in Wissenschaft

Begleitstudiumsworkshop mit Vertretern der TU Ilmenau

Am vergangenen Mittwoch und Donnerstag waren Marcel Kirchner und einige seiner Studierenden in Augsburg zu Gast. Am ersten Tag stand das allgemeine Kennenlernen im Vordergrund; nach einem Input von Marcel zum medienwisssenschaftlichen Studium an der TU Ilmenau haben wir uns viel unterhalten und Augsburg angesehen. Leider war das Wetter ziemlich mies, sodass ich den Gang auf eine kurze Runde durch die Altstadt beschränken musste. Dafür blieb mehr Zeit für den König von Flandern und das Lamm 😉

Am zweiten Tag ging es dann darum, inwieweit das Augsburger Begleitstudium auf andere Studiengänge bzw. Hochschulen übertragbar ist. In Marcels Seminar wurden hierzu kleinere Studien angefertigt, die eins aufzeigten: Prinzipiell besteht Interesse an einer Übertragung auf andere Studiengänge (bei geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern etwas mehr als bei Ingenieurswissenschaften). Angepasst werden muss das co-curriculare Modell auf die spezifischen Bedürfnisse der Studierenden, aber auch an die Rahmenbedingungen der Universität. Dies schließt sowohl ein entsprechend eigenes „Wording“ als auch die Passung zum vorherrschenden Curriculum ein.

Während letzteres jedem einleuchten mag, möchte ich kurz näher auf die Schwierigkeiten mit den Bezeichnungen vor allem mit den einzelnen Bausteinen des Begleitstudiums eingehen. Insbesondere der Baustein „Soziales“ wurde nämlich aus ingenieurswissenschaftlicher wie auch aus betriebswirtschaftlicher Perspektive kritisch beäugt. Als Alternative wurde „Organisatorisches“ vorgeschlagen – bei etwa gleichen Inhalten. Über die Begriffe und insbesondere die Passung zur Begriffswelt in den einzelnen Studiengängen haben wir dann lange gesprochen; immerhin erscheint uns Organisatorisches ganz was anderes als Soziales. In weiteren Vorschlägen wurde das Begleitstudium gänzlich umbenannt; der soziale Baustein wurde in starker Abwandlung (etwa bei Sylvias Gruppe) zu „Marketing“. Auch das erzeugt – je nach Hochschule – sehr unterschiedliche Assoziationen und wäre in unserem Augsburger Kontext vermutlich schwer gebräuchlich. Eins zeigt sich aber: Während in Augsburg oftmals unklar ist, wie das wissenschaftliche Problemlösen in Ergänzung zum herkömmlichen Studium aussehen soll, bereitete in Ilmenau der soziale Baustein Kopfschmerzen. Und es zeigt sich auch, dass man die Begriffswelt an die Denkweise der Studierenden und nicht zwingend an die der Lehrenden anpassen sollte.

Gern hätte ich noch etwas darüber diskutiert, ob es jetzt tatsächlich zu einer Übernahme in Ilmenau kommt und wie man die Implementierung aus Lehrendensicht unterstützen kann. Leider musste ich zu einem Anschlusstermin und werde diese Fragen wohl eine Weile zurückhalten (müssen). Dies gilt ebenso für Fragen der Vermarktung: Auf den abschließenden Vortrag einer Vertreterin der Stuttgarter Know How! AG musste ich ebenso verzichten.

Resümee: Am Ende des Tages muss man trotz oder eben wegen dieser vielen Diskussionen sagen: In Marcels Seminar sind fruchtbare Ergebnisse für ein Weiterdenken des Begleitstudiums herausgekommen.

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Kommentar

  1. Hallo Sandra,
    du schreibst: „Und es zeigt sich auch, dass man die Begriffswelt an die Denkweise der Studierenden und nicht zwingend an die der Lehrenden anpassen sollte.“ Bis du sicher? Ist das der Zweck einer Bildungsinstitution? Ist das das richtige Verständnis von „Studiederenden- oder Lernerorientierung“? Zu tun und zu kennzeichnen, wie die die Erwartungen sind? Begriffe, die „leicht runtergehen“, zu verwenden, damit man nicht zu diskutieren braucht? Und passt sich dann das Denken und Handeln den Begriffen an? Und wenn die Begriffe vom „Kunden“ kommen, lernt er dann wirklich etwas? Ist das nicht ein ziemlich großer Selbstbetrug? Was ist mit der konstruktivistischen Erkenntnis, dass an sich nur Störungen echte Lernanlässe sind? Wenn wir aber jede Form von Störung vermeiden, um ein schnelles, ein angenehmes, ein erwartungskonformes Studium zu ermöglichen, bleibt dann nicht genau dieses Lernen auf der Strecke? Kleiner Anlass, viele Fragen … aber vielleicht zum Nachdenken geeignet. 🙂

