in Wissenschaft

Einsatzmöglichkeiten von Twitter – Resümee einer Podiumsdiskussion

Für Internetverhältnisse bin ich spät dran mit meinem Resümee der Diskussionsrunde zum Thema Twitter, die vergangenen Montag auf Initiative des MarketingClub Augsburg stattfand und bei der ich (einmal mehr) als imb-Vertreterin um „wissenschaftlichen“ Input gebeten wurde. Dennoch würde ich gern zwei-drei Punkte anbringen, die mir in der Diskussion aufgefallen sind und die aus meiner Sicht durchaus interessanten Input in die (derzeit leicht abebbende) Euphoriewelle rund um das Microblogging bringen.

Besonders hängen geblieben ist mir die sehr kritische Frage danach, ob mit der Reduzierung von Welt auf 140 Zeichen der gesellschaftliche Diskurs an Bedeutung verfalle bzw. die Nachricht in der Zeitung an Wert verliere. Wenn man Twitter und die spezifischen Dynamiken sehr gut kennt, wird man eine solche Frage schnell mit Nein beantworten und darauf verweisen, dass das Bildungsniveau twitternder Personen im Durchschnitt sehr hoch ist, die dort diskutierten Inhalte meist Medienbezug haben und Microblogging gern im Sinne von Linkblogging genutzt wird. Solche Argumente lassen sich zumindest in den vielen Nutzungsstudien zu Twitter nachlesen (z.B. bei Comscore, Nielsen, Webevangelisten).

Trotzdem finde ich die Frage spannend, zeigt sie doch auf, wie sehr sich Medien und insbesondere Mediennutzungsverhalten auf den unterschiedlichen Akteursebenen seit fünf bis 10 Jahren verändern und welche Unsicherheit die brachiale Veränderung durch das partizipative Web bei manchem Mitbürger auslösen kann. Solche Diskussionsrunden sind insofern immer auch ein Stück weit eine „Erdung“, wie die Welt außerhalb von Geeks und hardcore Medienkonsum aussieht und durchaus auch ein Appell daran, Medienentwicklungen stets kritisch vor dem Hintergrund einer größeren, sehr heterogenen Gruppe an Personen zu reflektieren.

Auch zeigen mir Fragen wie die obige, dass der Journalist als Person offensichtlich (noch) unantastbar ist – selbst einfach auf den Nenner zu bringende Formeln dazu, wie die Nachrichtenauswahl stattfindet, erschrecken den geübten Zeitungsleser vielleicht einen Moment lang, führen aber nicht dazu, dass die Glaubwürdigkeit der „gut recherchierten“ und „objektiv“ dargebotenen Inhalte hinterfragt wird. Insofern sind Diskussionsrunden über Twitter auch spannend, um sich darüber klar zu werden, welche Rolle (Micro-)Blogs in Deutschland derzeit spielen und vermutlich auch auf längere Sicht hin spielen werden (Nischenprodukt).

Ganz generell noch die Bemerkung, dass es gar nicht mal einfach ist, Twitter-fernen Personen Microblogging zu erklären. Ein Medium (und nicht nur die damit einhergehende „Sprache“) zu verstehen, wenn man es nie selbst ausprobiert hat, ist immer spekulativ und tendenziell vorurteilsbehaftet. Insofern bin ich froh, dass sich ein paar Anwesende während der Veranstaltung zum Twittern berufen fühlten, um das Gesagte am eigenen Leib zu erfahren. Wenn sie nun nach ein paar Tweets wieder aufhören, da sie nicht überzeugt wurden, ist es auch gut, denn sie haben es immerhin probiert. Und mit einer vorwiegend rezeptiven Haltung wären sie nicht allein. Denn diese Twitter-typische Haltung ist unter anderem der Grund dafür, warum vor allem in den USA diskutiert wird, ob Twitter ein Social Network oder eher News Media sei. Aber dieser Hinweis hat nur am Rande mit den diskutierten Inhalten zu tun und ist somit eher als weiterführende Bettlektüre gedacht (Danke an @mebner für den Tipp).

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Kommentar

  1. Bodenhaftung die Tauglichkeit für die Breite Masse. Ich finde beide Aspekte wichtig. Ich finde es aber auch wichtig an einer Hochschule (als Versuchsanstalt) mal ein wenig weiter zu spinnen, auszuprobieren und möglicherweise einen Blick in die mögliche Zukunft zu wagen.

    Was ich mich manchmal frage ist wie sich microblogging zu social bookmarking verhält, gerade wenn es um das austauschen von links geht.

    Mal so in den Raum geworfen und noch gar nicht länger drüber nachgedacht, aber schon mehrfach drüber gestolpert.

    Schöne Grüße aus Hamburg,
    Ralf

  2. Die Frage, was Twitter jetzt eigentlich wirklich ist (Social Network oder indivdueller News Dienst) zeigt, dass sich viel mit dem Medium selbst beschäftigen an Stelle von dessen Nutzen und Anwendungen. Diese Selbstbeschäftigung ist legitim und sei natürlich jedem zugestanden. Für mich ist sie auch ein Zeichen für einen noch bestehenden (fraglichen) Hype.

    Meine Vermutung ist, dass es in einiger Zeit ruhiger darum wird, wenn Twitter so gewöhnlich angenommen oder auch ignoriert wird – ganz nach Gusto, genauso wie Facebook, Social Booksmarks, Foren, Blogs usw.

    Was wohl eine Weile noch für weitere und neue Selbstbeschäftigung mit diesem Dienst sorgen dürfte ist dessen immer stärke Einbindung in Sociale Netzwerke. Hier liegt aber m.E. auch die Chance wieder auf Anwendungs- und Nutzenebene zu diskutieren. Sonst ist es bald wie mit vielen tweets – zahlreich und Geschmackssache…

    Grüße, Christoph

  3. @Ralf: Gute Frage, das mit dem Verhältnis von Social Bookmarking zu Linkblogging: Ich für meinen Teil lege gute Tipps immer zweimal an, vor allem auch deswegen, weil ich meine Bookmarks bei Del.icio.us den Studierenden als virtuellen Reader empfehle. Grundsätzlich habe ich den Eindruck, dass der Austausch bei Social Bookmarking vor allem über die Tags funktioniert, weniger über RSS, wie es bei Blogs und Twitter üblich ist.

    @Christoph: Die Reichweite der Tweets wird durch die Einbindung in Social Networks auf jeden Fall erheblich erhöht, was ich auch spannend finde – immerhin sprechen wir hier über eine „andere“ Reichweite als bei klassischen Medien, eine Art Empfehlungsmarketing. Ansonsten meine ich, brauchen wir beide Perspektiven: Die Diskussion um Funktionalitäten bzw. Wirkungsweisen von Medien und die darüber, was sich mit den neuen Entwicklungen „praktisch“ machen lässt.

    Viele Grüße in die Runde,

    Sandra