ECER 2012: Einblick und Rückblick

Einen Tagungsrückblick „schulde“ ich noch, nämlich einen kurzen Einblick bzw. Rückblick in die European Conference on Educational Research (ECER), die vom 17. bis 21. September 2012 an der Universidad de Cádiz (Spanien) stattfand. Ich sage bewusst „durfte“, denn Tagungen wie die ECER sind in jeder Hinsicht besonders: zuvorderst ob der Größe, die einen vollständigen Überblick weder vor Ort noch hier im Blog zulässt, dann ob der Reise, die sich irgendwo zwischen Strapaze und Erlebnis bewegt, und ob der Kosten, die internationale Konferenzen immer auch verursachen.

Umso mehr schätze ich es, dass ich seitens der HAW zur Teilnahme an der Konferenz und am Symposium von Mandy und Annabell ermuntert wurde. Im Symposium selbst habe ich dann am Beispiel des Theorie-Praxis-Transfers versucht zu skizzieren, wie sich pädagogische Herausforderungen an Hochschulen nicht selten fachübergreifend auftun, welche Möglichkeiten der Auseinandersetzung Lehrendennetzwerke ggf. bieten und welche Rolle auch (digitale) Medien zur Problembewältigung spielen könnten. Mein kurzer Impuls endete dann mit zwei Fragen, die bei der Konzeption entsprechender Angebote zu berücksichtigen sind:

  • What is theory, what is/are practice(s)?
  • What are teachers‘ media related routines and teaching beliefs?

Letztere Frage nach den Beliefs fand sich in vielen Vorträgen auch außerhalb des Symposiums wieder, etwas häufiger in Richtung Überzeugungen von (Hochschul-)Lehrenden bzw. Lehreridentität als im Zusammenhang mit dem Medieneinsatz in Bildungskontexten.

Überhaupt war ich irritiert ob der zurückhaltenden Auseinandersetzung mit und über Medien, die sich vielleicht ergeben muss, wenn man sich in den vielen sog. ECER-Netzwerken ohne Medien im Titel tummelt. Dennoch fiel auf, dass – wenn überhaupt – an vielen Stellen eher nach der technologischen Innovation im Bereich Medien gesucht wurde, statt nach der pädagogischen Idee „hinter“ dem Medieneinsatz zu fragen. Gefragt nach dem Ziel des Medieneinsatzes blieben die Antworten entweder aus oder richteten sich auf Kompetenzorientierung und/oder Assessment. Hier lassen sich durchaus Parallelen zur deutschsprachigen Diskussion ausmachen.

Im Verlauf der Tagung haben mich u.a. folgende Fragen noch beschäftigt:

  • Welche Relevanz hat der Bildungsbegriff bzw. haben Konzepte von Bildung im angloamerikanischen Sprachraum?
  • Welche Verantwortung hat das Subjekt für die Bildung, welche Rolle spielen passende Strukturen zur Entwicklung des Einzelnen?
  • Wie wirken sich Methodologien auf das Verständnis von (komplexen) Bildungsfragen aus?
  • Welche Bedeutung nimmt das informelle Lernen in formalen Bildungskontexten ein, wie „beforscht“ man informelles Lernen?
  • Etc.

Die Fragen deuten bereits an, dass die ECER durchaus Potenzial zur fachlich-inhaltlichen Auseinandersetzung geboten hat – nicht zuletzt im Austausch mit den vielen anderen Tagungsbesuchern, mit denen sich einige nette Gespräche ergeben haben. Und ich kann es nicht verleugnen: An einem schönen Ort zu tagen, ist anregend und sorgt für die notwendige Abwechslung zu einem dicht gedrängten Tagungsprogramm.

Rezension: E-Portfolios in der universitären Weiterbildung

Über den Sommer hatte ich die Gelegenheit, mich intensiv mit Klaus‚ Diss zu „E-Portfolios in der universitären Weiterbildung“ auseinanderzusetzen. An der Arbeit haben mich unterschiedliche Aspekte interessiert, unter anderem ging es mir um Szenarien für den E-Portfolio-Einsatz, aber auch um mögliche Hinweise zum Transfer des entwickelten Kremser Modells in andere Kontexte. Letzteres hat auch damit zu tun, dass ich mich täglich mit dem E-Portfolio-Einsatz auseinandersetze, allerdings weniger, um ein Werkzeug (unter mehreren) in den Studien- bzw. Lehr-Lernalltag zu integrieren, sondern vielmehr um Antworten auf pädagogische Fragen und Herausforderungen zu finden. Diese werden z.B. in unserer AG Theorie-Praxis-Transfer diskutiert, kommen mir aber auch in Gesprächen mit Lehrenden oder in Workshops regelmäßig „unter“. Insofern war die Lektüre der Arbeit aus unterschiedlichen Gründen interessant und bot die Gelegenheit zur Rezension, die jetzt in der MedienPädagogik erschienen ist.

