Autorinnendebut

Es gibt wenige Studierende, die sich überhaupt trauen, während ihres eigenen Studiums einen Weblog zu schreiben und diesen auch noch mit studienbezogenen Inhalten zu füllen. Innerhalb von Lehrveranstaltungen wird zwar ständig und bis auf weiteres dazu angeregt – aber über die Veranstaltung hinaus gelingt es aus eigener Erfahrung nur sehr selten, dass Studierende am Prozess des öffentlichen Schreibens Gefallen finden. Die Gründe hierfür sind sehr unterschiedlich, ein zentraler ist sicherlich dieser: Für viele wurde das Bloggen formal in einer Lehrveranstaltung initiiert und es würde einige Zeit brauchen, dass sie den Modus des Bloggens für sich aufnehmen können. Man müsste sie daher wie die E-Portfolio-Arbeit in vielen Studiengängen ans Curriculum binden und dem öffentlichen Schreiben zudem normativ einen Wert zuschreiben. Weil beides selten geschieht, bewegt sich das Bloggen wie auch die E-Portfolio-Arbeit ständig zwischen Kontrolle und Selbstkontrolle, wie es Torsten, Kerstin, Stephan und Christina in einer vergleichsweise frühen Publikation zur E-Portfolio-Arbeit zusammengefasst haben. Auch das Spannungsfeld zwischen Selbst- und Fremdbestimmung ist in der Mediendidaktik hinlänglich bekannt.

Aber: Ausnahmen bestätigen die Regel und es gibt Anlässe, die Studierende von selbst dazu anregen, ein digitales Werkzeug dazu zu nutzen, ihre Erfahrungen mit dem (studentischen) Forschen zu dokumentieren. Mehr noch: Es geht ihnen auch darum, mit einer nicht klar umrissenen Gruppe an Lesenden in Kontakt zu treten, ja darum, über die eigenen Fragen mit anderen Forschenden zu diskutieren. Es kommt daher nicht von ungefähr, dass Juliane gerade jetzt ihr „Autorinnendebut“ gibt. Aktuell steckt sie nämlich im Humboldt Jahr der Zeppelin Universität und beschäftigt sich in ihrem Forschungsprojekt im fünften und sechsten Semester damit, wie man „Offenheit an Hochschulen fOERdern“ kann. Wahrscheinlich ist der eigene Blog daher auch der Versuch zu klären, wie man eigentlich unter öffentlichen Bedingungen als Studentin agiert und wie sich eigene Handlungspraxen und -routinen durch das Führen eines Weblogs aufbrechen lassen (oder nicht). Denn das Bloggen ist für sie, sonst hätte sie selbst nicht vom Debut gesprochen, eher ungewohnt.

Ich freue mich daher sehr, jetzt und bald wieder auf dem Blog „Kritisch gedacht“ Einblick darin zu erhalten, wie Julianes studentische Überlegungen zur Veränderlichkeit hochschulischer (Handlungs-)Praxen mit/durch OER immer konkreter werden. Darüber hinaus gibt ihr mein Blogbeitrag hoffentlich den nötigen Motivationsschub, uns in der kommenden Woche gleich mit dem nächsten Blogbeitrag zu „versorgen“.

Mehr als Wissenschaftskommunikation: Studentisches Publizieren

Wer diesen Blog aufmerksam verfolgt, wird längst mitbekommen haben, dass mich ein Thema seit Jahren „verfolgt“: das studentische Publizieren. Umso mehr habe ich mich kürzlich darüber gefreut, dass aktuelle Umsetzungsformen und Gestaltungsmöglichkeiten  für studentisches Publizieren auf dem Wissenschaftsportal L.I.S.A. der Gerda Henkel Stiftung thematisiert wurden. Den Artikel finde ich aus unterschiedlichen Gründen lesenswert, u.a. auch deswegen, weil w.e.b.Square als beispiel- und namengebendes Projekt angeführt wird.

