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Wissensmanagement an Universitäten – (k)ein Thema?

Zugegeben, die Überschrift des Beitrags klingt provokant. Aber in der vergangenen Woche bin ich mehrfach gedanklich daran hängen geblieben, ob und inwiefern Wissensmanagement an Universitäten stattfindet – und auch daran, wer sich überhaupt darum kümmert, dieses im Fall der Fälle zu verbessern.

  • Ein erstes Indiz dafür, dass Wissensmanagament an Universitäten nur selten behandelt wird, sind die wenigen Publikationen. Jedenfalls wird man unter dem Stichwort Wissensmanagement nur (noch) selten fündig, sofern diese einen expliziten Hochschulbezug aufweisen sollen. Das kann natürlich mehrere Gründe haben; ich tippe vor allem auf eine Verlagerung der Diskussion in andere Themenbereiche (insbesondere E-Learning, TEL), da Wissensmanagement begrifflich viele Skeptiker hervorgerufen hat und zudem noch „out“ scheint.
  • Ein zweites Indiz dafür, dass Wissensmanagement an Universitäten offenbar keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielt, konnte man beim Knowledge Camp am vergangenen Freitag in Passau beobachten. So war ich als Vertreterin der Universität eine absolute Exotin auf der Veranstaltung; mit Ausnahme einer Gruppe um Franz Lehner und mir war kein weiterer Universitätsvertreter zugegen. Auch das gab und gibt mir zu denken, denn Diskussionen zu Themen wie Digital Story Telling, Wissenskommunikation durch Visualisierung, Wissensmanagement als überfachliche Kompetenz und Motivation für Wissensmanagement gehen durchaus auch Universitäten etwas an. Zumindest kann man an den Themenbereichen viele Schnittstellen zu relevanten Fragestellungen im universitären Bereich ausmachen, wo es z.B. auch darum geht, Wissenskommunikation und -austausch unter Studierenden und insbesondere unter den Beschäftigten zu fördern, das Problem der Leaving Experts strukturiert anzugehen oder auch Antworten auf die durch digitale Medien hervorgerufene stärkere Öffnung von Lernen und Lehren zu finden.
  • Ein drittes Indiz scheint mir die persönliche (mangelnde) Relevanz des (organisationalen) Wissensmanagements zu sein. Denn Wissensmanagement wird oft an effizienten Prozessen ausgemacht – ein betriebswirtschaftliches Credo, das (auf den ersten Blick) schlecht zum Wissensarbeiter passt und daher in Universitäten nicht selten auf Ablehnung stößt. Auch die parallele Diskussion um E-Learning führt dazu, dass oftmals eine Tool-Perspektive gegenüber den dahinter stehenden, echten Problemen dominiert.

Wissensmanagement an Universitäten ist also offenbar doch ein Thema, nur ist es mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert, wie man sie schon länger aus Unternehmen kennt.

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Kommentar

11 Kommentare

  1. Mein Eindruck nach acht Jahren im Öffentlichen Dienst: Politische Entscheidungen stehen Überlegungen zum Wissensmanagement diametral entgegen, zudem wird gerade bei jenen jungen Wissensarbeitern, die dem Thema offen gegenüber stehen würden, die Leine (der Arbeitsvertrag) so kurz gehalten, dass es keine Gelegenheit für sie gibt (oder kaum eine) bzw. es auch ihnen keinen Gewinn bringt, einen organisationalen Effizienzgewinn zu institutionalisieren. Der Fortschritt greift zu einem unklaren Zeitpunkt in der Zukunft…

  2. Angenommen, der Bedarf für Wissensmanagement an Universitäten ist wirklich da: Liegt es dann nur an den schlechten Rahmenbedingungen der Wissensarbeiter? Ich frage deshalb nach, weil man die Rahmenbedingungen im Prinzip schaffen könnte, sofern dies (hochschul-)politisch gewollt wäre. Ist ein Wissensarbeiter per se in der Lage, sein Wissen zu organisieren, und jederzeit bereit, dies mit anderen zu teilen? Während man ersteres noch unterstellen darf, bezweifle ich zumindest letzteres 😉

  3. Gute Frage, grundsätzlich bin ich da „ganz bei dir“ 😉 Ich vermute, es liegt – zumindest, was die Universitäten angeht – am „Markt“ des jeweiligen Fachbereichs. Dünn bestellte Fächer können sich bei geringerem Konkurrenzdruck der Wissenschaftler untereinander (im existenziellen Sinne) vermutlich mehr Zusammenarbeit inner- und interinstitutionell „leisten“ als überlaufene Fachgebiete. Und diese Abhängigkeit der Spieler von Angebot und Nachfrage gehört nun mal zu den Rahmenbedingungen. Zudem ist der Markt höchstgradig reguliert, wird also meist nur an politischen Leitplanken entlang verändert.
    Das Individuum und die auch bei Wissenschaftlern gegebene „Führung“ durch Vorgesetzte (lies: Promotionsbetreuer, Financiers, Stipendiengeber, usw.) sind als weiche Faktoren wohl mit im Spiel.
    Und jetzt schreit Simon… 😉 LG

  4. In meinem Verständnis, ist Wissensmanagement immer mit Bezug zum Teilen zu sehen. Dass bedarf aber einer verinnerlichten Grundeinstellung. Ich erlebe im Hochschulalltag vielfach, dass ein größerer Aufwand betrieben wird Erkenntnisse nur einem überschaubaren Empfängerkreis verfügbar zu machen, als denn großzügig zu verbreiten. Daher wird die Abschottung gegenüber der Öffentlichkeit in Intranets, Lernplattformen etc. gern angenommen. Vielleicht ist es die Fokussierung auf verwertbare Publikationen, oder die immer mehr zunehmende Angst vor rechtlichen Problemen, aber das mit öffentlichen Gelder generierte Wissen sollte schon frei verfügbar sein.
    Erst wenn das allgemein Verstanden und Bejaht wurde, macht Wissensmanagement Sinn.

