in Schule, Wirtschaft, Wissenschaft

„Ökonomischer Analphabetismus“ – was tun?

Die Wochenzeitung DIE ZEIT greift am 14. Februar 2013 ein Thema auf, das mich nicht zuletzt durch meine Dissertation zum „Lernen durch Kooperation“ in einem Schule-Wirtschaft-Projekt stark interessiert: den Stand der ökonomischen Bildung an Deutschlands Schulen. Die im Beitrag vertretenen Positionen sind nicht neu, wie aktuelle empirische Befunde und viele wissenschaftliche Publikationen der letzten zehn bis zwanzig Jahre verdeutlichen.

So drehen sich die im Beitrag von Caterina Lobenstein nachgezeichneten Diskussionen primär um die Verankerung ökonomischer Bildung als Fach vs. verschiedenen Formen der Integration in Schule und Unterricht. Auch wird angedeutet, dass sich Schüler/inn/en gerne mit Wirtschaft auseinandersetzen – ein Ergebnis, das ich infolge eigener empirischer Tätigkeit zur Begleitung und Erforschung von „business@school – eine Initiative von The Boston Consulting Group“ nur unterstreichen kann. Im Beitrag beinahe ausgespart werden allerdings die nicht weniger lebendigen Diskussionen um angemessene Formen der Vermittlung, im Gegenteil: Speziell die Zusammenarbeit mit „der Wirtschaft“ kommt im Beitrag eher schlecht weg und wird verkürzt auf Lernmaterial, das durch „Lobbyisten“ (Lobenstein, 2013, S. 29) zur Verfügung gestellt wird. Dass es hier durchaus einer stärkeren Differenzierung bedarf, wird – vermutlich zugunsten von Lesbarkeit und Stringenz – nicht weiter betrachtet. Auch die Frage danach, was Wirtschaft eigentlich ist, wird allenfalls am Rande tangiert und letztlich zugunsten einer stark betriebswirtschaftlichen Sichtweise eingeschränkt.

Was ist also die Essenz des Beitrags, wenn die nachgezeichneten Diskussionen aus wirtschaftsdidaktischer Sicht bekannt sind und nicht mal in Gänze dargestellt werden?

Für mich ist entscheidend, was im Beitrag unter „ökonomischer Analphabetismus“ weit hinten zur Sprache kommt, nämlich dass ein „flächendeckendes staatliches Konzept zur Aufwertung der ökonomischen Bildung“ (ebd., S. 29) fehlt. Dieses offenbare Defizit ist angesichts der verschiedenen EU-Bemühungen (EU-Kommission, 2001, 2003, 2006) überraschend, gibt aber den aktuellen Stand der Auseinandersetzung in Deutschland korrekt wieder. Auch ist die Verknappung der Diskussion auf die Frage der Verankerung aus meiner Sicht nicht (mehr) ausreichend. Sie ist zwar nötig, um dem wichtiger werdenden Feld der Ökonomie auch in der (schulischen) Bildung Bedeutung zuzumessen; sie führt aber auch dazu, dass eine bereits existente, institutionenübergreifende Perspektive auf ökonomische Fragen und Probleme ebenso wenig mitgedacht wird wie ein aufgeklärter Umgang mit Kooperationen zwischen Schulen und Unternehmen an der Tagesordnung ist. Letztere sind nämlich nicht per se schlecht, sondern bieten eigene Potenziale zur Kompetenzentwicklung. Sie bedürfen aber, und das ist wichtig, einer Einordnung, z.B. durch Lehrer/inn/en und Schule, die nicht zwingend auf Unterricht beschränkt werden muss.

In dieser Betrachtungsweise kann formale Bildung auch bei (losen) Kooperationen wirken – gerade in solchen Zeiten, wo ökonomische Bildung nicht auf dem Lehrplan steht (siehe hierzu demnächst mein Beitrag in der ZfÖB). Dass dabei allerdings Ökonomie überhaupt ein Wert zugesprochen werden müsste und auch die Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten für Lehrer/inn/en mit ökonomischem Bezug gestärkt werden sollten, liegt nicht nur auf der Hand, sondern sind beinahe typische Forderungen, die sich bei Querschnittsbereichen (Medienpädagogik/-didaktik, Umweltpädagogik/-didaktik etc.) generell zeigen. Eine Diskussion um ökonomische Bildung in der Schule ist also nicht nur eine Auseinandersetzung mit/über ein (mehr oder weniger) neues Thema für „die Schule“, sondern gleichfalls eine normative Diskussion über relevante Themen und Inhalte einer Allgemeinbildung, die durch eine starke Fokussierung auf (betriebliche sowie Geld-) Ökonomie keineswegs gelöst wird. Vielmehr deutet sie die Lebendigkeit eines bildungspolitischen Diskurses an, der sich in unterschiedlichen Kontexten ergibt und auch in anderen Fächern problematisiert wird (siehe weiterführend Hofhues, 2013, S. 291 ff.).

Literatur

  • EU-Kommission (2006). Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen. Umsetzung des Lissabon-Programms der Gemeinschaft: Förderung des Unternehmergeistes in Unterricht und Bildung, KOM(2006) 33 endgültig, 13.2.2006. Brüssel: Europäische Kommission.
  • EU-Kommission (2003). Grünbuch Unternehmergeist in Europa, KOM(2003) 27 endgültig, 21.1.2003. Brüssel: Europäische Kommission.
  • EU-Kommission (2001). Grünbuch Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen, KOM(2001) 366 endgültig, 18. 7. 2001. Brüssel: Europäische Kommission.
  • Hofhues, S. (2013). Lernen durch Kooperation: Potenziale der Zusammenarbeit von Schulen und Unternehmen am Beispiel eines Schule-Wirtschaft-Projekts. Reihe Ökonomie und Bildung. Schwalbach: Wochenschau.
  • Lobenstein, C. (2013). Die Ahnungslosen. An deutschen Gymnasien lernen Schüler kaum etwas über Wirtschaft und Finanzen. Warum eigentlich nicht? DIE ZEIT. 8. 14.02.2013, 29.

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