w.e.b.Square ist aber sicher nur ein Beispiel für das studentische Publizieren, das zumindest am imb der Universität Augsburg bis zum Jahr 2011 nur eine von drei Aktivitäten darstellte. Denn in den größeren Rahmen des studentischen Publizierens fallen auch das journalistische Publizieren (z.B. bei presstige) sowie das organisationale/PR-Publizieren (ehemals z.B. bei vitamin b). Alle drei Projekte oder auch Bausteine „zahlen“ auf die Idee des studentischen Publizierens „ein“. Und zwar keineswegs eindimensional in Richtung vermehrter Wissenschaftskommunikation: Letztere wird auch betrieben, die Projekte bedürfen aber einer erheblichen internen Differenzierung, da sie unterschiedliche Logiken in der Produktion (insbesondere) ihrer Texte verfolgen und entsprechenden Publikationszwängen – didaktisch gewollt – auch unterworfen sind. Speziell diese gemeinsame Betrachtung des Publizierens ist wichtig, wenn Studierende den Kern des einen und des anderen „be-greifen“ (Schelhowe, 2008, S. 110) wollen. Gemeinsamkeiten und Unterschiede, insbesondere aber auch Chancen des „Zusammendenkens“ haben Anna und ich im letzten Jahr strukturiert aufgearbeitet und in diesen Tagen soll der Text über „Students’ Publishing Projects and their Impact on Teaching and Learning“ endlich auch erscheinen.

Zusätzlich zur erweiterten Betrachtungsweise des Publizierens/Veröffentlichens halte ich einen anderen Punkt für wichtig: die Bedeutung der Veröffentlichung als Abschluss von studentischen (Forschungs-)Projekten. So steht es im angloamerikanischen Sprachraum deutlich weniger zur Debatte, dass es Undergraduate Research Journals gibt – im Gegenteil: Die studentischen Leistungen werden hier einerseits als Aushängeschild, andererseits aber als Beitrag zur Entwicklung von Wissenschaft und Forschung begriffen. Dieser Denkansatz scheint mir in der deutschsprachigen Diskussion unterrepräsentiert, was naheliegend ist, wenn man das studentische Publizieren lediglich als „gute PR“ auffasst und das (Hochschul- und Medien-)Pädagogische hinter dieser Betrachtungsweise zurückbleibt.

Quelle: Schelhowe, H. (2008). Digitale Medien als kulturelle Medien. Medien zum Be-Greifen wesentlicher Konzepte der Gegenwart. In J. Fromme & W. Sesink (Hrsg.), Pädagogische Medientheorie (S. 95–113). Wiesbaden: VS.

Studentisches Publizieren: mal drei, durch drei?

Zu Beginn des Wintersemesters hatte ich von meinem Blockseminar an der Universität Augsburg berichtet, das nicht mehr den Titel „w.e.b.Square – wissenschaftliches Publizieren im Netz“ trägt, sondern unter dem Motto „Publish or Perish“ firmiert. Der neue Titel schlägt sich auch in der Konzeption des Angebots nieder, das nämlich nicht mehr ausschließlich auf das wissenschaftliche Publizieren fokussiert ist, sondern Fragen des Veröffentlichens unter drei verschiedenen „Zwängen“ beleuchtet.

Insofern scheint folgerichtig, dass am zweiten Blocktermin am letzten Samstag mit dem journalistischen, dem organisationalen (PR) und dem wissenschaftlichen Publizieren drei Perspektiven auf das Schreiben zusammengeführt und kritisch beleuchtet wurden. Aus meiner Sicht besonders interessant war dabei, alle drei Perspektiven unter dem gemeinsamen Dach Wissenschaft zu diskutieren – gefühlt ein Novum und vielleicht eine notwendige Veränderung infolge des gemeinsamen Zwangs von „Publish or Perish“? Innerhalb des Seminars war auch interessant zu sehen, wie innerhalb der einzelnen Denkweisen Feedback gegeben wird, wenn man z.B. ein Peer Review mit wissenschaftlichen Kriterien durchführt und nicht etwa redaktionell geprägte Rückmeldungen gibt, à la wir brauchen noch einen Artikel zum Thema xy oder nur ein Artikel im Lead ist ein akzeptabler Text. Ich denke, Anschauungsobjekte und Vergleiche zwischen den Sichtweisen auf das Publizieren gibt es genug – und erst im Vergleich wird deutlich, wie unterschiedlich die daraus resultierenden Handlungspraxen sind.

Bis zum abschließenden virtuellen Klassenraum wird es nun darum gehen, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der drei Perspektiven in der Kleingruppe zu explizieren und einer interessierten Studierendenschaft als „klassische“ Zielgruppe von w.e.b.Square zugänglich zu machen. Wie die Gemeinsamkeiten und Unterschiede dabei vermittelt werden, ist noch offen, immerhin sollten sich (Schreib-)Zwänge und Fragen der Sozialisation in Wissenschaft auch methodisch-didaktisch sowie medial im Projekt zeigen. Diskutiert haben wir beispielsweise über Wikis versus herkömmlichen Text, um nur ein Beispiel zur möglichen Umsetzung zu nennen.

