in Wissenschaft

Inhaltliche Widersprüche und studentische Verhandlungstaktiken

Inzwischen laufen sie also, meine drei Seminare, und mit leichtem Schmunzeln blicke ich auf die einzelnen Kick-off-Veranstaltungen zurück. Denn zunächst einmal bin ich überrascht über die ganzen Ansprüche, die anhand der Titel und Beschreibungstexte in meine Lehrveranstaltungen projiziert werden: angefangen bei Aktualität, Praxisbezug über Fall- bzw. Problemorientierung bis hin zu Spaß. Gefühlt ein ganzes Sammelsurium an Erwartungen, mit denen Studierende offenbar Seminare besuchen – gepaart mit dem Zwang zum Punkteerwerb und entsprechenden Modulwünschen. Während ich die Erwartungen, die an Lehre gestellt werden, sehr spannend und hilfreich für die Einordnung der Anforderungen an mich finde, bringen mich Punkteerwerb und Modulverteilung regelmäßig zum Grinsen: Denn die studentischen Verhandlungstaktiken werden immer ausgereifter und sind ein Stück weit auch strategisch ausgeprägt (siehe hierzu auch Gabis Arbeitsbericht). Das führt dazu, dass so mancher nur noch zwei Punkte braucht und diese mit möglichst wenig Aufwand erreichen möchte. Aus meiner Sicht ein Widerspruch in sich, wenn man nochmals auf die Erwartungen an die Veranstaltung schaut: Denn Praxis- und Problemorientierung stehen in keinem Verhältnis zu zwei Punkten oder, um es plakativer zu machen, zwei Punkte entsprechen dem Workload eines Referats, nicht aber dem von Gruppenarbeit und Co. Wer sich also auf der einen Seite praxisnahe Veranstaltungen mit aktuellem Bezug und Teamarbeit wünscht, der kann auf der anderen Seite nicht erwarten, sich durch den bloßen Erwerb von zwei Leistungspunkten eben dieser zu entziehen zu können. Ein anderer Widerspruch ist regelmäßig die Frage nach dem, wie wissenschaftliches und praxisorientiertes Arbeiten miteinander in Punkten aufgewogen werden: Ist es gewissermaßen gleich anspruchsvoll, praxisorientierte Lösungen zu finden bzw. theoretisch-konzeptionelle Ausarbeitungen anzufertigen? Natürlich vergleicht man ein Stück weit Äpfel mit Birnen, will man aber beides ins Seminar integrieren, lassen sich insbesondere aufgrund der gemachten Erfahrungen und der von Studierenden verfassten Reflexionen in vorangegangenen Semestern sehr faire Lösungen finden. Manchmal würde ich mir echt wünschen, dass bei aller Verhandlungstaktik auch mal den Dozenten vertraut wird… 😉

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Kommentar

  1. Hallo Sandra,

    Dein angesprochenes „2-Punkte-Problem“ ist einfach eine Sache, die im ganzen MuK-Studiengang besteht. Meiner Ansicht nach ist es einfach so, dass die Punkteverteilung allgemein eher „ungerecht“ ausfällt. So ist der Workload in den Hauptfächern (wenn man das Ganze mal verallgemeinern will, Ausnahmen bestätigen die Regel) meistens höher, um seine Punkte zu erreichen als in den Nebenfächern – wobei ich mich keineswegs beschweren will, dass die Anforderungen zu hoch wären. Aber manchmal wundert man sich eben schon. Warum bekomme ich in einem Seminar 2 Punkte auf ein Referat, das ich mit 8 anderen halte (und folglich einen Teil von 10 Minuten abdecken muss), während ich in der nächsten Veranstaltung eben auch für 2 Punkte 90 Minuten alleine reden muss? Hier wäre es einfach für die Studierenden wünschenswert, wenn sich die Dozenten auch mal untereinander einig wären, wie sie nun den Aufwand für die einzelnen Leistungen einschätzen.