    Gabi

  2. Hallo Gabi,

    im konkreten Fall lässt sich durchaus eine Begründung für unser Diskussionsergebnis finden: In der jetzigen Form sind die drei Bausteine zwar inhaltlich, aber nicht zwingend begrifflich anschlussfähig an die exemplarisch untersuchten Studiengänge in Ilmenau. Dies gilt sowohl aus Studierenden- als auch aus Lehrendensicht. Folglich kamen wir zu dem Schluss, im Falle einer Implementierung des Begleitstudiums die Bausteine so zu benennen, dass sie an eine ganze Disziplin anzuschlussfähig sind. An der Stelle entsteht aus meiner Sicht kein Widerspruch, sollen in der Pilotphase Promotoren/Mentoren für die Umsetzung gefunden werden. Solange man dabei nur das „Label“ ersetzen und die pädagogischen Ziele/Konzepte weiterhin parallel mitgedacht werden, kann man die Veränderungen aus meiner Sicht durchaus hinnehmen, um überhaupt in die Erprobung zu gelangen.

    Abseits vom konkreten Fall stimme ich Dir natürlich zu, dass eine gänzlich ökonomische Ausrichtung von Bildungseinrichtungen und damit auch der permanten Integration der Kundenperspektive wenig erfolgsversprechend ist (um im Sprachbild zu bleiben). Würde man sich allein ökonomischen Zwängen unterwerfen, würden womöglich bald nur noch die Studiengänge angeboten, die in der Wirtschaft nachgefragt werden. Diejenigen, die das gesellschaftliche Fortkommen sichern, würden möglicherweise hintenanstehen, da ihr Erfolg beispielsweise nicht gemessen werden kann. Womit ich mich aber durchaus anfreunden kann (und in dem Punkt unterscheiden wir uns), ist ein lernerfreundliches „Wording“. Was bringt die tollste Veranstaltung, das beste Angebot, wenn es nicht wahrgenommen, womöglich auch gerade zu Studienbeginn nicht verstanden wird? Natürlich erreicht man auf die Weise eine kleine Zahl an interessierten Leuten, an Studierenden, die sich mit Wissenschaft identifizieren und sich in eine abstrakte Denke hineinversetzen können und wollen. Was ist aber mit denjenigen, die gar nicht wissen, wie viel Spaß bestimmte Angebote machen, weil sie denken, diese sind nichts für sie oder weil sie davon ausgehen: „Das ist einfach zu hoch für mich.“? Ich will nicht über diejenigen Studierenden urteilen, die ständig Zeit oder (mangelnden) Berufsbezug vorschieben, um nicht an komplexen Veranstaltungen mit noch komplexeren Titeln teilzunehmen. Mir geht es vor allem um die „Grauzone“, die oftmals nur über persönliche Gespräche mit den Lehrenden erfahren, was sich hinter sperrigen Begriffen verbirgt. Die oftmals auch zu scheu sind, um sich weitergehend zu informieren. Ich will keine Konzepte inhaltlich verändern oder auf eine bestimmte Außenwelt anpassen; ich würde mir nur wünschen, dass sich Lehrende stets fragen: Hätte ich bei dem einen oder dem anderen Namen an einem Angebot partizipiert? Wie wäre es mit meinen Freunden, als sie noch studiert haben: Würden sie mitmachen? Ich sehe darin keinen Selbstbetrug, solange man die Ziele eines Angebots nicht aus den Augen verliert oder zu sehr an irgendwem orientiert. Ich würde mir einfach nur wünschen, dass man das „Kind“ im Zweifel anders benennt, und finde ernsthaft, dass sich damit kein Wissenschaftler einen Zacken aus der Krone bricht – im Gegenteil: Ich finde, es zeugt durchaus von Aufgeschlossenheit, wenn man sich das eine oder andere Mal von einer Gelehrtensprache abwendet – hin zu einer Sprache, die mehr als nur die genuin Interessierten mitreißt. Und Störpotenzial, nein, das geht diesem Vorhaben aus meiner Sicht nicht verloren.

    Viele Grüße,

    Sandra

  3. Wenn du mit „Gelehrtensprache“ unverständlich zusammengestellte Fachbegriffe meinst: d´accord. Man redet an der Stelle jetzt leicht aneinander vorbei, weil man sich an den Extrempolen entlang hangelt – das ist vielleicht auch notwendig, um zu klären, worum es geht. Ich habe vor zehn, fünfzehn Jahren exakt genauso argumentiert wir du: Damals ging es um das Thema Wissensmanagement und für viele war allein schon der Begriff ein Unding. Ich habe manche Aufregung in der Fachdisziplin nicht verstanden. Heute ist mir klar geworden, dass Begriffe das Denken und vor allem Erwartungen mehr beeinflussen können als einem bisweilen lieb ist. Es ist freilich ein Balanceakt und niemals würde ich dafür plädieren, so zu reden oder zu schreiben, dass man es nicht versteht – da schiebst du mir jetzt was unter ;-). Nein, an sich war das kleine Beispiel nur ein Anlass für mich zum lauten Denken, was wir mit den Erwartungen der Studierenden machen, wo wir um Anschlussfähigkeit nicht herumkommen und wo man Studierenden auch mal etwas zumuten muss – eben WEIL man will, dass sie aus dem Studium etwas mitnehmen – nicht um sie zu vergraulen. 🙂