Reflect! Medien gemeinsam nutzen, analysieren und bewerten

Zwischen den Tagungsbesuchen hat uns eine besonders schöne Nachricht erreicht, nämlich die Förderzusage für unser Projekt „Reflect! Medien gemeinsam nutzen, analysieren und bewerten“. Die Förderung geht zurück auf die Ausschreibung peer³ auf Initiative des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und wird maßgeblich durchgeführt und begleitet durch das JFF (zur Pressemitteilung). Unser Projektvorhaben ist komplex und angesichts der Fördersumme fast schon überdimensioniert. Da es aber an Bedarfen in zwei Organisationen anknüpft, steht es doch wieder im Verhältnis zum erwarteten Aufwand.

In der Projektskizze heißt es:

„Das Projekt ‚Reflect! Medien gemeinsam nutzen, analysieren und bewerten‘ sucht nach Möglichkeiten, Medienkompetenzen von Jugendlichen mithilfe eines Peer-Coaching-Ansatzes in der außerschulischen Kinder- und Jugendbildung zu fördern. Neben dem gemeinsamen Gebrauch von Medien ist vor allem die strukturierte Analyse sowie die gemeinsame Nutzung und Bewertung von Medien im Sinne des Jugendmedienschutzes wichtig, um alltägliche Routinen im Umgang mit Medien zu hinterfragen und Medien im Sinne des Projektziels zu reflektieren.

‚Reflect!‘ fußt auf einer Kooperation zwischen dem Jugendrotkreuz im DRK Landesverband Hamburg e.V. und der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW). Es richtet sich an Jugendliche, die ehrenamtlich beim Jugendrotkreuz tätig sind und regelmäßige Treffen für Jugendgruppen anleiten und begleiten.“

Ich bin schon sehr gespannt auf das Projekt, dessen Initiierung uns ab dem 1.10.2012 für ein halbes Jahr beschäftigen und über dessen Rahmen hinaus eine nachhaltige Implementierung anvisiert wird. Los geht es bereits am kommenden Wochenende mit einem Startcamp in Weimar, und auch die weiteren Meilensteine kommen mit großen Schritten auf uns zu.

Prekäre Beschäftigungsverhältnisse in der Wissenschaft: Impulse aus einem Workshop

Seit einer ganzen Weile beschäftigen mich Fragen von Ökonomie und Bildung und im weitesten Sinne gehört auch die Auseinandersetzung mit Beschäftigungsverhältnissen im Bildungssystem dazu: So hatte ich die Gelegenheit, vor gut einer Woche einen Workshop von wissenschaftlichen MitarbeiterInnen auf dem Bundeskongress Soziale Arbeit in Hamburg zu moderieren, der sich mit dem Prekariat wissenschaftlicher MitarbeiterInnen an Hochschulen beschäftigte. Ein solcher Workshop lässt allein durch die Titelwahl aufhorchen, denn Fragen des Prekariats werden selten(er) im Zusammenhang mit „der“ Wissenschaft gestellt, auch wenn sich hier durch strukturelle Veränderungen eine veränderte Beschäftigungspraxis mit allen Vor- und Nachteilen für den Einzelnen eingeschlichen hat. Auf die aktuellen, systembedingten Entwicklungen zu schauen, halte ich daher nicht nur aus Perspektive der Sozialen Arbeit, wo der Workshop verortet wurde, für wichtig, denn: Welche Erfahrungen bestehen mit Beschäftigungsverhältnissen in der Wissenschaft? Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten gibt es zwischen Universitäten und (Fach-)Hochschulen? Welche Perspektiven (im positiven wie im negativen Sinne) deuten sich für den einzelnen Mitarbeitenden an? Welche Möglichkeiten der Verbesserung gibt es (Personalentwicklungskonzepte an Hochschulen, bildungspolitische Ansprüche und Erwartungen)? Etc. Die Fragen zur Auseinandersetzung sind ebenso vielfältig wie die im Workshop erarbeiteten Antworten, die die prekäre Lage wissenschaftlicher MitarbeiterInnen durchaus unterstrichen: Vertragslaufzeiten sind kurz und Perspektiven bleiben einzelfallbezogen. Der Druck auf den Einzelnen bleibt allenthalben erkennbar und (bildungs-)ökonomisch ist ein solcher Status quo eher nicht.

GMW’12: komprimierte Eindrücke

Jetzt ist sie schon wieder vorbei, die GMW’12, und mit etwas zeitlicher Verspätung will ich doch noch einen kurzen Rückblick wagen (weitere Rückblicke u.a. bei Gabi, Jan, Klaus).

