Das Primat der Prozente

Immer wieder kommt es vor, dass wir über Für und Wider von Prozentwerten in wissenschaftlichen Arbeiten diskutieren. Anlass sind zumeist Korrekturschlaufen oder eigene Seminare, in denen es um die „richtige“ Vermittlung der Vorgehensweise geht. Auffällig ist in jedem Fall, dass bei der Auswertung von Untersuchungen ein regelrechtes Primat der Prozente herrscht. Jedes noch so kleine Sample wird in Prozentwerten ausgedrückt. Dass eine Person dabei manchmal fünf bis 10 Prozent ausmacht, scheint niemanden zu stören. Hauptsache Prozentwerte! Es kostet dann einige Zeit und Mühe, diese Logik gemeinsam mit den Studierenden zu hinterfragen bzw. sie zu ermuntern, den Weg über die einfache Nennung von Häufigkeiten zu suchen. Angesichts der vorherrschenden Stellung von quantitativer Forschung ist das gar nicht so leicht; im Endeffekt sind aber alle Beteiligten mit dem stärkeren Fokus auf Inhalte und Interpretationen viel zufriedener als mit der bloßen (vorwiegend deskriptiven) Darstellung von Prozenten. Ähnlich ist es übrigens mit den Grafiken: Auch hier ist weniger mehr.

Tipp des Tages: Social Science Research Network

Eher zufällig bin ich heute auf das Social Science Research Network (SSRN) gestoßen. Das Netzwerk dokumentiert Forschungsergebnisse aus den Sozialwissenschaften und umfasst dabei Veröffentlichungen jeder Art (inkl. „grauer“ Literatur). Besonders interessant ist daher der Zugriff auf eine elektronische Bibliothek. Auch wenn nicht immer Full Papers zur Verfügung gestellt werden, erhält man doch einen guten Einblick in englischsprachige Literatur bzw. über den dortigen Stand der Forschung.

Der Furz des Herings oder: Wie Wissenschaft am eigenen Image sägt

Köstlich! In der aktuellen Ausgabe der brandeins wird über den Ig-Nobelpreis und damit über die unsinnigsten („ignoble“) Forschungsgegenstände der letzten Jahre berichtet. Herausragend unnötig ist z.B. die biologische Forschung zur Kommunikation von Heringen. Die Erkenntnis: Der Austausch funktioniert mittels Flatulenzen (für die Nicht-Lateiner: Furzen). Abgesehen von überaus lustigen und geradezu unsinnigen Forschungsthemen wird im Text eine weitere Problematik angesprochen: „Respekt, Ehrfurcht, tiefer Glaube – der Laie neigt vor allem zu Letzterem, wenn von wissenschaftlichen Spitzenleistungen die Rede ist.“ (brandeins 01/08, 113) Der Expertenstatus des Forschers ist nicht zuletzt ein Produkt des Wissenschaftsbetriebs, der durch seine Communities wie andere Systeme das Streben nach Anerkennung, Ruhm und Karriere fördert (im Artikel wird noch von Geld gesprochen – wer an der Hochschule arbeitet, weiß jedoch, dass man da nicht reich werden kann ;-)). Gegenüber Zuckermann haben etwa deutsche Nobelpreisträger ihren Erfolg allein auf „Glück und soziale Beziehungen“ zurückgeführt. Erschreckend, irgendwie. Bleibt zu hoffen, dass Initiativen wie der Ig-Nobelpreis weiter zur Entzauberung unnützer Forschung und von medialen Selbstdarstellern beiträgt.