Vornberger zu "Gute Lehre an der Universität"

Die Sendungen von „SWR2 Wissen: Aula“ gibt es schon eine ganze Weile. In schöner Regelmäßigkeit werden spannende Themen aus dem Umfeld der Universität herausgegriffen und ausführlich von Experten (mitunter auch kontrovers) diskutiert. In der aktuellen Sendung wird nun Oliver Vornberger gefragt, wie gute Lehre an der Universität aussehen kann (Download .mp3). Zu Beginn geht es dabei viel um die Reformen von Bologna und die veränderten Anforderungen an Lehre; auch das Spannungsfeld von Forschung und Lehre wird angesprochen. Im Folgenden werden dann die Potenziale digitaler Medien für qualitativ hochwertige Lehre anhand von drei Projekten an der Osnabrücker Uni vorgestellt, darunter Media2mult, virtPresenter (zur Verknüpfung des Tools mit Facebook siehe auch Danielas (kleine) Studie auf w.e.b.Square) und Blue Classroom Quiz. Vornberger endet damit, dass sich Bildung und Unterhaltung nicht ausschließen müssten – im Gegenteil: „Statt eines farblosen Dialogs bleibt eine multimedial unterstützte Präsentation einfach besser hängen.“ (00:26:45)

Fazit: Wenn man sich regelmäßig mit E-Learning auseinandersetzt, sind weder die Ideen noch die vorgestellten Projekte neu – müssen sie auch nicht, da es allein schon toll ist, dass das Thema Lehre von Massenmedien aufgegriffen wird. Reinhören und Wissen auffrischen lohnt sich also – und die nächste (langweilige) Bahnfahrt kommt bestimmt.

Übergang gestalten – aber wie?

Eine ganze Weile habe ich einen Band auf dem Tisch, der mit „Bildung und Schule auf dem Weg in die Wissensgesellschaft“ überschrieben ist und anlässlich des 65. Geburtstags von Renate Schulz-Zander herausgegeben wurde (Annabell und Gabi haben weit vor mir darüber berichtet). Ein paar Zugfahrten später will ich nun speziell einen Beitrag herausgreifen, an dem ich bei der Lektüre gedanklich hängen geblieben bin. Er lautet „Brücken bauen – Übergang von der Schule zur Hochschule“, ist von Heike Hunneshagen und behandelt ein Thema, das mich schon länger beschäftigt, nämlich die Studienwahl von jungen Erwachsenen. Der Zugang zum Thema erfolgt dabei recht klassisch, so dass primär nach dem Studienwahlverhalten von Mädchen und Jungen unterschieden wird. Hängen geblieben bin ich aber nicht wegen diesem Zugang oder den konkreten Ergebnissen zur Studienwahl, die am Beispiel der Ruhr-Uni Bochum aufgezeigt werden. Diese kann man ähnlich gut an den Zahlen des Statistischen Bundesamts ablesen und Konsequenzen letztlich täglich an der Uni „sehen“. Aufgefallen ist mir vielmehr eine Feststellung, die auf die Vertrautheit mit Berufen zurückgeht:

„Aufgrund der Zuschreibung von technisch-naturwissenschaftlichen Kompetenzen zur männlichen Lebenswelt ziehen sich Mädchen (z.T. unbewusst) aus dieser Domäne zurück.“ (Hunneshagen, 2010, S. 71)

Eine Aussage in dieser Deutlichkeit hatte ich mir im Jahr 2010 nicht erwartet – vielmehr war ich davon ausgegangen, dass sich (ob der vielen Projekte zur Stärkung des Selbstvertrauens von Mädchen) bei der Studien- und Berufswahl eindeutige Verschiebungen vor allem in Richtung der Naturwissenschaften ergeben. Dem ist offenbar nicht so. Es stellt sich daher (wohl oder übel) die Frage, inwiefern die aktuellen Projekte in ihrer Anzahl ausreichen, ob sie inhaltlich und mit dem Fokus auf Gender richtig angelegt sind und inwieweit sie aufgrund der Komplexität des zugrunde liegenden Studien- und Berufswahlprozesses überhaupt greifen (können). Denn die „Vererbung“ von Berufen findet nur noch in einem von zwei Fällen statt, wenn man Studien dazu glaubt (z.B. Beinke, 2004, 2006). Wichtiger werden hingegen Mentoren, die auch im Konzept von MINT eine Rolle spielen. Die Frage ist nur, über welchen Zeitraum sich die (positiven) Erfahrungen bei den (weiblichen) Schülern einstellen sollen, welche Bedeutung die Lehrer dabei einnehmen und vor allem auch, inwiefern die „Konkurrenz“ unter (potenziellen) Studiengängen und Berufen die zahlreichen Bemühungen mitunter wieder aufheben wird. Auch frage ich mich, ob Schüler nicht irgendwann mit den an sie gerichteten vielfältigen Erwartungen und Bemühungen überfordert sind. Aber das ist wohl ein anderes Thema.

