Aufruf zur Beitragseinrichung: „Vom E-Learning zur Digitalisierung“

Eigentlich habe ich im zurückliegenden Jahr mein Vorstandsamt in der Gesellschaft für Medien in der Wissenschaft (GMW) abgegeben. Doch hier freue ich mich sehr, dass ich das neue Buchprojekt von Vorstand und Editorial Board der GMW noch begleiten darf. So suchen wir nach euphorischen oder kritisch-konstruktiven Artikeln, nach theoretisch-konzeptionellen oder empirisch-praktischen Beiträgen, nach Mikroformaten und Schnipseln im Zusammenhang mit dem Oberthema „Vom E-Learning zur Digitalisierung – Mythen, Realitäten, Perspektiven“ (zum CfP). Das geplante Buch wird damit 10 Jahre nach der letzten Zwischenbilanz auf aktuelle Entwicklungen im E-Learning erscheinen. Es wird also dringend Zeit für einen reflektierten Blick auf das, was wir heute Digitalisierung nennen.

Preprint: Medienbezogene Routinen in formalen Bildungskontexten – Beobachtungen am Beispiel #OER

In Kürze erscheint ein Artikel auf den Seiten der Hochschuldidaktik der Universität Siegen, den ich im Nachgang zum dortigen Hochschuldidaktiktag zum Thema „Die neue Offenheit“ verfasst habe. Er betrachtet insbesondere den Umgang mit medienbezogenen Routinen in formalen Bildungskontexten. Die Überschrift deutet zudem an, dass ich mit dem Text über den Tellerrand von OER in Schulen, Hochschulen und Weiterbildung hinausblicken möchte.

Ausgehend von einer knappen Bestandsaufnahme zu OER in formalen Bildungskontexten geht es im Folgenden vor allem um OER als „Verlassen der Komfortzone“ und medienbezogene Routinen, die sich durch OER in Organisationen ändern sollen. Dabei wird die Beobachtung zentral, dass sich manche Routinen in Organisationen durch OER nicht verändern. Sie werden durch bekannte Angebote und Schwerpunktsetzungen in den Programmen eher noch verstärkt bzw. verfestigt. Es schließt sich die Frage an, ob und inwieweit sich (hoch-)schulische Praxis oder Weiterbildungspraxis überhaupt ändern lässt. Aus (medien-)didaktischer Sicht nimmt man das ständig an; durch Beobachtung von Praxis liegt aber auch der Schluss nahe, dass diese in gewisser Hinsicht (Haltungen etc.) unbeweglich ist.

Es kommt daher nicht von ungefähr, dass ich im Artikel vor allem die kommunikative Verhandlung darüber, was OER in formalen Bildungsorganisationen sind/sein können, in den Mittelpunkt rücke. Auch attestiere ich eine gewissen scheuen Umgang mit OER – und das nicht ohne Grund: So ist aus anderen Zusammenhängen eine ähnliche Scheu oder Zurückhaltung bekannt, bspw. aus früheren Schriften zum Wissensmanagement oder auch aus dem Diskurs über Medienkompetenzen in den 2000er Jahren. In beiden Fällen wurde schon früher die Kommunikation über Wissen und Handeln stark gemacht – sei es als individuelle oder gemeinsame Reflexion über, klar, Praxis.

Hofhues, S. (2018/in Druck). Medienbezogene Routinen in formalen Bildungskontexten – Beobachtungen am Beispiel OER. In A. Schnücker & S. Schönauer (Hrsg.), „Neue Offenheit“. Siegen: Universität Siegen. (weitere Daten n. bek.) (Preprint PDF | .docx)

Das Warten hat sich gelohnt

Wer selbst einmal ein Buch herausgegeben hat, weiß sehr genau, wie lange sich die Herausgabe manchmal ziehen kann. Ich freue mich daher sehr, dass in diesen Tagen (endlich) das Buch „Medien, Bildung und Wissen in der Hochschule“ von Andreas Weich, Julius Othmer und Katharina Zickwolf erschienen ist. Es ist im Nachgang der Verflechtungen-Tagung 2015 (ehem. CfP) an der TU Braunschweig entstanden. Der Tagungsbezug und das Wissen um diverse Verflechtungen von Medien an der Hochschule führt sicherlich auch zu diesem leicht ungewöhnlichen inhaltlichen Zuschnitt des Buchs. Weil Fragen von Medien aber längst querliegend an Hochschulen bearbeitet werden, liegt darin m.E. auch der größte Wert des Bandes. So findet sich im Buch eine (m.E.) ungewöhnliche Kombination von Beiträgen, die größtenteils fach- und diskursübergreifend gestaltet sind.

