„Die überraschende Konjunktur einer verspäteten Debatte“

Über Corporate Social Responsibility wird aus Unternehmensperspektive viel gesprochen; auch in der Politik wird regelmäßig über das Verhältnis von Staat und Unternehmen mit zunehmender inhaltlicher Tiefe debattiert; ob dieser Aktualität verwundert es insofern nicht, dass das Thema inzwischen auch Gegenstand von einigen Forschungsarbeiten ist, die zunächst vorwiegend in der Betriebswirtschaftslehre angesiedelt und von einer Marketing- (und darin insbesondere Kommunikations-) Perspektive getrieben waren und sind. Langsam, aber stetig weitet sich das Thema innerhalb der Betriebswirtschaftslehre, z.B. in Richtung Personalentwicklung, sowie auf andere Disziplinen aus, die mitunter kritischer mit den (nicht mehr ganz so) neuen, aus dem angloamerikanischen Raum importierten Konzepten umgehen und offenbaren, dass schon vor Wortneuschöpfungen wie Corporate (Social) Responsibility oder Corporate Citizenship die Frage nach der Wertorientierung des ehrbaren Kaufmanns gestellt worden ist (Schoser, 1990). Gleichzeitig fragen die neueren Publikationen stärker nach dem internen und externen Nutzen einzelner Maßnahmen und veröffentlichen nicht nur Good oder Best Practices (wie dies etwa noch bei Schöffmann & Lietzke (2002) der Fall ist). Als einer dieser Bereiche, der das Thema früh als Schnittstellenfeld für sich adaptiert, ist die Wirtschaftsethik zu nennen, die sich inhaltlich stärker um die Bedeutung unternehmerischen Engagements für die Gesellschaft kümmert und Aspekte wie (unternehmerische) Verantwortung oder soziales Unternehmertum in den Mittelpunkt stellt, die auch schon vor Corporate Social Responsibility zentrale Arbeitsfelder darstellten. Zu Recht weisen Backhaus-Maul, Biedermann, Nährlich und Polterauer (2010) daher in ihrer Publikation auch auf die „überraschende Konjunktur einer verspäteten Debatte“ (ebd., S. 15) hin.

Quellen:

  • Backhaus-Maul, H., Biedermann, C., Nährlich, S. & Polterauer, J. (2010). Corporate Citizenship in Deutschland. Die überraschende Konjunktur einer verspäteten Debatte. In H. Backhaus-Maul, C. Biedermann, S. Nährlich & J. Polterauer (Hrsg.), Corporate Citizenship in Deutschland. Gesellschaftliches Engagement von Unternehmen. Bilanz und Perspektiven (S. 15–49). 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Schöffmann, D. & Lietzke, A. (2002). Unternehmen und Gesellschaft: Praxisbeispiele von unternehmerischem Bürgerengagement mittels Personaleinsatz bis zu Projekteinsätzen in sozialen Aufgabenfeldern als Teil der Personalentwicklung. Bonn: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
  • Schoser, F. (1990). Der ehrbare Kaufmann. In R. Biskup (Hrsg.), Werte in Wirtschaft und Gesellschaft (S. 99–111). Beiträge zur Wirtschaftspolitik (Band 52). Bern: Haupt.

Bloggen, Twittern und Co.: Erfahrungen aus Studierendensicht

Bei all dem Trubel um die GMW’10 ist ein Projekt etwas untergegangen, das die Tagung seit drei Jahren auch zum Anlass nimmt, jeweils eine neue Ausgabe unter einem bestimmten Motto herauszubringen: w.e.b.Square. So gibt es die neue w.e.b.Square-Ausgabe schon seit gut einer Woche und inhaltlich widmet sie sich einem Thema, das angesichts der Erfahrungen bei den zurückliegenden Konferenzen höchst interessant scheint: „Bloggen, Twittern und Co.: Was bringt’s wirklich?“ Wie gewohnt, sind auch dieses Mal die Beiträge von Studierenden geschrieben – und zwar anlässlich eines Call for Papers, den wir im Frühjahr dieses Jahres ausgeschrieben hatten. Aller Zurückhaltung bei der Einreichung zum Trotz ist es nun wieder eine schöne Ausgabe geworden, die den Nutzen einiger digitaler Werkzeuge aus Studierendensicht beleuchtet und auch Einblicke in innovative didaktische Szenarien ermöglicht. Erfahrungen damit sind nicht nur positiv – im Gegenteil: Unsere Calls lassen immer auch Platz für Plädoyes, von denen dieses Mal auch ein paar bei uns eingegangen sind.