    Gabi

  4. Unfreiwillig habe ich heute länger über Deinen Kommentar nachdenken können und ich merke, dass wir hier wahrscheinlich einen Fall von Sowohl-als-Auch haben (Du spricht ja auch von „Balanceakt“). Was mich allerdings umtreibt: Wie soll man die Herausforderung des Mittelwegs annehmen und im konkreten Fall lösen? Bestenfalls kennt man Bedürfnisse und Konzepte der Studierenden als Lehrender so gut, dass es ein Leichtes ist, diesen einerseits zu entsprechen, andererseits aber auch zu intervenieren (Stichwort: Störung). Was ist jedoch, wenn wir uns durch unsere vertiefte Arbeit an einem Thema, durch das Umgeben mit Experten gar nicht mehr bewusst sind, welche Begriffe unter Studierenden welche Konzepte hervorrufen? Haben Studierende überhaupt Vorstellungen von dem, was wir für Angebote machen? Wer prägt diese Vorstellungen? Selbst der Mittelweg scheint schwierig umzusetzen und ist nicht selten unbefriedigend für beide Seiten (für Studierende wie auch für Lehrende). Vielleicht wählt man in der Tat den einfachsten Weg, wenn man sich auf die Seite der „Kunden“ schlägt, da dies – ganz im Sinne von Service Learning, Hochschul- und Wissenschaftsmarketing etc. – en vogue ist. Auch fällt es mir schwer diese Perspektive gänzlich zu unterdrücken (wie Du aus vielen anderen Diskussionen weißt ;-)), da ich um die Wirksamkeit von (kommunikationspolitischen) Maßnahmen weiß. Insofern tröstet mich, dass es bei Dir auch ein paar Jahre gedauert hat, bis Du zu Deiner heutigen Meinung gelangt bist… 😉

  5. Manchmal helfen auch ein bisschen Geduld und Humor. Und wenn man die Studierenden ernst nimmt, ist das wohl der beste Weg. Was daraus folgt, ist eine andere Frage – das kann unterschiedlich sein. Oft ist es so wie in der Erziehung: Man macht da ja bei Kindern und Jugendlichen wirklich viel falsch – da kannst du dir noch so viel vornehmen – dieser Weg ist wirklich gepflastert mit Fettnäppchen und Fallen. Aber letztlich kommt es darauf an, dass man sein Kind liebt und respektiert In abgeschwächter Form dürfte das wohl auch in anderen (sozialen) Kontexten so sein. „Keine Fehler machen“ – das geht eh nicht.

    Gabi

  6. Euere Diskussion ist sehr schön weil prototypisch für zwei Interessen: Servicegedanke vs. „echte“ Bildung. Wie Sandra meines Erachtens richtig sagt, ist die Umsetzung des Balanceaktes schwer, aber mit sowohl-als-auch kommt man auch nicht weiter, weil damit die Frage: Was tue ich jetzt? nicht beantwortet ist. Mir fällt in diesen Fällen immer das völlig übertriebene, vielleicht auch zynische, jedenfalls nicht nachahmenswerte Beispiel ein, wie man die eigenen Kinder (Gabi du sprachst von Kindern) daran hindert, zum Mc zu gehen. Nicht vor den fettigen und ungesunden Inhalten warnen, sondern hingehen und ein paar gute Burger essen. Der Sättigungspunkt kommt bald und das ist der rechte Zeitpunkt für ein Gespräch. Übertragen (ihr seht ich nutze nur die Analogie 😉 heisst das: Man schreibt: Du bist der Kunde! Dem jungen Studenten ist dies selber aus einem „unbestimmten Grund“ unbehaglich (wenn es nur reichlich kommuniziert wird) und es gilt sich von diesem „Ideal“ gemeinsam zu entfernen – eine andere Idee zur „sanften Migartion“ habe ich nicht.

    Wer diese pädagogische Ochsentour nicht mitspielen will :-), der schreibt ganz einfach: „Modul: Konflikt-Kommunikation-Kooperation“ …auch BWL und Ingenieure wissen, dass die Arbeit nach dem Studium zu einem geringen Teil aus Tüftelei oder Buchhaltung zu tun hat.

  7. Aus meiner Sicht liegen die beiden Interessensbereiche gar nicht so weit auseinander – jedenfalls dann, wenn man davon ausgeht, dass die Bildung das gemeinsame Ganze ist. Ich würde jedenfalls ungern ein Modul „Konflikt – Kommunikation – Kooperation“ belegen… klingt viel zu platt 😉 Insofern stimme ich Frank zu: Vielleicht ist der vorgehaltene Spiegel ein guter Weg, um für komplexe Inhalte/Begriffe zu sensibilisieren bzw. der Auseinandersetzung entsprechend Raum zu geben. Was mir dabei aber wichtig erscheint, ist nicht nur die Auseinandersetzung mit mir selbst (Kopf), sondern auch die Diskussion mit anderen (Austausch). Das hatten wir in der bisherigen Diskussion nur bedingt auf dem Schirm und ich sehe hier eine durchaus gewichtige Rolle des Lehrenden – zumindest solange, wie wir uns im Unikontext bewegen.