Zusammen mit Mandy Schiefner-Rohs habe ich für diesen Band einen Essay zu „prägenden Kräften“ beigesteuert. Wir haben die Form des Essays bewusst gewählt, um – wie es die Hrsg. formulieren – explorative Überlegungen mit hochschulischem und gesellschaftlichem Bezug darzustellen. Konkret beschäftigen wir uns im Text damit, wie derzeit über Medien an Hochschulen nachgedacht wird und welche expliziten und impliziten Vorstellungen bzw. Diskurslinien darin sichtbar werden. So fragen wir uns angesichts der vielfältigen öffentlichen Debatten um Digitalisierung, ob das Internet eigentlich gerade erst erfunden wurde. Auch geben wir den Tipp, einmal Kolleg*innen zu fragen, was sie unter E-Learning verstehen. Wir vermuten, darunter wird oft gleichlautend das hiesige LMS verstanden. Und ja, wir beschäftigen uns auch mit dem Zusammenhang der Studienstrukturreformen von Bologna und der gegenwärtigen Lesart von Digitalisierung an Hochschulen, insbesondere der Hochschullehre. Insofern geht es im Essay auch um neues-altes Lernen und eine dringend nötige differenzierte Auseinandersetzung mit Medien/Technologien diesseits und jenseits schicker Begrifflichkeiten.

Auf Anregungen, Kommentare und gemeinsames Weiterdenken der manchmal sehr ernst gemeinten Ausführungen freuen wir uns sehr.

Kurztrip: ExpertInnenforum Hochschuldidaktik an der FHOÖ in Linz

Die Bezeichnung „Kurztrip“ trifft es wohl am besten, wenn jemand (ich) morgens in Köln in den Zug nach Linz (Österreich) steigt, dort abends an der FH Oberösterreich einen Vortrag hält und wg. zahlreicher Folgetermine abends mit dem Nachtzug zurück nach Köln fährt. Über Kurztrips dieser Art können wahrscheinlich viele Wissenschaftler*innen berichten. Inhaltlich war der Ausflug aber sehr interessant, ging es doch in diesem Jahr im ExpertInnenforum Hochschuldidkatik explitzit um Digitalisierung. Als letzte von drei Vorträgen – mindestens einer davon war sehr kritisch – habe mich dazu entschieden, ein kommentierendes Format zur Erläuterung aktueller Digitalisierungstendenzen zu wählen. Weil der Vortrag nun auf YouTube zur Verfügung steht, verlinke ich diesen a) gerne und würde mich b) über Anschlussdiskussionen über Facetten der Digitalisierung an dieser Stelle freuen.

Wer zentrale Thesen lieber nachliest, dem seien folgende beiden Quellen empfohlen:

  • Pensel, S. & Hofhues, S. (2017). Digitale Lerninfrastrukturen an Hochschulen. „You(r) Study“. http://your-study.info/wp-content/uploads/2017/11/Review_Pensel_Hofhues.pdf (13.12.2017)
  • Schiefner-Rohs, M. & Hofhues, S. (2017). Prägende Kräfte. Medien und Technologie(n) an Hochschulen. In J. Othmer, A. Weich & K. Zickwolf (Hrsg.), Medien, Bildung und Wissen in der Hochschule (S. 239-254). Springer: VS.

Still, aber nicht untätig

In letzter Zeit ist es still geworden auf dem Blog – erstmals seit 2007 – und das hat einen einfachen Grund: Die drei zeitgleich gestarteten, BMBF-geförderten Forschungs- und Entwicklungsprojekte sowie damit zusammenhängende Teamentwicklungsprozesse erfordern derzeit meine Aufmerksamkeit. Ich bin in der Zwischenzeit also nicht untätig, im Gegenteil:

Einblick in ein erstes Projektergebnis aus dem You(r) Study-Verbundforschungsprojekt bieten jetzt bspw. unsere systematischen Reviews zu digitalen Lerninfrastrukturen, zu mediengestützten Lehr-/Lernszenarien sowie zur Mediennutzung Studierender. In den Reviews haben die unterschiedlichen Projekt-Beteiligten den Forschungsstand, so er für die nächsten Schritte im Projekt relevant ist, aufgearbeitet. Inhaltlich sind die Ergebnisse auch außerhalb von You(r) Study interessant, weswegen sie seit einigen Tagen unter freier Lizenz auf dem You(r) Study-Blog verfügbar sind. Auf dem Blog schreiben wir als Verbundprojektteam übrigens auch über weitere Aktivitäten rund um das Projekt. Vorbeisurfen oder abonnieren lohnt sich also.

