Ex-Twitter

Ab dem heutigen Tag nutze ich X (vormals Twitter) nicht mehr. Ist das einen Post wert? Vielleicht, weil ich ziemlich genau 16 Jahre auf Twitter | X aktiv war und mich das Tool auf meinem Weg in die Wissenschaft begleitet hat. Auf diese Weise habe ich viele spannende Menschen mit ihren Themen kennengelernt. Ich konnte mich als junge Wissenschaftlerin mit ihnen vernetzen, mich mit ihnen in kurzen Sequenzen austauschen und in wissenschaftlicher Hinsicht öffentlich oder mittels „DM“ mit ihnen Pläne schmieden. Viele Personen habe ich sogar erst über das Medium und dann bei Veranstaltungen ‚getroffen‘. Man kannte sich halt – von Twitter.

Nicht wenige Menschen sind geblieben und mir bis heute innerhalb und außerhalb meines professionellen Felds wichtig. Manche Begegnungen waren natürlich auch flüchtig – sie sind mit der Zeit (und passend zur Kürze und Schnelllebigkeit eines Tweets) ‚verflogen‘. Dabei geschah der Wandel von Twitter sicherlich ebenso schleichend wie sich meine Überlegungen in Richtung meines Ausstiegs formten. So zeichnete sich fast von Anfang an der Gebrauch von Twitter als Newsmedium ab, ziemlich bald folgten diesbezügliche Forschungen zu einer öffentlichen Kommunikation. Dabei war es nicht nur die offene API, die Twitter-Forschung beliebt machte; Wissenschaftler*innen fühlten sich hier im Vergleich zu anderen sozialen Netzwerken auch deswegen sehr wohl, weil sie ihren eigenen Belangen ohne großen Aufwand Gehör verschaffen konnten. Mir ging das auch so.

Allerdings lässt sich Twitter | X heute kaum mehr betrachten ohne die damit einhergehenden Inszenierungspraktiken, die zu einer erstaunlichen Mischung aus gestaltetem Newsmedium und persönlichem Werbeblock führ(t)en. Auch welche Tweets Beachtung finden oder ‚durch die Decke‘ gehen könnten, lässt sich derweil anhand eingeübter Praktiken fast vorhersagen. Ganze Weiterbildungen nicht nur zum Wissenschaftstransfer arbeiten sich etwa am Ziel persönlicher Reichweitensteigerung in Social Media ab. Ob Tweets dann, wenn sie hauptsächlich eins – effektiv – sein sollen, noch selbst verfasst werden? Wer weiß das schon in Zeiten von LLM und der Breitenwirkung von ChatGPT. Auch daher fällt mir schwer, X noch ‚im Sinne der Sache‘ und beispielsweise losgelöst von Reaktionen auf die Adressierungen einer unternehmerischen Hochschule zu lesen.

Früher wäre ich möglicherweise deswegen geblieben, heute ist es an der Zeit zu gehen.

#8x8Fragen zur beruflichen Nutzung von Social Media

Vielleicht gibt es ja den einen oder anderen, der über die Feiertage Lust (und auch Zeit) hat, sich durch die Videoreihe „8×8-Fragen“ der PB21 zu klicken. Die Reihe greift dieses Mal die berufliche Nutzung von Social Media auf. Es kommen acht Personen in kurzweiligen Interviews zu Wort, die ihr individuelles Nutzungsverhalten mit digitalen Medien offenlegen. Die Fragen sind dabei recht vielfältig und behandeln die Bedeutung von Social Media für einen persönlich genauso wie den individuellen Einstieg ins Social Web, Lieblingsdienste und individuelle Praktiken damit. Obschon die Interviewfragen immer gleichlautend waren, ist es rückblickend spannend zu sehen, wie sich Nutzungsweisen je nach Kontext und institutioneller Verankerung zwischen den Interviewpartnern unterscheiden. Auch erinnern mich meine eigenen Videos an einen – in jeder Hinsicht – heißen Sommer in Heidelberg.

Viel Spaß beim Reinklicken und Zuhören … und ein frohes Fest!

Wildes Votieren

Wer in den letzten Tagen Facebook und Twitter verfolgt hat, dem sind bestimmt all die Postings und Tweets zur Hochschulperle aufgefallen. Etwa zwei Wochen lang wurde vom Stifterverband die Hochschulperle des Jahres 2011 gesucht. Da die student.stories als ein Projekt für die Hochschulperle 2011 nominiert waren, haben wir (d.h. das alte Augsburger Team) uns kräftig um Stimmen bemüht. Man könnte auch sagen, wir haben die Werbetrommel gerührt.

Was nach außen nach wildem Votieren aussah, hatte auch einen tieferen Grund: Es gab die Möglichkeit, jeden Tag für eines der 12 Projekte zu abstimmen. Nun mag es eine Frage der Ehre sein, nur einmal für das Projekt seiner Wahl abzustimmen, aber: Der Wettbewerbscharakter sorgte bei vielen Projektverantwortlichen dafür, sich um neue und alte Stimmen aktiv zu bemühen.

Entsprechend klasse ist jetzt das Ergebnis aus Sicht der student.stories: Das Projekt schaffte es auf Platz 3 und ich freue mich für die beteiligten Studierenden sehr über diese Platzierung. Kritisch anzumerken ist aber, wie bei Wettbewerben dieser Art Ergebnisse beeinflusst werden (können). Hier würde ich mir aus Fairnessgründen ein anderes Abstimmungssystem wünschen. Dass auf diese Weise Komplexität von Wettbewerben steigt, ist klar. Aber der Preis würde aus meiner Sicht nochmals an Güte gewinnen, zumal die erste Auswahl der Projekte auch vom Stifterverband vorgenommen wurde.

