Mediennutzung mit Nachdruck unterstrichen werden.

Dagegen trifft folgende Aussage durchaus ein Kernproblem in der Auseinandersetzung mit digitalen Technologien:

„What Media Studies 2.0 suffers from, above all else, is a technologically deterministic fallacy of revolutionism.“ (Laughey, 2011, p. 59)

Denn bei vielen medialen Entwicklungen ist zu lesen, dass sich mit ihnen die Welt gewissermaßen neu dreht. Dass dem nicht so ist, wurde ja an vielen Stellen eindrucksvoll gezeigt. 😉 Von daher nutze ich diesen Hinweis gerne auch selbst zur kritischen Reflexion, die bei aller Neugier hinsichtlich neuer Fragestellungen und Möglichkeiten des Technologieeinsatzes mitunter in den Hintergrund rückt.

Abschließend leitet Laughey fünf Prinzipien ab, die Medienwissenschaft für sich begreifen sollte:

  1. Methodenvielfalt: Im ersten Prinzip bittet Laughey darum, auch andere Methoden als die (für Medienwissenschaftler) gängigen in Betracht zu ziehen.
  2. Internationalität: Im zweiten Prinzip geht es vor allem darum, unterschiedliche Zugänge zu Phänomenen zuzulassen und auch den Blick über den nationalen Tellerrand zu wagen.
  3. Theoriebezogenheit: Im dritten Prinzip wird nochmals auf die Güte von Theorien verwiesen, à la „die besten Theorien bestehen den Test der Zeit“.
  4. Mediengeschichte: Im vierten Prinzip wird auf die Bedeutung historischer Zusammenhänge und der Genese von Produkten und Diskussionen verwiesen.
  5. (Anti-)Diskriminierung: Im fünften und letzten Prinzip wird vor allem Offenheit für andere Stimmen als den Mainstream proklamiert.

Er kommt zu dem Schluss:

„These five basic principles, taken together, supply a vital antidote for Media Studies 1.0 detractors of all persuasions.“ (Laughey, 2011, p. 63)

Auch oder gerade weil der Autor keinen medienpädagogischen/-didaktischen Hintergrund aufweist, sind die Ausführungen aufschlussreich und regen zum Nachdenken an. Etwas kurz kommt – speziell bei den fünf Prinzipien – die Perspektive der Gestaltung und/oder des praktischen Medienhandelns. Hier müssten nun andere Fachwissenschaftler gewissermaßen das Denken, z.B. unter Bezugnahme auf das dritte Prinzip der Theoriebezogenheit, übernehmen.

Quelle:
Laughey, D. (2011). Media Studies 1.0: Back to Basics. Media Education Research Journal. 2(2). http://merj.info/wp-content/uploads/2011/12/MERJ_2-2-p57-64.pdf (17.12.2011).