Apropos Blog: Auch in den OERlabs tut sich sukzessive etwas, u.a. berichten wir in regelmäßigen Podcasts über offene Handlungspraktiken, die nach aktuellem Stand so schwer in Textform zu fassen sind. Zudem findet in Kürze der erste Multistakeholder-Dialog an der Universität zu Köln sowie an der TU Kaiserslautern statt, um mit vielen Beteiligten über Medienbildung in der Lehrer*innen(aus-)bildung ins Gespräch zu kommen. Dazu werden wir mit Utopien (von Schule) starten und uns nach und nach Fragen der Ermöglichung von Medienbildung, bestehenden Annahmen und medienbezogenen Routinen sowie (hoch-)schulischen Strukturen zu widmen.

Das geschieht in #ko.vernetzt übrigens auch, allerdings vor dem Hintergrund einer erwachsenenbildnerischen Perspektive der Förderung von Medienkompetenzen. Aktuellen Einblick bietet eine Präsentation (Download PDF), die für die Tagung Berufsbildung 4.0 der AG BFN entstanden ist.

Mit You(r) Study in Berlin #digiZeit17

Vor gut drei Monaten ist unser You(r) Study-Projekt in der Förderlinie „Forschung zur digitalen Hochschulbildung“ des BMBF an den Start gegangen. Mit dem Projekt verfolgen wir, d.h. Sandra Aßmann, Taiga Brahm, Mandy Schiefner-Rohs, alle wissenschaftlichen Mitarbeitenden und ich, das Ziel, das Medienhandeln von Studierenden zu erforschen. Wir gehen dabei von der Prämisse eigensinnigen Medienhandelns von Studierenden aus und wollen untersuchen, wie und vor allem warum sich Medienhandeln von Studierenden (nicht) ergibt. Um das Medien- und nicht zuletzt Studierendenhandeln zu rekonstruieren, nutzen wir unterschiedliche Verfahren und Instrumente empirischer Sozialforschung. Wenn man so will, zeichnet das Projekt ein Oszillieren zwischen Methoden und Methodologien aus, wie es u.a. Schlömerkemper von pädagogischer Forschung mit ihrem spezifischen Erkenntnisinteresse einfordert.

Das vergleichsweise aufwendige und in Teilen offen gehaltene Design ist es sicherlich auch, das vor Ort in Berlin bei der Fachtagung des BMBF zu „Hochschulen im digitalen Zeitalter“ die meisten Fragen erzeugt hat. So wurden die Projektkoordinatorin Antonia Weber und ich als Projektleitung nicht nur während der Postersession oft gefragt, wie wir uns die qualitativen Arbeiten im You(r) Study Lab vorstellen und mit welchen Zielgrößen wir hier arbeiten. Wir kamen in vielen Gesprächen an den Punkt, wo Grundannahmen über Hochschul-, Medien- und Bildungsforschung deutlich wurden, die das eigene Erkenntnisinteresse zu leiten scheinen – nicht umgekehrt.

Angesichts des vorliegenden Wissens über Medien(-einsatz) in der Hochschule/Lehre ist das nicht ganz überraschend: Insbesondere die vielen existierenden Konzepte zum Einsatz von Medien in der Lehre führen zu einem gesteigerten Interesse daran, die Wirksamkeit einzelner Szenarien in (eher) testenden bzw. vergleichenden Verfahren zu untersuchen. Die Annahmen in Bezug auf Medien und ihren Nutzen in der Lehre sind dabei klar: Es wird erstens davon ausgegangen, dass Lernen mit digitalen Medien – im Vergleich zum Lernen ohne digitale Medien – einen Unterschied macht. Implizit wird zweitens davon ausgegangen, dass Medien Lernerfolge per se sicherstellen würden. An diesen Grundannahmen zeigt sich meines Erachtens sehr deutlich, an welchem Scheideweg sich Mediendidaktik aktuell befindet: So kann man den über Jahre gezeichneten Weg der Disziplin weiter verfolgen – man bleibt der Forschung in der Disziplin damit sozusagen treu. Gleichzeitig muss die Frage zugelassen werden, inwieweit die genannten Grundannahmen aktueller Medienkultur überhaupt entsprechen und ob sie nicht aus einer Zeit stammen, in der noch in digital und analog unterschieden werden konnte.