  2. Hallo Lena,

    danke für Deine (studentische) Einschätzung – finde ich sehr wichtig, dass wir bei aller Diskussion um Lehre nicht Eure Meinung vergessen 😉
    Leider ist die komplette Abstimmung aller Seminare wohl eher Wunschdenken – im Kernfachbereich des MuK mit Sicherheit noch machbar, darüber hinaus nahezu ein Ding der Unmöglichkeit. Zumindest so lange schwierig, wie sich mancher Dozent wenig in die „Karten“ schauen lässt, was er plant und welche Leistungen die Studierenden erzielen sollen. Abgesehen davon zielte mein Beitrag oben auch eher darauf ab, dass quasi Wunschdenken und (Punkte-)Realität recht weit auseinander liegen. Die wenigsten sind aufgrund von hohem Interesse bereit, mehr Punkte, als sie eigentlich brauchen, zu machen. Insofern könnten die Neuregelungen im Rahmen der Akkreditierung des MuK auch etwas Gutes haben: Sie führen zumindest dazu, dass endlich der „Wert“ von Leistungen auf größerer Ebene diskutiert wird und außerdem nicht mehr jede Minileistung in Punkten aufgewogen werden muss.

    Liebe Grüße,

    Sandra

  3. Hallo Sandra,

    es ist mir schon klar, dass dieses Abstimmen wohl eher Wunschdenken ist – als Student bekommt man dann ja auch schnell raus, wo man eher mehr oder weniger machen muss. Aber hier liegt eben auch das Problem des von dir angesprochenen „Wunschdenkens“: Uns fällt es oft selbst schwer, einzuschätzen, was unsere Leistungen „wert“ sind – eben weil sie so unterschiedlich gewichtet sind.
    Klar kenne ich die Verhandlungstaktiken, für möglichst wenig Aufwand möglichst viele Punkte zu bekommen (und habe sie natürlich auch schon selbst ausprobiert 😉 ), aber letzten Endes sollte sich jeder Student ja wohl auch bewusst sein, dass er nicht nur zum Spaß studiert mit dem Ziel, mit geringem Aufwand (was nun mal mit dem Verlust von Wissenserwerb einhergeht) sein Studium durchzuziehen, sondern dass er vielleicht auch was lernen will. In MuK hat sich durch die bloße Teilnahme an regulären Seminaren noch keiner überarbeitet.

  4. Hallo Lena,

    hm, ich sehe Deinen Einwand; vor allem vor Beginn der Seminare sollte klar sein, was die Dozenten für die Punkte verlangen. Ich frage mich allerdings, ob das nicht prinzipiell bekannt sein sollte? In meinen Seminaren steht immer dabei, was für (Teil-)Leistungen zu erbringen sind, und ich denke, das gilt an sich für fast alle Veranstaltungen im Hauptfachbereich. Gerade wenn die Studierenden aber auch „was lernen“ (wie Du es nennst) wollen, muss ich aber kritisch nachfragen: Ist es wirklich nötig, die Leistungsanforderungen im Detail zu kennen, wenn es darum geht, aus den Seminaren Inhalte, aktuelle Bezüge und bestenfalls auch überfachliche Kompetenzen mitzunehmen? Manchmal steht die Punktelogik – besonders zu Beginn des Semesters – der Teilnahme aus Inhaltsgründen einfach im Weg. Oder umgekehrt formuliert: Ein „sich Einlassen“ auf das didaktische Setting muss nicht zwingend überfordernd für Euch Studierende sein. In der Regel macht sich der Dozent ja Gedanken darüber, was machbar ist.
    Ganz generell ist es vielleicht auch gut, wenn nicht alle Leistungen komplett aufeinander abgestimmt werden… so bleiben Euch wenigstens ein paar Nischen in der Gestaltung des Stundenplans 🙂

    Liebe Grüße,

    Sandra