Die hier vorab angestoßene Diskussion um die öffentliche Zugänglichkeit der Beiträge und, damit zusammenhängend, die Rolle der GMW für Wissenschaft und Hochschule beschäftigte die Teilnehmenden in verschiedenen Formaten. So haben wir gleich den ersten Konferenztag für eine EduCamp-Session zum Thema genutzt und die verschiedenen Positionen zur öffentlichen Zugänglichkeit ausgelotet (zur Dokumentation, zum Video). Die Session hat dabei viel Aufschluss darüber gebracht, was Erwartungen, Hoffnungen und Wünsche der GMW-Besucherinnen und -Besucher sind – und welche Erwartungen eben nicht mit dem Tagungsbesuch einhergehen, wenn man rund 30 Teilnehmenden in der Session Glauben schenken mag. Insofern konnten wir gleich zu Beginn eine gemäßigte Position zum Tagungsband (mit allen Anschlussfragen) entwerfen, die als Input zur Diskussion auch in die Mitgliederversammlung am Dienstag eingebracht wurde. Formuliert wurde bspw., dass Tagungen Angebote sind, die man zum Lernen nutzen kann, aber nicht muss. Auch wurde begrüßt, dass unterschiedliche Formate auf der Tagung eingesetzt werden, die aber einer umfassenden Abstimmung bedürfen und vor allem im Vorfeld (vor der Einreichung) transparent gemacht werden sollten. Ebenfalls wichtig erschien, alle Formate im Tagungsband zu berücksichtigen, nicht zuletzt um einer Selbstselektion vorzubeugen. Ebenso hilfreich wurde eingeschätzt, die Aktivitäten an einem Ort online zu bündeln, hierzu aber verschiedene technische (vs. redaktionelle) Möglichkeiten zu nutzen.

Am Beispiel des Tagungsbands zeigt sich letztlich sehr gut, wie ein Impuls für die Konferenz im Vorfeld aussehen könnte, wie sich die ersten Ideen mithilfe eines offenen Formats verdichten lassen und wie die Ideen verknappt, sortiert und gemeinschaftlich getragen in die GMW zurückfließen können. Auf inhaltlicher Ebene ähnlich hat es Gabi versucht: Nach einigen Blogposts im Vorfeld stellte sie ihr Gedankenexperiment vor, das schließlich auch den Best Paper Award gewinnen konnte (nochmals herzlichen Glückwunsch dazu!). Ich selbst hatte leider nicht die Gelegenheit die Session zu besuchen, in einigen Randgesprächen dafür die Chance, die Positionen der einzelnen „Mitstreiter“ kennenzulernen. Diese Randgespräche ersetzen einen Präsenzimpuls sicher nicht, deuten aber an, was mir an der GMW bis auf Weiteres gut gefällt: die Bereitschaft zum gemeinsamen Denken, Streiten, Diskutieren – und zwar (nahezu) unabhängig von Hierarchie oder Funktion.

Letzteres deutete sich auch in den Aktivitäten zur Nachwuchsarbeit an: Neben der Diskussion um die Verfügbarkeit des Tagungsbands hat mich diese sicherlich am meisten eingenommen – sei es im Vorfeld durch die verantwortliche Organisation und sei es vor Ort durch die angeschlossenen Formate (danke ans Team für die tolle Unterstützung!). Besonders gut gefallen hat mir dieses Mal, dass das Doktorierendenforum (neuerdings „Forum Young Scientists“) Anker im Hauptprogramm gefunden hat und auf Metaebene u.a. in einem Workshop nachbereitet wurde. Solche Auseinandersetzungen über Chancen und Grenzen der Nachwuchsarbeit einer Fachgesellschaft sind wichtig, wenn man Nachwuchsarbeit nicht nur als Förderung von Doktoranden versteht, sondern den Nachwuchsbegriff darüber hinaus denkt. So fand ich persönlich die Anregungen zu einer breiter gefassten Nachwuchsarbeit hilfreich, die die GMW zwar von Beginn an in den Blick genommen hatte, die sich aber aus verschiedenen Gründen bislang vor allem auf Doktoranden beschränkte. Vielleicht ist diese Auseinandersetzung aber auch folgerichtig, wenn sich Formate langsam einspielen und Doktoranden aus ihrer Rolle herauswachsen bzw. neue Rollen einnehmen: So wurde die Nachwuchsarbeit auf der GMW’12 erstmals strukturell durch einen Sitz im Vorstand verankert, den ich nun für zwei Jahre innehaben werde (danke allen für die Wahl!).