Im Namen des gesamten w.e.b.Square-Teams wünsche ich viel Freude bei der Lektüre 🙂

Beobachtungen zwischen Tagungsdidaktik, Werkzeugkästen und Ökonomisierungstendenzen: die GMW’10

Über eine Tagung zu berichten, in die man selbst (im Vergleich zu den Vorjahren) stark involviert war, ist immer schwierig. Vermutlich ist das vor allem deshalb so, weil man irgendwie befangen ist und auch Zeit braucht, um die vielfältigen Erfahrungen sacken zu lassen. Vor allem braucht man aber auch eine Mütze Schlaf, weshalb inzwischen schon einige Rückblicke auf die GMW’10 online sind (Gabi, Kerstin, Mandy, Ralph und Thomas waren bspw. schneller), denen ich an vielen Stellen beipflichten kann. Ich will deshalb auf einen chronologischen Rückblick verzichten, den man eh viel besser anhand des Programms und an den gedruckten (und digital zugänglichen) Beiträgen festmachen kann als über die bloße Nacherzählung der von mir besuchten Sessions. Ein paar Fotos für den besseren visuellen Eindruck gibt es auch. Vielmehr will ich drei Beobachtungen herausgreifen, die mich die ganze Tagung über beschäftigt haben und die ich für mich zum Weiterdenken mitnehme:

1. Tagungsdidaktik statt Eventmanagement

Es ist vielleicht eine gewagte These, die Organisation von Konferenzen in die Nähe der Didaktik zu rücken. Aber ich werde das Gefühl nicht los, dass die Gestaltung von Veranstaltungen abseits von typischen Aspekten wie Zeit, Ort und Social Community Events inzwischen eine Rolle dabei spielt, ob man die Tagung nun besucht oder nicht und ob man sie als bereichernd empfindet oder enttäuscht nach Hause fährt. Auch beobachte ich schon eine ganze Weile, dass die Frage des richtigen Formats nach wie vor ungeklärt ist und höchst selten aus der Perspektive des Besuchers als Lernenden gestellt wird. Aus meiner Sicht steht nämlich auch hier die Lernerzentriertheit hinter all den Forderungen, Konferenzen „bunter“ zu organisieren, sodass man mal Input bekommt und mal aktiv mitdenken kann. Insofern ist schon verwunderlich, dass gerade Lehr-Lernexperten erst langsam auf die Idee kommen, ihre eigenen Veranstaltungen nicht mehr ausschließlich nach den Maßgaben des Eventmanagements zu organisieren, sondern so zu gestalten, wie sie (idealerweise) ihre mediengestützte Lehre organisieren würden, nämlich unterschieden nach Zielen und Zielgruppen auf den Ebenen von Prozess, Struktur und Technik mit dem Lernenden im Zentrum (siehe weiterführend Baumgartner & Bergner, 2003). Aus der Zeit meiner Bachelor- und Masterarbeit kenne ich die Literaturlage zu Tagungen und Kongressen sehr gut und weiß daher auch, dass dieser an sich triviale Schluss der Tagungsdidaktik bisher kaum präsent ist. Vielmehr wird über betriebswirtschaftlich günstige Faktoren berichtet, um eine Veranstaltung zum Erfolg zu machen (wobei der Erfolgsbegriff im Sinne der Betriebswirtschaft, streng genommen, sowohl positive wie auch negative Ausprägungen beinhalten kann). Natürlich spielen diese harten Faktoren auch weiterhin eine Rolle und ich will nicht wegdiskutieren, wie bisweilen dominierend Fragen der Finanzierung auf Veranstaltungen sind. Ich glaube allerdings, dass inzwischen die Zeit reif wäre, über ergänzende, weiche Faktoren nachzudenken, die dazu führen, dass Tagungen auch (oder wieder?) zu Lernräumen werden. Dies würde nämlich dazu führen, dass eben eine spezifische Tagungsdidaktik zum Zug kommt, die mit Sicherheit nicht ohne Vor- und Nachbereitung der Veranstaltung bzw. ohne Medien auskommt. Ein neues und stärker forschungsorientiertes Arbeitsfeld für die GMW?