Gelesen: Deutsche Bank Research zu Enterprise 2.0

Deutsche Bank Research hat vor kurzem eine Studie zu Enterprise 2.0 herausgegeben, die aufgreift, ob und wie Unternehmen auf das Web 2.0 reagieren. Ich finde das Thema aus unterschiedlichen Gründen spannend, insbesondere auch deshalb, weil man am Beispiel Web 2.0 eindrücklich zeigen kann, wie sich die Organisationsform von Unternehmen auf ihre Reaktionsfähigkeit auf (offenbare) Innovationen auswirkt und welche Rolle dabei die spezifische Größe der Organisation spielen kann. Gleichzeitig führt die Thematisierung der Lern- und Entwicklungschancen mit und durch das Web 2.0 eine bereits ältere Diskussion zu tage, die Mitte/Ende der 1990er Jahre unter dem Begriff Informations- und Wissensmanagement geführt wurde und dessen Aktualität so nochmals unterstrichen wird, auch wenn alte Begriffe inzwischen abgelöst oder durch andere Begriffe/Konzepte ersetzt werden (für einen tieferen Eindruck zur Geschichte des Wissensmanagements lohnt sich auch ein Blick in einen Überblicksartikel von Gabi und Heinz Mandl).

Die aktuelle Studie von Deutsche Bank Research ist nun deshalb hilfreich, weil sie in wenigen Worten und praxistauglich zusammenfasst, was das Web 2.0 im Kontext von Unternehmen leisten kann und wo potenzielle Grenzen des Einsatzes liegen. Auch wird differenziert aufgegriffen, unter welchen Bedingungen man von Enterprise 2.0 sprechen muss – nämlich immer dann, wenn die Verwendung von Social Media einen direkten Einfluss auf die Geschäftstätigkeit hat. Richtig finde ich in diesem Zusammenhang auch, IKT- und Medienunternehmen aus der Betrachtung des Status quo von Enterprise 2.0 herauszunehmen, da man hier – beschleunigt durch das Internet – zu ganz neuen Geschäftsmodellen kommt. Die Relevanz von Web 2.0 für Unternehmen wird – mit Blick auf traditionelle Unternehmen – auf wenige Kernpunkte reduziert, die ich durch die theoretische Beschäftigung mit dem Thema und durch ein paar eigene Expertisen für die Web 2.0-Nutzung im organisationalen Kontext durchaus unterstreichen kann:

  • Das Web 2.0 ermöglichst prinzipiell die Ansprache einer jungen Zielgruppe als Kunden oder als Ergänzung traditionellen Recruitings.
  • Durch das Aufwachsen mit dem Internet sind Kohorteneffekte zu erwarten, sprich auf Kurz oder Lang werden Social Media in allen relevanten Kerngruppen von Unternehmen genutzt. Aktuelle Mediennutzungsstudien unterstreichen diesen Verlauf.
  • Videoportale und (digitale) soziale Netzwerke entfalten eher Breitenwirkung ggü. anderen beliebten Werkzeugen; dennoch ist die Wirkung kleiner Communities nicht zu unterschätzen (im Sinne von Meinungsführerschaft).
  • Social Media eignet sich zur Schaffung von Vertrauen im Sine von Customer Relationship Management (CRM).

Während die oben genannten Vorteile vor allem eine externe Wirkung haben, wird in der Studie auch angeführt, dass Social Media eine Binnenwirkung innerhalb von Unternehmen besitzen können und hierzu teils andere Werkzeuge im Einsatz sind (z.B. Wikis). Die Unterscheidung finde ich insofern wichtig, als dass man bei Social Media derzeit vor allem den externen Effekt im Sinne des Marketings betrachtet. Gleich bedeutsam könnte aber die Wirkung von Social Media nach innen sein, um ein altes Problem (Informations- und Wissensfluss im Unternehmen) besser bewältigen zu können. Falls man also den Nutzen von Social Media betrachtet, sollten immer beide Wirkbereiche betrachtet und in möglichen Evaluationen getrennt erfasst werden. Denn bis auf wenige Projekte oder Themenstellungen (z.B. Corporate Social Responsibility (CSR)) sehe ich in den meist hierarchisch organisierten Unternehmen und den daraus folgenden „Logiken“ wenige Möglichkeiten, eine Verkaufsperspektive und die Perspektive von Personalentwicklung und Lernen zugunsten einer abteilungsübergreifenden Social Media-Strategie zusammenzuführen. Vielleicht ist das aber nur ein Problem der (unternehmensinternen) Priorisierung.

Fazit. Alles in allem also eine lesenswerte Studie, die sich vor allem auch für Praktiker eignet, um einen Einblick in die Dynamiken des Web 2.0 zu erhalten. In der Studie fehlen allerdings bis auf wenige Ankerpunkte gute (oder auch schlechte) Beispiele für den Einsatz von Social Media. Das ist etwas schade, da man sich in der Praxis gern an bereits gelungenen Umsetzungen orientiert.

PS: Jochen Robes hat auf seinem Blog seine Eindrücke zur Studie auch kurz zusammengefasst.