Ich verstehe die unterschiedlichen geförderten Projekte daher auch als Ausdruck einer Suchbewegung, in welche Richtung sich Hochschul-, Medien- und Bildungsforschung entwickeln könnte. Insbesondere hoffe ich auf Antworten zu methodologischen Fragen, denn: Wie sich in unserem Projekt-Workshop II unter Beteiligung der Projekte OpenTeach, FLIPPS, ActiveLeaRn, LearnMap und QuaSiD richtigerweise herausgestellt hat, haben nicht wenige Akteur*innen ein Interesse daran, die bestehenden Erkenntnisse zu Medien an der Hochschule zusammenzuführen und aufzuspüren, wie sich Inhalte und Methoden integrieren lassen bzw. welchen Stellenwert Forschungsparadigmen bezogen auf das jeweilige Erkenntnisinteresse haben. Fast schon eine logische Konsequenz ist, die (offene) Frage nach der Gestaltungs- bzw. Entwicklungsorientierung auf’s Tableau zu führen, sollen Befunde nicht nur zur empirischen Forschung, sondern auch zur konkreten Hochschulentwicklung beitragen. Als anregend erwies sich beispielsweise die Frage danach, was an der Hochschule eigentlich ein Befund sein kann und soll.

Apropos Befund: Ich nehme aus Berlin mit, dass viele Projekte nach wie vor Studierende lieber beforschen als mit ihnen zu forschen. Auch hierin zeigen sich Grundannahmen bezogen auf Medien, Didaktik und Lernen – über den primär methodisch orientierten Paradigmenstreit hinaus.

Vorbild Pusteblume #LehreN

Das aktuelle Papier des Wissenschaftsrats zu „Strategien für die Hochschullehre“ hat bereits viele Stimmen und Einschätzungen aus unterschiedlichen Fachperspektiven ausgelöst. Jetzt meldet sich auch das Netzwerk LehreN zu Wort, das seit einigen Tagen Statements der Fellows sammelt und sukzessive öffentlich zur Verfügung stellt. Ganz gleich, wie man das neue Papier nun findet: Die Diskussion über Lehre ist in jedem Fall eine Bereicherung für die deutsche Hochschullandschaft, die sich nach wie vor so schwer tut mit der sich professionalisierenden Lehre. Auf diesem Weg mache ich daher gerne etwas Werbung für die Statements aus dem Netzwerk, die auf der Webseite mit dem schön-doppeldeutigen Namen „Vorbild Pusteblume“ seit einigen Tagen online sind.

Wissensverlust, Medienbegriffe und interdisziplinäre Brückenschläge: Tagungseindrücke aus dem März

Im zurückliegenden März war ich auf mehreren Tagungen, die alle in engerem Zusammenhang mit der Hochschul- und Mediendidaktik standen. Besonders dicht war die Woche, als sowohl die Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hochschuldidaktik (dghd) in Köln als auch die Frühjahrstagung der Sektion Medienpädagogik in Mainz stattfand. Es kam damit einem ziemlichen Kompromiss gleich, mittwochs und freitags auf die dghd-Tagung zu gehen und donnerstags die Sektionstagung zu besuchen. Für sich genommen waren beide Stippvisiten aber anregend:

So ging es auf der dghd-Tagung naturgemäß eher um hochschuldidaktische Fragen, die seit vielen Jahren auch mediendidaktische Fragen sind (und vice versa). Das merkt man immer dann, wenn bspw. über Implementierungsfragen diskutiert oder nach dem Beitrag der Medien zur Hochschulentwicklung gefragt wird. Hier werden dann gerne Publikationen der späten 1990er oder der frühen 2000er Jahre genutzt, um zu zeigen, wie alt manche Fragen sind (Gabi Reinmann problematisiert das auch in einem Interview). Wahrscheinlich könnte man noch weiter zurückgehen, denn die Fragen nach dem Beitrag „der Medien“ werden mit jedem neuen Medium wieder gestellt. In der Mediendidaktik sind diese – zumindest mit Schulbezug – auch recht gut dokumentiert.

Obschon viele Konzepte gut dokumentiert und zum Teil auch (empirisch) untersucht worden sind, stellt sich in Forschung und hochschulischer Praxis ein beträchtlicher Wissens- und Erfahrungsverlust ein. So kommt es nicht von ungefähr, dass manches hochschul- und mediendidaktische Konzept heute aussieht wie ein altes und vermeintlich neue (Forschungs-)Fragen mit Blick auf alte Errungenschaften an Neuigkeitswert verlieren. Ich halte daher den gewählten Tagungstitel nach dem Prinzip Hochschulentwicklung für äußerst passend und vor allem dann für gewinnbringend in der Diskussion, wenn man auch das Problem des Wissensverlusts (nicht nur der Werte) innerhalb der Hochschuldidaktik fokussiert.