Nachtrag 31. März 2010: Den Herausgeberband gibt es ab sofort auch bei Google-Books.

Beinke, L. (2006). Bildungsbarrieren im Schulsystem. In G. Seeber (2006), Die Zukunft des sozialen Sicherung – Herausforderungen für die ökonomische Bildung. Deutsche Gesellschaft für ökonomische Bildung. Wirtschafts- und berufspädagogische Schriften. Band 34 (S. 187-208). Bergisch Gladbach: Hobein.

Beinke, L. (2004). Berufsorientierung und peer-groups und die berufswahlspezifischen Formen der Lehrerrolle. Berlin: Bock.

Hunneshagen, H. (2010). Brücken bauen – Übergang von der Schule zur Hochschule. In B. Eickelmann (Hrsg.), Bildung und Schule auf dem Weg in die Wissensgesellschaft (S. 69-84). Münster: Waxmann.

Kontroverse Ansichten

Viel wurde schon geschrieben über Schulmeisters Artikel „Ansichten zur Kommentarkultur in Weblogs“ (z.B. bei Christian, Gabi, Joachim, Michael Kerres) und auch im Etherpad finden sich eine ganze Reihe an Meinungen dazu, inwieweit die deutschsprachige Edu-Blogosphere angemessen im Text berücksichtigt wird und wie es denn ist, als öffentlicher Blogger beforscht zu werden. Da die Lektüre all dieser Dokumente sehr interessant ist und zum Nachdenken über Chancen und Grenzen von Weblogs anregt, greife ich an dieser Stelle nur noch zwei Aspekte heraus, die in der bisherigen Diskussion etwas zu kurz kommen:

Der eine Aspekt betrifft die Auswahl der Blogs, allerdings unter anderen Gesichtspunkten, als sie bisher betrachtet wurde. So war ich zuerst unglaublich überrascht, als Bloggerin in der Analyse aufzutauchen, da es (aus meiner Sicht) eine Menge anderer Autoren gibt, die weitaus länger mit dem Werkzeug vertraut sind und über die Zeit auch eine gewisse inhaltliche Linie ausgebildet haben. Das ist bei mir nicht so – jedenfalls kann man über die vergangenen Jahre gut nachvollziehen, wie sich Schreib- und teils auch Denkweisen infolge der Beschäftigung mit bestimmten (Bildungs-)Themen verändert haben. Und da sind wir bei dem Punkt, wo ich der Analyse (neben anderen Aspekten) inzwischen doch etwas abgewinnen kann: An sich kann es sehr interessant sein, in solchen Inhaltsanalysen nicht nur „die üblichen Verdächtigen“ zu betrachten und daraus Thesen zur Kommentarkultur abzuleiten, sondern bewusst den Blick auf andere Wissenschaftler zu richten, vor allem auf diejenigen, die ihren Blog stark in einer bestimmten Phase (z.B. Promotion) nutzen. Ich finde daher den Mix an untersuchten Personen sehr interessant, wohl wissend, dass der Mix allein nicht die Auswahl der Personen begründet.

Ein zweiter Punkt, der im Prinzip gleich am ersten anknüpft, ist die Einschätzung meiner „Blogperson“ – in lockerer Runde habe ich mich gestern als „Sozialtante“ bezeichnet und ja, vermutlich trifft der Ausdruck mein Bild in der Untersuchung ganz gut:

„Sandra Hofhues ist mit 25 Beiträgen und 19 Kommentaren vertreten. Sie selbst gibt 16 mal Rückmeldung. Ihre
Beiträge sind überwiegend private oder persönliche (z.B. Café-Studien, Stand der Diss, Etwas Werbung gefäl-
lig?, In den Fängen der Informationsflut, Frühlingswahn) mit einer durchschnittlichen Länge von 254 Wörtern.
Sechs Beiträge sind der Bildung gewidmet, drei Call for Papers, und fünf Referenzen auf aktuelle Studien. Die
Kommentare sind bis auf wenige sehr kurz, mittlere Länge 78 Wörter. Die meisten Kommentare erfolgen in der
Absicht aufzumuntern, Verständnis zu zeigen, Dank und Glückwünsche auszudrücken (Kategorie Sozialbezug).“ (S. 18)