    Schönen Tag

  5. @Hans: Ich denke, der Punkt der Öffentlichkeit ist ein wichtiger. Ich kann mir kaum vorstellen, dass jemand ohne aktives Wissensmanagement in einer akademischen Umgebung überleben kann – aber halt: 3 – 2 – 1: Meins! 😉

  6. Nachdem ich mich im Rahmen meiner Bachelorarbeit etwas näher mit Wissensmanagement in Organisationen beschäftigt habe, kann ich folgendes zu den drei Indizien von Sandra sagen:
    1. kann ich bestätigen. Vielleicht auch gerade Aufgrund der Vielseitigkeit von Wissensmanagement wird es teilweise geradezu in andere Bereiche hinein gepresst und in klassischen oder praktischen Anwendungsbereichen als langweilig und „alt“ angesehen. Dabei sind doch gerade die praktischen Anwendungsmöglichkeiten die Punkte die gerade Organisationen am ehesten interessieren dürfte … schon allein aus Selbstinteresse, denn…
    2. das Problem der Leaving Experts ist gerade an Universitäten ein großes Thema. Hier werden ja besonders auf zeitlich begrenzte Stellen oder studentische Hilfskräfte gebaut, die unter Umständen jedes halbe Jahr wechseln. Hinzu kommt noch, dass der Wissensaustausch sowohl horizontal zwischen einzelnen Bereichen/Lehrstühlen als auch vertikal, also zwischen Dozenten, Mitarbeitern und Studenten oft schlecht bis gar nicht vorhanden ist.
    3. Ist dieses mangelnde Bewusstsein meiner Erfahrung nach oftmals auf zwei Gründe zurückzuführen. Zum einen fehlt den „wissenden“ die Perspektive, ihr implizites Wissen zu explizieren, soll heißen, Sie sehen es während ihrer aktiven Zeit nicht als relevant genug an ihr Wissen für eventuelle Nachfolger zu organisieren. Zum anderen, fehlt gerade den Experten eines Bereichs, oftmals Professoren oder langjährigen Mitarbeitern die Zeit Wissensmanagement nachträglich zu realisieren. Welcher Dozent nimmt sich schon die Zeit einfach mal nur sein gesamtes organisationales Wissen zu organisieren?

    Deshalb bin ich auch der Meinung, dass Wissensmanagement an Universitäten auf jeden Fall ein Thema ist. Meiner Meinung nach sind Lösungsansätze diesbezüglich nur dann erfolgversprechend, wenn es gelingt in kleinen Schritten, aus jedem einzelnen Bereich, das implizite Wissen zu explizieren. Dabei hat sich im Rahmen meiner Bachelorarbeit ergeben, dass kollaborative Ansätze, wie z.B. ein Wiki, aber auch andere Möglichkeiten durchaus realisierbar wären. Ich denke, es fehlt allein der Anstoß, der den Stein ins Rollen bringt.

  7. @Dennis: Danke 😉
    Meine Frage an die Überlegungen: Ist der Faktor Konkurrenz da mit einbezogen?
    Meine Anmerkung an die Überlegungen: Es bei 3. vermutlich nicht so sehr die Zeit als der Wille (womit wir wieder bei – auch individuellen – politischen Entscheidungen wären).

  8. @Joe: kein Problem 😉

    Welche Konkurenz meinst du da jetzt? Uni vs. Uni, Lehrstühle untereinander um Studiengebühren oder Mitarbeiter vs. Mitarbeiter?

    Und ja klar ist das auch eine Frage des Willens, denn der spielt ja auch immer mit in den Faktor Zeit mit rein. Wenn man eben mal Zeit hat, will man diese oftmals eben anderweitig nutzen.

  9. Ich befürchte, die (teil-)öffentliche Transformation von individuellem Wissen in organisationsinternes oder auch allgemein öffentliches Wissen steht tatsächlich im Spannungsfeld aller drei erwähnten Konkurrenzsituationen. Wenn das Wissen organisationsintern bleibt, würde der erste Faktor wegfallen, angesichts der Mitarbeiterfluktuation ist dies natürlich eine Utopie 🙂

  10. @ Dennis: Aus meiner Sicht hast Du noch einen ganz wichtigen Punkt angesprochen: Auch Studierende sind Leaving Experts – in allen Rollen, die sie an der Universität einnehmen. Nicht nur aus persönlicher, sondern vor allem auch aus organisationaler Sicht finde ich es daher höchst problematisch, dass man sie in der Regel nicht systematisch zu Wissensmanagement motivieren kann. Jedenfalls höre ich immer wieder, dass Projekte wie w.e.b.Square an anderen Hochschulen/Unis gar nicht erst funktionieren würden.
    @ Joe: Kooperation (die ja die Grundlage von Wissensaustausch darstellt) und Konkurrenz hängen eng miteinander zusammen… leider. So wird man wohl immer mit mangelder Bereitschaft zum Teilen zu kämpfen haben, auch in Bildungskontexten, selbst wenn das durchaus grotesk ist (Bildung als freies Gut, siehe Kommentar von Hans).

    Viele Grüße,

    Sandra