In unserer eigenen Diskurswerkstatt haben wir das auch gemerkt: Viele Fragen rund um das studentische Publizieren kenne ich, seitdem ich Mitte 2000 mit w.e.b.Square erstmals ein studentisches Journal zusammen mit Kommiliton*innen an der Universität Augsburg gegründet habe. Manche Fragen ergeben sich durch den Versuch der Kontextualisierung: So sehe ich das studentische Publizieren im engen Zusammenhang mit dem forschenden Lernen. Zu klären ist „nur“, was in der Academia unter Publikation und dem Publizieren verstanden wird und wie konkrete Artefakte von Studierenden aussehen könnten. In der genannten Diskurswerkstatt haben wir uns einige Befunde, Projekte und studentische Perspektiven auf das Publizieren angeschaut, was anregend war und von Anna Heudorfer (Universität Hamburg) als Beitragende an anderer Stelle bereits zusammengefasst wurde.

Daneben treibt mich natürlich um, wie es gelingen kann, dass gerade in puncto Medien der Austausch zwischen den Disziplinen angeregt wird – und zwar über einzelne Personen hinaus. Denn im Kontext medienpädagogischer Forschung und Entwicklung wird längst (wenn nicht gar seit jeher) auf einen anderen Medienbegriff zurückgegriffen, als dieser sich in Hochschul- und Mediendidaktik verfestigt hat. U.a. ist die Engfassung von Medienbegriffen und damit zusammenhängender Konzepte ein Teil des oben skizzierten Problems. Auch gilt es Forschungsperspektiven auf Hochschule/Didaktik/Medien zu wandeln und neben den lernförderlichen Wirkungen des Medieneinsatzes auch nach den Ursachen bzw. Anlässen für Medieneinsatz zu fragen. Mehr noch: Von der Perspektive der Vereinheitlichung von einem Tool für alle (Lernenden) gilt es sich meiner Meinung nach zu verabschieden. Eher müssen solche Medien(entwicklungs-)konzepte an Hochschulen gefunden werden, die der Medienrealität und (!) dem formalen Bildungskontext entsprechen (wen es interessiert: Ich habe diesen Punkt vor einiger Zeit in einem Artikel umfassender ausgeführt.).

Dazu gehört dann auch, Medien- und Hochschulentwicklung vor dem Hintergrund aktueller Phänomene zu verstehen und schließlich gemeinsam zu betreiben. Ein derartiger Brückenschlag könnten die OERlabs (gefördert vom BMBF) sein, die Mandy Schiefner-Rohs (TU Kaiserslautern) und ich auf der Sektionstagung in Mainz vorgestellt haben: Mit den OERlabs suchen wir nämlich vor allem die Diskussion über ein medienbezogenes Phänomen durch die Verbindung von theoretischer, konzeptioneller und empirisch-praktischer Auseinandersetzung mit OER in der Lehrer*innenbildung. Auch wenn das Projekt ganz am Anfang steht, deutet sich der Perspektivwechsel und der Beitrag hochschul- und mediendidaktischer Forschung zur Hochschulentwicklung in unseren Heimathochschulen bereits an, denn: Unsere Labore sind – physisch betrachtet – leer. Sie bedürfen der (symbolischen) Aneignung durch die beteiligten Personen und Einrichtungen selbst, was zumindest in gegenwärtigen Förderkonzepten von Medien an der Hochschule selten realisiert wird.

Apropos Brückenschlag: Neben den beiden genannten Tagungen hatte ich im März auch noch die Freude, das Interdisziplinäre Kolleg (vormals KI-Kolleg) in Günne im Sauerland zu besuchen und dort einen Workshop zu „Digital Universities“ anzubieten. Interessant war der englischsprachige Workshop deswegen, weil die oben skizzierte Notwendigkeit des Blickwechsels natürlich auch im internationalen Zusammenhang diskutiert wurde, der Kern der Diskussion aber wieder Mal ein didaktischer war: Wie gelingt es, den Blick von den Medien auf das eigentliche (didaktische) Problem zu richten? Entsprechend war die zweite der vier Workshop-Sessions zur „Utility of Tools“ nicht nur am besten besucht. Sie hat auch klar gezeigt, welche Schwierigkeiten nach wie vor die Unterrichtsplanung in anderen als didaktischen Disziplinen bereitet und wie herausfordernd es ist, unterschiedliche Perspektiven auf (akademisches) Lehren und Lernen innerhalb der Planungsprozesse anzuerkennen und zuzulassen.