Auch wenn es natürlich stark abhängig ist von Themen, mit denen man sich auseinander setzt, und letztlich auch vom Untersuchungszeitraum, der gewählt wurde, alles in allem kann ich mit der Einschätzung gut leben. Bloggen in der Phase der Diss heißt für mich inhaltlichen Austausch mit einem recht klar umfassten Umfeld zu haben, aber eben auch in mancher Hinsicht ermuntert und/oder kritisiert zu werden (was im Übrigen auch für die Lehre gilt, über die ich hier oft schreibe). Von daher würde ich mir wünschen, dass bei folgenden Analysen die persönliche Situation des Bloggers noch stärker in Betracht gezogen und mit bereits existierenden Studien zum Blogging (z.B. Arbeiten zu Knowledge Blogs oder Weblogs as a Personal Thinking Space) verglichen wird. Alles in allem finde ich jedenfalls klasse, wie sich eine sehr unreflektierte Diskussion über einen Buchartikel zu einer inhaltlichen Kontroverse unter Bloggern gewandelt hat. Denn so mancher erster Hinweis auf Twitter war nicht gerade das, was ich mir unter einem wissenschaftlichem Diskurs vorstelle, da bin ich ehrlich.

Ausflug zu BMW

Gestern war es wieder soweit: Jede Menge MuKler haben sich auf den Weg zur BMW Group gemacht, um ihre Seminarergebnisse vor einigen interessierten Unternehmensvertretern vorzustellen. Dieses Mal wurden fast keine Kampagnen entwickelt, sondern vielmehr ganze Kommunikationskonzepte, deren Charme es ist, dass sie aus der jugendlichen Zielgruppe selbst kommen und damit einem Unternehmen wie der BMW Group Ankerpunkte für die Verjüngung ihrer externen Kommunikationsaktivitäten liefern. Ganz unkritisch sind solche Kooperationen natürlich nicht – jeder Zusammenarbeit unterliegt ein spezifischer Zweck, den es erst einmal zu identifizieren gilt, um nicht instrumentalisiert zu werden. Ich nehme mir daher in der Regel viel Zeit, diesen Zweck aus Unternehmenssicht zu erläutern und auch auf die Rolle, die wir als Universität einnehmen, einzugehen. Gerade im Falle von Profit-Kooperationen nehmen diese Diskussionen einen sehr großen Stellenwert in der Lehrveranstaltung ein, da die Zusammenarbeit selbst, aber auch die konkreten Aufgaben oftmals (und gerade zu Beginn) kritisch hinterfragt werden. Abseits von fachlichen Inhalten (z.B. Social Media, Marketing) erfährt man daher als Seminarteilnehmer sehr viel darüber, wie Organisationen „ticken“. Neben dem realen Kontext liegt hierin aus meiner Sicht auch der größte Gewinn einer solchen Zusammenarbeit: nämlich zu erfahren, welche Bedeutung theoretisch Gelerntes in der Praxis hat und inwiefern man mit bestimmten Themen am Puls der Zeit ist. Denn selten haben die Studierenden die Gelegenheit dazu, sich in der Praxis auszuprobieren und ihre Lernergebnisse von Unternehmensvertretern beurteilen zu lassen… um letztlich selbst zu merken, was sie nach ein paar Semestern MuK alles drauf haben 🙂

