(Open) Video Curriculum

In diesem Semester sind vielerorts jede Menge Ideen entstanden, um kreativ mit den aktuellen Anforderungen umzugehen. Ich möchte daher hier eine Idee dokumentieren, die wir im Kontext unserer Intermedia-Ringvorlesung im gleichnamigen Masterstudiengang in diesem ungewöhnlichen Semester verfolgt haben. So haben wir zu einem frühen Zeitpunkt des Semesters ein offenes „Video-Curriculum“ zusammengestellt, d.h. eine Sammlung unterschiedlicher Vorträge, die sich ohnehin im Netz finden. Auf diese Weise haben wir uns nicht nur die Weiten des Internets erschlossen, gleichzeitig machten wir aus der Not fehlender Vorträge vor Ort eine Tugend.

Vor diesem Hintergrund sah das Programm für die Vorlesung wie folgt aus:

Digitalisierung bzw. Digitalität Sybille Krämer: Kulturgeschichte der Digitalisierung
Andreas Breiter: Gute Bedingungen für Bildung im digitalen Zeitalter
Petra Grell: Partizipation und Ausgrenzung im Kontext der Digitalisierung
Daten und Algorithmen Louise Amoore: Our lives with algorithms
Nick Couldry: Data colonialism
Flavia Dzodan: The Coloniality of the Algorithm
Gesellschaftliche Grundlegungen Judith Simon: Vertrauen und Verantwortung im Internet
Marion Fourcade: Social order in the digital society
Shoshana Zuboff: Surveillance capitalism and democracy

Nach dem Abschluss der Vorlesung in genannter Form fiel das heutige Feedback der Studierenden auf den Verlauf des Semesters äußerst positiv aus – so haben die Vorträge die Studierenden sehr intensiv zum Nachdenken gebracht und in die Position versetzt, Forschungsperspektiven unterschiedlicher Forschender zu erkennen und Ergebnisse ihrer Forschung zu bewerten. Nach Anlaufschwierigkeiten haben sie es auch sehr gut geschafft, sich auf die aktuelle Studiensituation einzulassen und den eigenen Fragen nachzugehen. Letzteres ist auch deswegen relevant, damit Studierende ihre Portfolio-Prüfung leisten können.

Interessant sind die Erfahrungen aber auch vor anderem Hintergrund: Sie regen zumindest dazu an, Fragen der „Präsenz“ anders zu bewerten, als dies im Diskurs zur Rückkehr zur tradierten Universität gegenwärtig präsent scheint.

Auf Exkursion

In der Pfingstwoche bietet die Kölner Semesterplanung die Gelegenheit zu Exkursionen. Diese Möglichkeit wird auch rege genutzt, insbesondere für weite Konferenzreisen und den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, die nicht in Deutschland leben und arbeiten. Denn der Semestertakt zwingt letztlich dazu, kleine Nischen in Curriculum und Semesterferien für Austausch jeglicher Art zu verwenden. Nicht anders war es auch im Fall meines Kyoto-Aufenthalts, der seit längerem für eben diese Pfingstwoche geplant war und mich inzwischen in Erinnerungen schwelgen lässt. So verrate ich nicht zu viel, wenn ich sage, dass Japan zauberhaft und mitunter so widersprüchlich ist, dass die Diskussionen vor Ort viel Freude bereitet haben. Gleichzeitig ziehen sie Fragen westlicher Lesarten spezifischer Diskussionen nach sich, an denen sich letztlich auch ein hochentwickeltes Industrieland wie Japan orientiert. Aber von vorne.

UoC Mobility Grant

Als ich zu Jahresbeginn mein Bewilligungsschreiben für ein UoC Mobility Grant in Händen hielt, konnte ich es kaum fassen. Es würde in der Exkursionswoche tatsächlich nach Kyoto an die Kölner Partneruniversität Kyoto Sangyo University gehen. Die Überraschung und Freude war deswegen hoch, weil diese Stipendien rar sind und ausgehend von eigenen Forschungsthemen in der Kölner Exzellenzinitiative vergeben werden. Nun bin ich von Hause aus weder Ethologin noch ausgewiesen in der vergleichenden, erziehungswissenschaftlichen Forschung, sodass meine Frage nach der Studierendenschaft auch andere Auslegungs- und Bewertungsmöglichkeiten geboten hätte. Immerhin führten mich meine letzten Delegationsreisen in die USA verbunden mit Konsortien, die das US-amerikanische Bildungssystem in Bezug auf Grade der Digitalisierung prüfen wollten (siehe hier; hier). Meine Japanreise verfolgte nun einen gänzlich anderen Zweck: Mir geht es nicht um Grade der Digitalisierung, sondern darum, was Studierende mit Medien machen und wie selbstverständlich sie in und mit Medien interagieren. In Bezug auf derart gelagerte Fragen schien mir Japan – verbunden mit Städten wie Kyoto oder Tokio – ein besonders geeignetes Land.