2. Werkzeugkästen abseits von Hypes

Sprichwörtlich wird Stille gern auch als Ruhe vor dem Sturm bezeichnet. Ich habe allerdings nicht den Eindruck, dass dies wortwörtlich im Toolbereich gelten könnte – im Gegenteil: Während Twitter bei der letzten GMW-Tagung (besser gesagt: bei der E-Learning 2009) noch Stein des Anstoßes war, spielte das Medium dieses Jahr allenfalls noch in der unterhaltsamen und durchaus gehaltvollen Twitter-Lecture von Joachim und Koni eine Rolle. Wenn man überlegt, dass zwischen hitzigen Diskussionen und gelassenem Dasein lediglich ein Jahr liegt und es auf der parallel stattfindenden DeLFi zu ähnlichen Beobachtungen kommt, muss man sich schon auf die Suche nach Gründen machen. Einer dieser Gründe kann sein, dass sich eine gewisse Gewöhnung eingestellt hat und viele Twitter-Nutzer (Lesende wie Schreibende) inzwischen wissen, wie sie mit dem Tool umgehen sollen und letztlich auch, wozu es ihnen nützt. Ein weiterer Grund kann sein, dass man sich auf Veranstaltungen wie der GMW in Entschleunigung und Fokussierung übt (ganz im Sinne von Slow Media) und sich stärker den Inhalten der Tagung bzw. den teilhabenden Personen widmet. Vielleicht fehlt es inzwischen auch an Zugpferden, die eine ganze Gemeinschaft dazu bringen, meinungsbildende Tweets „unter die Leute“ zu bringen. Auch kann und muss man wieder den Hypecycle anbringen, wonach Twitter den Gipfel der (überzogenen) Erwartungen überschritten hat. Ohne die genauen Gründe für die auffällige Abstinenz zu kennen, muss man jedenfalls für die #gmw10 konstatieren, dass wenig getwittert wurde und auch die Gespräche höchst selten auf das Tool kamen. Fast hatte ich sogar das Gefühl, dass ich in meinem Vortrag zur Öffentlichkeit im Lehr-Lernprozess eine der wenigen war, die überhaupt Twitter als (eine) Möglichkeit zur Öffnung von Lehre thematisiert hat.


(Da die Präsentation bei Slideshare leider nicht einwandfrei dargestellt wird, gibt es für alle Interessierten die Präsentation auf der imb-Website auch als .pdf – Achtung, groß!)

Vielleicht sind es auch genau diese Metaebenen, über die man sich künftig mehr Gedanken machen muss, wenn es um den Einsatz von Tools für Forschen und Lernen geht. Jedenfalls habe ich von bloßen Produktvorstellungen, die auf die Einbettung in einen größeren (Handlungs-)Rahmen verzichten, ehrlich gesagt, die Nase voll.