EduCamp Hamburg 2010 – Versuch eines Rückblicks

Das EduCamp liegt jetzt zwei Tage zurück und noch immer fällt mir ein Resümee schwer. Vielleicht liegt es daran, dass nun schon an anderen Stellen erste Eindrücke geschildert wurden, die ich in vielerlei Hinsicht teilen kann. So finde ich z.B. die Formatdiskussion bei Mandy und Matthias spannend und wichtig, aber auch die Frage nach der Teilung von Begriffen, wie man sie etwa bei Helge findet. Beide Aspekte haben mich besonders am vergangenen Freitag beschäftigt, sodass ich bspw. aufgrund meiner persönlichen Verärgerung eine „Gegen“session zu unternehmerischem Engagement in Bildungseinrichtungen angeboten habe. Das hatte vor allem damit zu tun, dass mir die Diskussion am Vortag zu unkritisch und zu einseitig war – in eine Richtung, die im Bildungskontext die Förderung von Lehr-Lerninhalten bzw. ganzer Schulen/Hochschulen als eine eindeutig positive Entwicklung beleuchtet hat. Da ich durch meine Diss immer wieder mit diesen Fragen konfrontiert bin, konnte und wollte ich das nicht unhinterfragt stehen lassen. Und so habe ich doch eine ganze Reihe an Mitstreitern gefunden, die sich Samstag am Bildungsverständnis gerieben und neben ihren Positionen auch aus Projekten und von eigenen Erfahrungen berichtet haben. Bei der Diskussion konnte man dann schön sehen, wie unterschiedlich einzelne Bildungsbegriffe sind, welche Schwierigkeiten die oftmals losen Rahmenbedingungen (Curricula) offenbar bereiten, sodass unternehmerisches Engagement selten auf seinen Zweck hin überprüft wird, und man konnte eindeutig sehen, wie viele Bedürfnisse oder Ansprüche auf Bildungseinrichtungen generell „einprasseln“. Das ist an sich nichts Neues, da man dies in sehr vielen Studien zu o.g. Thema liest (z.B. zu ökonomischer Bildung in der Schule). Trotzdem fällt erst durch die persönliche Diskussion auf, was einzelne Personen/-gruppen tatsächlich motiviert, sich im Bildungskontext einzubringen. An der Stelle hat mir gefallen, dass neben Wirtschaftsvertretern ebenso Lehrer in der Session waren, wodurch sich Praxisperspektiven und theoretische Annäherungen permanent abwechselten. Ich bin daher froh, dass ich mich zu dieser „Maßnahme“ entschlossen habe und sehe darin auch einen klaren Vorteil von Unkonferenzen, nämlich die Möglichkeit Themen einzubringen, obschon diese vorher nicht auf dem Plan standen, und diese mit Vertretern ganz unterschiedlicher Gruppen kontrovers zu diskutieren. Natürlich kann man das auch auf Kaffeepausen verschieben, allerdings nicht in der Ruhe, nur schwer in dieser Konstellation und schon gar nicht, wenn die Gruppe zu groß ist.

Was in der spontanen Session offenbar ganz gut gelaufen ist, nämlich hinreichend Kontroversen und durchaus Tiefe in der Diskussion zu erzeugen, ist uns beim Bildungssofa nicht ganz so gut gelungen. Vielleicht lag es am vagen Thema, am persönlichen Zugang zu den Inhalten, an der strikten Einhaltung des Zeitplans oder auch an der integrativen Perspektive der Gäste: Eine Diskussion wie in Graz fand zuerst gar nicht und später eher an der Oberfläche statt. Manche Twitter-Nutzer beklagten daher (zu recht) den Talkshowcharakter der Runde. Es ist wirklich erstaunlich, wie mehr oder weniger dasselbe Konzept einmal sehr gut und einmal mäßig verlaufen kann, da an den Rahmenbedingungen kaum Veränderungen vorgenommen wurden. Was ich im Nachhinein auf jeden Fall kritisch sehe, ist die Länge des Bildungssofas, da viele Teilnehmer mitten im Gespräch die Session wechseln mussten oder wollten. An solchen formalen Vorgaben kommt man nicht vorbei, wenn man Zuhörer und Mitdenker haben will. Darüber hinaus stellt sich mir die Frage nach der „Konkurrenz“: Ein paar Mal wurde an mich herangetragen, warum das Bildungssofa nicht während der Abendveranstaltung durchgeführt würde, da es von der Art und Aufbereitung dort unter Umständen einen „besseren“ Platz hätte. Ich finde die Idee in jedem Fall sehr gut und nehme sie gern für das nächste EduCamp auf.

Denn am Ende ziehe ich ein positives Gesamtfazit und komme gern wieder: Die Veranstaltung war toll organisiert (danke ans Team vom #ec10hh!!) und der Faktor „Hamburg“ ist nicht zu vernachlässigen, wenn man maximal „bunt“ in der Teilnehmerschaft werden/bleiben will. Aufgefallen ist mir noch, wie sich die meisten mit ihren Twitternamen identifizieren: So kommt es nicht selten vor, dass bei Vorstellungen der Twittername vor dem realen Namen rangiert (wenn man denn eine Pseudoidentität verwendet). Auch ich habe mich hin und wieder dabei erwischt, dass ich manche Personen nicht beim echten, sondern beim Twitternamen ansprechen wollte. Das ist schon einigermaßen strange, wenn sich virtuelle und reale Welten auf diese Weise vermischen.

Nachtrag: Basti hat inzwischen die Folien zur heuschreckenbasierten Bildungsrevolution online gestellt. Merci!!