21 Stunden wach
Japan liegt bekanntermaßen nicht gerade um die Ecke. Wenn ich richtig zurückgerechnet habe, dauerte es ca. 21 Stunden, um von Köln über München nach Osaka zu fliegen und vor Ort weiter nach Kyoto zu reisen. Es ist ja irgendwie auch logisch, dass es keinen Direktflug aus Köln in die älteste Stadt Japans gibt. Folglich ist eine solche Auslandsreise nicht nur schön und beeindruckend, sondern auch ein wenig anstrengend und geprägt von mehreren Wartezeiten, vielen Filmen und dem einen oder anderen Power nap. Über eineinhalb Ruhetage vor dem ersten Kennenlernen der Kolleginnen und Kollegen vor Ort war ich daher sehr froh, da zudem ein Zeitunterschied von sieben Stunden zu bewältigen war. Insbesondere der Sonntag bot zugleich die Gelegenheit, die Stadt ein wenig zu erkunden.

Dr. No(h)
Wer sich ein wenig mit Japan beschäftigt, weiß, dass es in dem Land nicht nur Technik zu entdecken gibt, sondern auch Jahrtausende alte Traditionen wie das Noh-Theater. Das Noh-Theater ist auch deswegen so spannend, weil es außenstehend fast nicht zu verstehen ist. Es ist derart kulturell geprägt und aufgeladen, dass es sich nur einer spezifischen Gruppe erschließt. In einem Workshop an der Kunsthochschule haben wir dann in einer kleineren Gruppe versucht, das Noh-Theater sowie verwandte Aufführungsformen zu verstehen. Ein Unterfangen, das für zwei Stunden definitiv (zu) anspruchsvoll war. Sprachbarrieren kommen hinzu, wenn sich in Textbüchern, Regieanweisungen etc. Zeichen und Symbole finden, die sich nur mit direkter Übersetzung erschließen. Hierfür nachträglich ein großer Dank an unseren Host an der Kyoto Sangyo Universität, der stets zwischen Deutsch, Englisch und Japanisch hin- und hergesprungen ist, um Verständigung zu ermöglichen.

FabLab Osaka
Einen völlig anderen und aus meiner Sicht weit bekannteren Eindruck vermittelte das FabLab in Osaka, das sich in einem Hinterhof in Hafennähe befand und als sozial- bzw. gesellschaftskritisches Projekt von einer Künstler*innengruppe entstanden ist. Das FabLab ist in unmittelbarer Nähe einer Schreinerei lokalisiert. Dies führt zu praktischem Austausch und nicht zuletzt zu einer Menge von Spänen und Staub. Vor Vortragsbeginn über das Feature als journalistisch-mediale Form mussten wir uns daher erst einmal Platz schaffen.
Im FabLab stand dann der Austausch vorwiegend mit Musikwissenschaftler*innen im Fokus, was daran lag, dass ich zusammen mit meinem Kollegen aus der Musik die Japanreise angetreten habe. Folglich drehte sich auf der Reise viel um Medien, aber nicht unbedingt aus der Perspektive, wie sie aus dem E-Learning (vermeintlich) bekannt ist. Stattdessen haben wir kulturwissenschaftliche Perspektiven aufgenommen und über unterschiedliche Medienbegriffe, theoretische Zugriffe, praktische Formate sowie Formen der Vermittlung stets vergleichend zwischen Japan/Deutschland diskutiert.