3. (Zeit-)Ökonomisierung auf allen Ebenen

Auch dieses Thema mag für ein Fazit zur GMW-Tagung ungewöhnlich klingen – und vielleicht liegt es auch an der Brille, die ich bedingt durch unseren Verein immer wieder aufsetze. Aber ich werde den Eindruck nicht los, dass es auch auf wissenschaftlichen Veranstaltungen in hohem Maße zu einer Ökonomisierung kommt: im Vorfeld der Tagung beim Verfassen von Reviews, die zeit- und interessensbedingt mal kürzer und mal länger ausfallen, und neben einem kleineren, selbst formulierten Text dem Kreuzchen-Schema auf einer Skala von 0 bis 100 unterworfen sind und insofern nicht nur Zufriedenheit bei den Begutachteten hervorrufen, wie zu hören war. Auf der Tagung selbst geht es um die Sessions, die man besuchen will und doch nicht kann, weil andere spannende Vorträge parallel verlaufen oder man die neuen Formate austesten will. Auch hier hat der geneigte Besucher die Qual der Wahl, da schließlich auch die Kaffeeslots geplant werden wollen. Nach der Tagung geht es dann darum, möglichst rasch das Tagungsband digital zu erhalten und zu verbreiten, aus Neugier oder angetrieben vom Willen zur Erkenntnis. All diese Aspekte haben damit zu tun, dass Tagungsbesucher in hohem Maße ökonomisch agieren und dies (aus unterschiedlichen Gründen) letztlich auch müssen. Eine konkrete Lösung für das Problem habe ich nicht – aber ich wollte ja auch Beobachtungen herausstellen und keine Patentrezepte bieten. Zumindest im Hinblick auf das Review-Thema könnte ich mir vorstellen, dass sich demnächst einige Problemlöser zusammentun (die GMW nennt diese nun SIGs). Und auch für die anderen Themen formieren sich bestimmt die einen oder anderen Interessierten. Es bleibt also spannend 🙂

Nachtrag (21.09.2010): Inzwischen ist auch das Video zur Twitter-Lecture online verfügbar. Danke!! 🙂

Nachtrag (23.09.2010): Auch das Interview zum Projekt educamp meets GMW mit Thomas und mir gibt es nun bei e-teaching.org.

Forum Wissenschaftskommunikation – (leider) ohne mich

Neulich wurde nach längerer Zeit mal wieder eine Einreichung von mir abgelehnt. Begründet wurde dies mit der Vielzahl an Interessenten und, so meine Interpretation, mit der mangelnden inhaltlichen Passung. Entsprechend neugierig war ich daher gestern auf das Programm zum Forum Wissenschaftskommunikation, das die Einreichung betraf und in ein paar Wochen in Mannheim stattfinden wird. Betrachtet man nun das Programm näher, sind doch in der Mehrzahl klassische Einreichungen im Bereich der Wissenschaftskommunikation vertreten. Jedenfalls verfolgen die Beiträge, soweit ich das vom Papier her einschätzen kann, alle eine Top-down-Logik der Kommunikation.

Mit Sicherheit spiegelt diese Form der Kommunikation die Realität an deutschen Universitäten wieder und wie Wissenschaftskommunikation professionell betrieben wird, allerdings werden doch die digitalen Medien und die daraus resultierenden Veränderungen in dieser Betrachtungsweise stark vernachlässigt. Entsprechend spielt auch auch die Kommunikation, die von unten, nämlich durch Öffnung von Lehre oder offene Bildungsinitiativen vonstatten geht, keine Rolle. Dies finde ich, nicht nur aufgrund meines abgelehnten Beitrags, der sich „Wissenschaftskommunikation „von unten“: Weblogs in Forschung, Lehre und Studium“ nennt, ausgesprochen schade. Zumindest anhand der Augsburger Erfahrungen kann man nämlich sagen, dass Wissenschaftskommunikation längst nicht mehr ausschließlich über klassische Kanäle verläuft. Vielmehr wird der einzelne Wissenschaftler über seine Scientific Community hinaus zum Kommunikator – mit allen positiven Auswirkungen und negativen Facetten, die Formen der (virtuellen) Thematisierung haben können.

Meinen Beitrag werde ich jedenfalls eine Weile aufbewahren und vielleicht in ein paar Jahren – ggf. modifiziert – nochmals einreichen. Vielleicht ist die Zeit dann reif dafür 🙂