Vertreten wurde ich auf der Open Science-Konferenz in Berlin, wo wir als Vorstand der Gesellschaft für Medien in der Wissenschaft ein Poster zur Open-Diskussion beigesteuert haben. Jörg Hafer (Universität Potsdam) und Thomas Köhler (TU Dresden) haben u.a. herausgearbeitet, in welchen Zusammenhang die unterschiedlichen Open-Bewegungen zueinander stehen und wie sich derzeitige Projekte/Konzepte in das Gefüge einfügen. Beiträge wie diese finde ich aus zwei Gründen gut: Erstens halte ich es für wichtig, sich immer wieder konzeptionell mit Zusammenhängen zwischen Positionen/Disziplinen/Länderspezifika auseinanderzusetzen. Zweitens halte ich die Aktivität der wissenschaftlichen Fachgesellschaften angesichts der externen Erwartungen an Hochschulen (Stichwort: Digitalisierung) für wichtig, um öffentliche bzw. alltagsweltliche Diskussionen wissenschaftlich zu hinterfragen, zu rahmen oder zu erklären.

Hochschulrahmenvertrag der VG Wort oder: Wenn Handlungspraktiken und geltendes Recht aufeinander prallen. #medida16

Es passt ja irgendwie ins Bild, dass der (neue) Hochschulrahmenvertrag der VG Wort erst jetzt intensiv diskutiert wird. Absehbar ist nämlich, dass sich zum 1.1.2017 gängige Handlungspraktiken von Hochschullehrenden und Studierenden verändern müssen.

Hintergrund sind Abgaben, die die VG Wort als Vertreterin der Autor*innen von den Hochschulen einfordert. Abgaben, die lt. geltendem Urheberrecht rechtmäßig sind, aber längst nicht mehr zu den Handlungspraktiken von Lehrenden und Studierenden an Hochschulen passen. Dort werden seit mindestens zehn, eher seit 15 Jahren und mehr digitale Materialien ins Lernmanagement-System (LMS) geladen und Lernenden zur Verfügung gestellt. Richtig war das nie, praktisch schon, wie vielerorts online zu lesen ist:

Urheberrecht vs. digitales Studieren“, RP online
Weitere Hochschulen winken ab“, Börsenblatt
Unirahmenvertrag: Studierende protestieren und Unis verweigern Unterzeichnung“, Netzpolitik.org
Unirahmenvertrag: Der Boykott der Hochschulen ist nachvollziehbar, die VG WORT muss verhandeln“, Pressemitteilung des Vorstands der Gesellschaft für Medien in der Wissenschaft (GMW)

Weiterführend lesenswert:
Tag der Kompromisse endet mit Eklat“, Stefan Niggemeier
Siggener Thesen zum wissenschaftlichen Publizieren im digitalen Zeitalter“, Merkur

Sehnsüchtig warten nun alle Hochschulen und ihre Mitglieder auf eine neue Lösung („Wissenschaftsschranke“), die die VG Wort und HRK im Gespräch eruieren soll. Die Wiederaufnahme von Gesprächen ist allerdings zu spät – zumindest für das laufende Semester. Für das Wintersemester 2016/17 müssen Hochschulen übergangsweise eine praktikable Lösung finden, mit den Urheberrechtsproblemen umzugehen.

Konkret sieht dies so aus, dass viele Hochschulen ihre digitalen Materialien löschen, Dozierende zum Löschen von Inhalten auffordern oder Systeme kurzzeitig abschalten. So auch an der Universität zu Köln, was vielfältige Anschluss-Diskussionen und nicht zuletzt Panik erzeugt. Dabei wäre mit der Hypertextstruktur des Internets vieles durchaus zu lösen…

So oder so ist die aktuelle Diskussion fachwissenschaftlich interessant: An der Diskussion um digitale Inhalte in den diversen LMS zeigt sich einerseits, dass die Hochschulen in den letzten Jahren bedeutend „digitaler“ geworden sind, als man gemeinhin öffentlich annimmt. Gerade digitale Plattformen, die nicht ohne Grund im Hochschuljargon „PDF-Schleudern“ genannt werden, sind üblich geworden. Andererseits haben die meisten Hochschulen das urheberrechtliche Problem sehenden Auges in Kauf genommen – nicht zuletzt, um Änderungen im Urheberrecht zu erzwingen oder das Problem (idealerweise) auszusitzen.

Man kann die Diskussion aber auch anders (produktiver oder pragmatischer) deuten: Mit dem neuen Hochschulrahmenvertrag der VG Wort gibt es endlich Gründe, sich mit medien- und urheberrechtlichen Fragen im Kontext der Hochschullehre zu beschäftigen. Das ist für Expert*innen seit vielen Jahren Alltag, mindestens seit der Hoffnung auf Lehrinnovationen durch digitale Medien, der „Erfindung“ von Open Access und Creative Commons. Jetzt scheint  das Zeitfenster zu sein, solche Diskussionen in der Breite zu führen und angemessene Lösungen für alle Beteiligten zu finden. Darüber hinaus könnten die Startbedingungen für unser neues Praxis- und Entwicklungsprojekt „OERlabs“ an den Universitäten Köln und Kaiserslautern kaum günstiger sein:

Wann, wenn nicht jetzt, sollte man über freies Bildungsmaterial (OER) ins Gespräch kommen?