Auf die Ergebnisse des Seminars bin ich sehr gespannt – nicht zuletzt deswegen, weil die Veranstaltung mit dem Produzieren und Veröffentlichen von Texten einen medienpädagogischen Bereich betrifft, der mich seit meiner eigenen Zeit an der Universität Augsburg interessiert und auch über die einzelne Lehrveranstaltung hinaus z.B. in eigenen didaktischen Überlegungen oder Projekt-Evaluationen begleitet.

Studentische Zusammenarbeit im Netz – Segen oder Fluch? Aufruf zur Beitragseinreichung

Zum dritten Mal ruft die studentische Online-Zeitschrift w.e.b.Square zu Beiträgen aus den Hochschulen und Universitäten auf. Das Thema des diesjährigen Aufrufs lautet: „Studentische Zusammenarbeit im Netz – Segen oder Fluch?“ Gesucht werden Beiträge von Studierenden, die sowohl wissenschaftlicher Natur sein können als auch Ideen, Meinungen etc. spiegeln dürfen. Der vollständige Call findet sich zur Weiterreichung an die Studierenden bei Slideshare. Ergänzende Informationen finden sich auf der Website des Instituts für Medien und Bildungstechnologie. Das w.e.b.Square-Team freut sich auf viele Einreichungen!


Der antinomische Blick

Wenn man im letzten Drittel der Doktorarbeit liegt und primär an der Arbeit schreibt, ist es (zumindest bei uns) ganz selbstverständlich geworden, Textteile mit anderen zu diskutieren, sei es mit Gabi als Betreuerin, mit anderen Doktoranden oder mit weiteren Personen, die sich für das eigene Thema interessieren. Da ich mit der Evaluation des Projekts business@school drei größere Bereiche untersuche, nämlich

  1. welche individuellen Kompetenzen bei den Projektbeteiligten (Schüler, Lehrer, Wirtschaftsvertreter) gefördert werden,
  2. welche soziokulturellen Veränderungen in Schulen und Unternehmen infolge der Teilnahme angestoßen werden und
  3. was man aus der Laufzeit des Projekts für weitere Projekte lernen kann,

bedarf es einer gemeinsamen Betrachtung des Projekts – sowohl hinsichtlich der empirischen Ergebnisse als auch auf metatheoretischer Ebene. Diese Ebene bildet in meiner Arbeit das Spannungsverhältnis von Bildung und Ökonomie, das immer zwischen normativen Ansprüchen und praktischem Nutzwert liegt und sich auf ganz unterschiedlichen Ebenen zeigt. Netterweise hat sich Frank gestern die Zeit genommen, sich dieses Einleitungskapitel näher anzusehen (danke!!) und mir entsprechendes Feedback zukommen lassen. Ein zentraler Hinweis betraf den antinomischen Blick, weshalb ich nochmals Schlömerkemper (z.B. 2010) herausgesucht und genauer nachgelesen habe.

„Damit [mit dem antinomischen Blick, Anm. S.H.] ist gemeint, dass unterschiedliche Deutungen einer Sache, die je für sich der Sache angemessen erscheinen, nicht gegeneinander ausgespielt werden, bis sich eine als die vermeintlich einzig zutreffende Geltung verschafft. Vielmehr soll geprüft werden, ob die eine Deutung mit der anderen durchaus vereinbar ist, weil diese in einer antinomischen Beziehung zueinander stehen und die Deutung sozusagen als Gegenspielerin der anderen mehr oder weniger und in wechselhafter Stärke bedeutsam sein kann.“ (Schlömerkemper, 2010, S. 164)

Der antinomische Blick bietet sich in dieser Betrachtungsweise immer dann an, wenn Phänomene nicht eindeutig zuzuordnen sind bzw. vielmehr einen „Doppelcharakter“ (ebd., S. 165) aufweisen.

Für meine Arbeit heißt das konkret, dass ich nicht gleich mit dem Doppelcharakter bzw. dem verbindenden Element von Bildung und Ökonomie einsteige, sondern zunächst das Wesentliche beider Perspektiven aufzeigen werde. Das erleichtert dem Leser, warum ich eine metatheoretische Betrachtung vorab benötige; umgekehrt bietet es aber auch Anker zur Interpretation der Empirie. Denn – je nach Blickwinkel – lassen sich hier die Daten verschieden auslegen. Gleichzeitig wird aber erst durch die Verschiedenheit von Bildung und Ökonomie deutlich, welchen Beitrag eine Bildung durch Kooperation leisten kann, die – so viel kann ich vorausschicken – ein zentrales Ergebnis meiner Arbeit sein wird.

Quelle:

Schlömerkemper, J. (2010). Konzepte pädagogischer Forschung. Eine Einführung in Hermeneutik und Empirie. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.