Industrieuniversität
In Kyoto gibt es, schenkt man der Wikipedia Glauben, insgesamt ca. 40 Universitäten. Ich habe keinen Überblick, wie viele Universitäten bzw. Hochschulen Städte wie Köln, München oder Hamburg aufweisen, meine Vermutung ist allerdings, dass diese Zahl nicht erreicht wird. Die Universitäten weisen dabei ein sehr unterschiedliches Spektrum auf und eine Unterscheidung nach Hochschultyp, wie sie bei uns gängig ist, gibt es dort im Grunde nicht. Gleichwohl wurde uns berichtet, dass wir an einer privaten Industrieuniversität zu Gast sind. Die Übersetzung des Hochschulnamens finde ich deswegen so interessant, weil er aus meiner Sicht sehr gut wiederspiegelt, wie das Japanische Hochschulsystem zu verstehen ist. Es geht vorwiegend darum, Menschen in Arbeit zu bringen – und die Übergänge in die Arbeit als Hochschule zu gestalten.
Die Zeit in Kyoto war zu kurz, um alle Facetten dieser (Ziel-)Orientierung zu durchblicken und vor allem auch staatliche Universitäten besser kennenzulernen. Mir scheint aber doch, dass durch die Orientierung an Arbeit die Strukturen des Studiums enger sind und die Möglichkeiten, sich im Studium praktisch auszuprobieren, verbreitet sind. Auch auf Netzwerkbildung im Studium wird geachtet, indem beispielsweise zentrale Anlaufpunkte gezielt initiiert werden. Eine wichtige Rolle spielen darin Sprachen und die Bibliothek.
Aus medienpädagogischer Sicht hat mich nicht zuletzt gefreut, dass über die Mittagszeit das studentische Radio erklang. Allerdings ist die tägliche Sendezeit auf 30 Minuten begrenzt.

Klangwelten
Aus anderen Ländern lassen sich zahlreiche Eindrücke mitnehmen, wobei mir ein Aspekt deutlich im Gedächtnis geblieben ist: die Klangwelt(en). So werden öffentliche Räume nicht nur mit vielen Informationen ausgestattet, sie werden auch in Form von Ansagen und/oder Musik dargeboten. An diese Klangwelten gewöhnt man sich schnell, aber es ist für unsere Ohren doch einigermaßen ungewöhnlich, weithin beschallt zu werden. Dies zeigt sich in Kaufhäusern ganz besonderes. Darin spielt beinahe jede Abteilung andere Bänder ab. Fasziniert habe ich daher die Menschen beobachtet, wie sie sich in diesem Rahmen orientiert haben, während wir uns geradezu angestrengt auf eine Beobachtung konzentriert haben. Ein völlig anderes Bild vermittelte die Stimmung in den Tempelanlagen: Hier wurde durch Stille Kraft für den Alltag getankt.

Wie weiter?
Ein paar Tage später bin ich nun wieder im Kölner Unialltag angekommen und andere Aktivitäten und Aufgaben liegen vor mir. U.a. findet in der kommenden Woche die Tagung des Intermedia-Studiengangs statt, die noch vorbereitet werden will (zur Tagungswebseite). Neben den Eindrücken habe ich aber auch Datenmaterial mitgebracht, um das ich mich in den Semesterferien kümmern werde. U.a. habe ich eine Gruppendiskussion mit japanischen Studierenden durchgeführt, die mich vor allem zu methodischen Fragen im kulturellen Kontext führen wird. Daneben konnten wir die Intensivierung des Austauschs zwischen dem Studiengang Medienkommunikation, Sprachenstudiengängen sowie Intermedia verabreden. Im direkten Gespräch entstehen doch mehr Ideen, als sie sich auf dem Reißbrett entwickeln und hier dokumentieren lassen.

Mikroformate

Es ist schon ein paar Tage her, dass sich Medienpädagogik und -didaktik intensive Gedanken um große und kleine Formate gemacht hat. Zumindest wird nicht mehr allzu intensiv über kleinste Lerneinheiten (sog. Microlearning) nachgedacht, was auch daran liegen könnte, dass parallel zur Entwicklung zum Kleinen standardisierte Massenformate (ich denke hier an MOOCs) en vogue wurden. Angesichts medienkultureller Entwicklungen könnte es aber interessant sein, die Formatfrage nach einiger Zeit wieder zu stellen. Denn Gifs, Memes und Lernhäppchen kommen nicht nur in jungen Zielgruppen gut an, sie sind im aktuellen Netzgeschehen inzwischen alltäglich.

Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich die kommende Tagung „Mikroformate“ des Intermedia-Studiengangs der Universität zu Köln „mit ästhetischen Formen der Verkürzung und Verdichtung, wie sie sich in den aktuellen Rezeptionspraktiken der Medienkultur (aber nicht nur da) beobachten lassen. (…) Diesen kurzen Formen der Gestaltung und Wahrnehmung wollen wir uns aus theoretischer und empirischer Sicht annähern. Gerade bei aktuellen Rezeptionspraktiken im Internet State of Mind (Chan), bei denen Mikroformatierungen – unabhängig von der Ausgangslänge der Materialien – zu beobachten sind, gilt es, die Rezeptions- mit der Produktions- bzw. Produzent*innenperspektive zu verknüpfen.“ (aus der Tagungsankündigung)

Passend zu einem interdisziplinär ausgerichteten Studiengang orientiert sich die Tagung an (medialen) Phänomenen, was das Tagungsprogramm einerseits spiegelt und andererseits diverse Diskussionen möglich macht. Auf die Diskussionen zwischen den Disziplinen freue ich mich daher ebenso wie auf den Austausch mit Ihnen/Euch, die als Gäste und Interessierte Ende Juni nach Köln kommen.

Weitere Informationen zur Veranstaltung und der Anmeldung finden sich (in Kürze) unter: kunst.uni-koeln.de/mikroformate

Eigensinnig studieren? #wtf

Zugegeben, der Titel meines morgigen Vortrags in der Ringvorlesung des Master Intermedia klingt unkonventionell. Aber er greift vor allem eins auf: die Perspektive der Studierenden auf ihr Studium. Und ich gebe stellvertretend für einen größeren Verbund Einblick in ein neues Forschungsprojekt: Dies beschäftigt sich mit dem eigensinnigen Medienhandeln von Studierenden. Ich freue mich auf viele Zuhörer*innen und eine intensive Diskussion.

Eigensinnig studieren?

Semesterbeginn #UzK

Seit zwei Wochen laufen die Veranstaltungen des Sommersemesters. Ich selbst biete im SoSe zwei Lehrveranstaltungen in der grundständigen Lehre der Universität zu Köln (UzK) an. Ausgehend vom interdiszipilinären Bachelor- (und bald Master-) Studiengang Intermedia sind diese Veranstaltungen auch für andere Studiengänge geöffnet (z.B. Erziehungswissenschaft, Frühförderung, Bildungswissenschaften). Kern beider Veranstaltungen sind ‚typische‘ mediendidaktische Herausforderungen und Probleme:

  • Die eine Veranstaltung nimmt speziell die Gestaltung und Produktion digitalen Lernmaterials in den Blick, wobei mir die Diskussion über und mit OER in diesem Seminar besonders wichtig ist. So ist Ziel der Veranstaltung, sich kritisch mit der gegenwärtigen Lernmaterialgestaltung auseinanderzusetzen, die OER-Debatte in Bezug zu anderen, eher schulpädagogischen Diskursen der Lernmaterialproduktion zu setzen und über die Analyse hinaus selbst Lernmaterial für einen frei gewählten, formalen oder informellen Kontext zu gestalten.
  • Die Kontexte sind es auch, die im Fokus meiner zweiten Lehrveranstaltung stehen: Im Fokus der (eher) forschungsbasierten Veranstaltung steht das Analysieren und Hinterfragen eines formalen und eines informellen Kontexts. Jeweils die Hälfte des Seminars setzt sich mit dem einen (bzw. dem anderen) Kontext auseinander, sodass alle wechselseitig von den Ergebnissen profitieren und sich wichtige Fragen bzgl. der Kontext-Gestaltung aus dem kontrastierenden Vorgehen ergeben.

Auf beide Lehrveranstaltungen freue ich mich sehr, weil sie inhaltlich aktuelle mediendidaktische Fragestellungen aufgreifen und Studierende durch ihr eigenes Tun zum Fragen (und damit Forschen) anregen. Die Seminare werden überdies durch Blogs begleitet, die – wie gewohnt – öffentlich zugänglich sind und von außen verfolgt werden können (zum Kontext-Blog; zum OER-Blog). Über Kommentare zu den einzelnen Blog-Beiträgen und Feedback jeder Art freuen wir uns natürlich sehr.