Nachtrag, weil mich dazu eine Nachfrage erreicht hat: Mit „richtig“ meine ich oben, wenn ganze Bücher gescannt und online gestellt wurden etc.

Was hängen bleibt… – Delegationsreise „Digitales Studium“ der #UzK

Nach vier Uni-Besuchen in Kanada und den USA und gut einer Woche „drüben“ weiß ich kaum, wo ich anfangen soll, zu berichten. Die Eindrücke der vergangenen Delegationsreise „Digitales Studium“ sind wirklich sehr vielfältig und gar nicht so digital, wie man angesichts der Reiseüberschrift meinen könnte.

So boten die unterschiedlichen Technologien, die sich für Lehre und Studium einsetzen lassen, zwar den Reiseanlass; gleichwohl kamen wir als Gruppe von +/- 11 Kolleg*innen der Universität zu Köln (UzK) unter der Leitung des Prorektors für Studium und Lehre (Prof. Dr. Stefan Herzig) immer wieder auf pädagogische bzw. (hochschul-)didaktische Fragen zu sprechen. All diejenigen, die im Feld selbst tätig sind, wird das nicht überraschen. Gleichwohl halte ich es für positiv, dass auf der Delegationsreise sowohl praktische als auch theoretisch motivierte Fragen gestellt wurden, dass Wissenschaft und Verwaltung gemeinsam reisten und dass wir mehrfach die Gelegenheit hatten, unsere Eindrücke untereinander zu teilen. Letzteres finde ich persönlich sehr wichtig, wenn die Reisetage voll sind und man die besuchten Unis hinsichtlich ihrer Ideen zum „digitalen Studium“ verorten möchte.

Für mich war es die zweite Reise dieser Art, da ich im Jahr 2013 bereits einmal mit den „Educational Experts“ (Fulbright) in San Francisco war (zu den Blogbeiträgen von damals). Insofern hatte ich (auch) den direkten Vergleich, was Entwicklungen an den Universitäten Stanford und Berkeley betrifft. Letzteres war ganz interessant, da ich beide Universitäten in diesem Jahr anders wahrgenommen habe als noch vor drei Jahren:

Von der unternehmerischen Kultur und Denkart war ich in Stanford nicht mehr besonders überrascht, im Gegenteil. Es zeigte sich einmal mehr, dass hier bottom-up-Initiativen von Lehrenden und Studierenden vor dem Hintergrund einer unternehmerischen Kultur besonders geschätzt werden. Dies gilt nicht zuletzt für Initiativen rund um das digitale Studium. MOOCs sind (im Gegensatz zu 2013) zur Normalität geworden; sie werden initiiert, um Lehre und Studium zu bereichern und ggf. vor Studienbeginn auf die spezifische Lehr-Lernkultur in Stanford aufmerksam zu machen. Die Verschränkung der MOOCs mit grundständiger Lehre und Studium ist auffällig, weil MOOCs vielerorts „nur“ zu Marketingzwecken eingesetzt werden. Darüber hinaus werden jegliche (digitale) Initiativen unterstützt, die für Lehre und Studium förderlich sind – passend zur unternehmerischen bottom-up-Kultur des Silicon Valley.

Von meinem letzten Besuch in Berkeley war ich nicht ganz so überzeugt (siehe Blogpost aus 2013). Insbesondere fehlten mir weiterführende Ideen dazu, wie MOOCs oder allgemeiner gesprochen: digitale Medien, für Lehre und Studium eingesetzt werden könnten. Seit dem letzten Besuch hat sich hier aber einiges getan: Zum einen sind sichtbare Infrastrukturen geschaffen worden, die in dieser Form vor drei Jahren nicht erkennbar waren. Zum anderen hat mir die hochschulische Strategie der Verschränkung von zentralen (Digitalisierungs-)Initiativen und dezentralen Unterstützungsangeboten äußerst gut gefallen. Die damit verbundenen Visionen und Strategien wirkten durchdacht, gemäßigt (hinsichtlich des Technologie-Einsatzes) und vor allem von unten getragen. Letzteres ist bedeutsam, da man in Berkeley nicht so deutlich auf die unternehmerische Kultur verwies wie in Stanford. Hier steht vor allem „Research“ im Fokus (was sich nicht zuletzt an sechs Parkplätzen für Nobelpreisträger*innen zeigte :D).