Apropos Rolle: Bei aller Setzung des Tagungsmottos in Richtung Exzellenz fiel auf, dass bis auf Weiteres ein starker Fokus der GMW-Jahrestagung auf Lehre (vs. Forschung) mit (digitalen) Medien liegt. Angesichts der letzten GMW-Jahre mag das konsequent sein, überrascht aber doch, denn: Hochschule umfasst ja neben Lehre auch Forschung und Services und alle drei Bereiche könnten gleichwertig auf der GMW präsentiert werden. Insofern war ich dankbar, dass sich im einen oder anderen Track doch Stichworte wie E-Science fanden und auch die Abschluss-Keynote von Manfred Thaller einen Forschungsfokus auf digitale Medien in den Geisteswissenschaften entworfen hat.

Irgendwo „zwischen“ Forschung und Lehre fand sich dann auch Mandys und mein Vortrag zur „Doktorandenausbildung zwischen Selbstorganisation und Vernetzung“, in dem wir vor allem die Potenziale digitaler sozialer Medien zur Kommunikation, Kollaboration und Reflexion in der dritten Phase nach Bologna herausgearbeitet haben (zur Präsentation, zum Artikel). Während die Befunde der explorativen Studie in die Reihe gängiger Mediennutzungsstudien passen, sind im Kontext des Beitrags vor allem die Anschlussfragen interessant. So wollen wir in weiteren Interviews fragen, welche Rolle Prozesse der Enkulturation in Wissenschaft und die eigene (Medien-)Biografie bei der Nutzung von Medien und der persönlichen Ausgestaltung des Promotionsstudiums spielen. Auch werden die Betreuenden stärker als bisher in die Untersuchung einbezogen, denn die Ergebnisse in Richtung Peer-to-Peer-Education in der Doktorandenausbildung fielen ernüchternd aus.

Fazit. Auch diese GMW war wieder eine Reise wert, vor allem um viele alte und neue Bekannte zu sehen und intensiv bis in die Abendstunden mit ihnen zu diskutieren. Über die Präsenzimpulse der anderen kann ich wenig urteilen, da es die eigene Involviertheit (zu) wenig erlaubte, andere Sessions zu besuchen. Ich bin daher froh, dass es nicht nur im Vorfeld die Möglichkeit gibt, den Tagungsband zu studieren, sondern auch im Nachgang zur Tagung, da ich den einen oder anderen Hinweis zu interessanten Ideen, Konzepten oder Studien in Wien aufgeschnappt habe und verfolgen möchte. Danke daher an die Ausrichtenden für einen reibungslosen Ablauf, ein interessantes Programm und bis in Frankfurt zur GMW’13!

Was heißt das eigentlich?

Jetzt liegt er also vor, der Tagungsband zur GMW’12, und alle sind froh darüber. Der Tagungsband lässt sich im Vorfeld der Tagung studieren, interessante Beiträge von weniger interessanten Beiträgen sondieren, ein persönlicher „Plan“ aufstellen, welche Referate man vor Ort besuchen möchte oder nicht, bei welchen Artikeln sich ein persönliches Gespräch über Inhalte lohnen könnte etc. Die Gründe, warum ein Tagungsband im Vorfeld einer Tagung Sinn macht, sind vielfältig und werden vermutlich von jeder Tagungsbesucherin/jedem Tagungsbesucher unterstrichen bzw. noch um weitere Gründe als die o.g. ergänzt (siehe bspw. auch Beats Einwurf).

Nun sehe ich aber einige Konflikte, eine an sich gute Idee auch in Handeln umzusetzen, denn: Der Zeitraum bis zur Tagung ist knapp (weniger als eine Woche) und der Tagungsband ist dick. Auch nehme ich an, dass die meisten Referentinnen und Referenten bereits ihre Vorträge formuliert haben – zumindest dann, wenn sie diese neu machen und nicht zusammen kopieren (vgl. Gabis Beitrag). Ebenfalls frage ich mich, wer es denn tatsächlich macht, sich auf eine Konferenz inhaltlich vorbereiten, wo doch Konferenzen mehr zur Kommunikation und Vernetzung genutzt werden als alles andere.

Insofern frage ich mich, und zwar nicht nur bezogen auf eigene Impulse: Was heißt eine solche Entwicklung eigentlich für Referierende? Können wir davon ausgehen, dass alle Tagungsbesucher/innen sehr gut informiert in die Vorträge gehen? Sind alle über Kernfragen und Inhalte der eingereichten Artikel im Bilde? Was dürfen wir voraussetzen, wo müssen wir auf wesentliche Inhalte des Artikels (noch) eingehen? Etc. Aus meiner Sicht gibt es einigen Diskussionsbedarf, der sich anschließt an eine neue Praxis, die ich für sinnvoll halte, aber noch Formen des Umgangs damit suche.