Die jeweiligen Lehr-Lernkulturen haben uns auch in Vancouver (Kanada), an der University of British Colombia (UBC) und der Simon Fraser University (SFU), beschäftigt. Allerdings war die Auseinandersetzung damit zu Beginn unserer Reise noch (eher) implizit. So haben wir dort vor allem versucht zu erfassen, wie an den beiden Universitäten digitale Dienste und Services organisiert werden, welche Bedeutung Bibliotheken „heute“ haben, wie hochschuldidaktische Angebote „gestrickt“ werden etc. Immerhin ging es uns um die (organisatorische) Frage, wie sich ein „digitales Studium“ realisieren lässt.

Der sehr tiefe Einblick in die UBC war gleich zu Beginn der Reise sehr hilfreich:

So wurde rasch deutlich, wie zentrale und dezentrale Dienste/Abteilungen zusammengreifen können und wie sich aufgrund der digitalen Medien auch ganz neue organisationale Strukturen ausprägen. Auffällig war, dass die gesamten Aktivitäten rund um Digitalisierung in einem Zentrum („Centre for Teaching, Learning and Technology“ (CTLT)) gebündelt wurden und dort in interdisziplinären Teams an unterschiedlichen Problemen gearbeitet wird. D.h. Hochschuldidaktiker*innen und Informatiker*innen, Mediendidaktiker*innen (Instructional Designer) und Bibliothekare usw. lösen aktuelle Probleme gemeinsam innerhalb einer (Groß-)Abteilung. Angesichts der gegenwärtigen Strukturen von Hochschule finde ich diese Zusammenlegung in Hubs bemerkenswert und dem Gegenstand angemessen; auch konnte so dezidiert über neue Aufgaben von Bibliothek (z.B. Gestaltung von Lernräumen) diskutiert werden. Die bis dato geglückte Implementierung dürfte nicht zuletzt an strahlenden und kompetenten Personen wie auch an der Verbindung von zentralen und dezentralen Strategieelementen liegen.

Am Tag darauf haben wir die SFU besucht, eine deutlich kleinere Universität mit deutlich weniger Studierenden und Budget. Gleichwohl erlebten wir hier einen starken Kontrast: So habe ich die Personen auf Arbeitsebene als sehr kommunikativ und nett wahrgenommen, was für gelungene, problemorientierte Zusammenarbeit entscheidend ist. Gerade die Medien- und Hochschuldidaktiker*innen wirkten – bezogen auf das Lösen einzelner, lehrveranstaltungsbezogener Probleme – engagiert. Der verfolgte, strategische top-down-Ansatz in der Hochschul-IT passte hierzu nur eingeschränkt, wenn man wieder das Argument der hochschulischen Kulturen heranzieht. Denn die verfolgten Strategien sollten immer auch zur eigenen Kultur passen.

Es kommt daher nicht von ungefähr, dass wir uns als Gruppe mit unseren Fragen und Interessen nach den Besuchen in Kanada neu sortiert haben und „plötzlich“ Kultur- und Implementierungsfragen an Bedeutung gewonnen haben. Die erlebten Kulturen lassen sich dabei nur schemenhaft umreißen: Keine der besuchten Universitäten glich der anderen; die größten Schnittmengen sehe ich persönlich zwischen UBC (Vancouver, Kanada) und Berkeley (Kalifornien, USA).

Wie unsere Delegationsreise schließlich (und nochmals) klar aufgezeigt hat, gibt es nicht die „one size fits all“-Lösung für die Nutzung digitaler Medien über alle Universitäten hinweg. Vielmehr zeigen sich im Detail beträchtliche organisationale Unterschiede, wie mit digitalen Medien, Medienwandel, Studierwirklichkeiten etc. umgegangen wird. Die identifizierten Gemeinsamkeiten und Unterschiede sind oft kulturell verankert und teils auch normativ geprägt. Dies betrifft im Übrigen auch, wie Studierende gesehen werden: als Lernende, als Forschende, als Kund*innen und/oder als mitgestaltende Akteure von Universität. Es zeigt sich allerdings die Tendenz, Studierende in Studium und Lehre, aber auch in hochschulische Entscheidungsprozesse als Akteure stärker als bisher zu involvieren.

Vor uns liegt nun die Aufgabe, die vielen, großen und kleinen Erkenntnisse zuhause zusammenzutragen und für unsere Zwecke zu strukturieren. Dazu gehören kleine Tool-Tipps (z.B. das in den USA beliebte Kommunikationswerkzeug Piazza), aber auch strukturelle Fragen auf unterschiedlichen Gestaltungsebenen von Universität. Sicherlich werden wir auch die drei Bildungssysteme (Deutschland, Kanada, USA) rückblickend miteinander vergleichen müssen. So sollte es möglich sein, dass nach einer solchen Delegationsreise mehr bleibt als die schöne Erinnerung daran.