Was hängen bleibt… – Delegationsreise „Digitales Studium“ der #UzK

Nach vier Uni-Besuchen in Kanada und den USA und gut einer Woche „drüben“ weiß ich kaum, wo ich anfangen soll, zu berichten. Die Eindrücke der vergangenen Delegationsreise „Digitales Studium“ sind wirklich sehr vielfältig und gar nicht so digital, wie man angesichts der Reiseüberschrift meinen könnte.

So boten die unterschiedlichen Technologien, die sich für Lehre und Studium einsetzen lassen, zwar den Reiseanlass; gleichwohl kamen wir als Gruppe von +/- 11 Kolleg*innen der Universität zu Köln (UzK) unter der Leitung des Prorektors für Studium und Lehre (Prof. Dr. Stefan Herzig) immer wieder auf pädagogische bzw. (hochschul-)didaktische Fragen zu sprechen. All diejenigen, die im Feld selbst tätig sind, wird das nicht überraschen. Gleichwohl halte ich es für positiv, dass auf der Delegationsreise sowohl praktische als auch theoretisch motivierte Fragen gestellt wurden, dass Wissenschaft und Verwaltung gemeinsam reisten und dass wir mehrfach die Gelegenheit hatten, unsere Eindrücke untereinander zu teilen. Letzteres finde ich persönlich sehr wichtig, wenn die Reisetage voll sind und man die besuchten Unis hinsichtlich ihrer Ideen zum „digitalen Studium“ verorten möchte.

Für mich war es die zweite Reise dieser Art, da ich im Jahr 2013 bereits einmal mit den „Educational Experts“ (Fulbright) in San Francisco war (zu den Blogbeiträgen von damals). Insofern hatte ich (auch) den direkten Vergleich, was Entwicklungen an den Universitäten Stanford und Berkeley betrifft. Letzteres war ganz interessant, da ich beide Universitäten in diesem Jahr anders wahrgenommen habe als noch vor drei Jahren:

Von der unternehmerischen Kultur und Denkart war ich in Stanford nicht mehr besonders überrascht, im Gegenteil. Es zeigte sich einmal mehr, dass hier bottom-up-Initiativen von Lehrenden und Studierenden vor dem Hintergrund einer unternehmerischen Kultur besonders geschätzt werden. Dies gilt nicht zuletzt für Initiativen rund um das digitale Studium. MOOCs sind (im Gegensatz zu 2013) zur Normalität geworden; sie werden initiiert, um Lehre und Studium zu bereichern und ggf. vor Studienbeginn auf die spezifische Lehr-Lernkultur in Stanford aufmerksam zu machen. Die Verschränkung der MOOCs mit grundständiger Lehre und Studium ist auffällig, weil MOOCs vielerorts „nur“ zu Marketingzwecken eingesetzt werden. Darüber hinaus werden jegliche (digitale) Initiativen unterstützt, die für Lehre und Studium förderlich sind – passend zur unternehmerischen bottom-up-Kultur des Silicon Valley.

Von meinem letzten Besuch in Berkeley war ich nicht ganz so überzeugt (siehe Blogpost aus 2013). Insbesondere fehlten mir weiterführende Ideen dazu, wie MOOCs oder allgemeiner gesprochen: digitale Medien, für Lehre und Studium eingesetzt werden könnten. Seit dem letzten Besuch hat sich hier aber einiges getan: Zum einen sind sichtbare Infrastrukturen geschaffen worden, die in dieser Form vor drei Jahren nicht erkennbar waren. Zum anderen hat mir die hochschulische Strategie der Verschränkung von zentralen (Digitalisierungs-)Initiativen und dezentralen Unterstützungsangeboten äußerst gut gefallen. Die damit verbundenen Visionen und Strategien wirkten durchdacht, gemäßigt (hinsichtlich des Technologie-Einsatzes) und vor allem von unten getragen. Letzteres ist bedeutsam, da man in Berkeley nicht so deutlich auf die unternehmerische Kultur verwies wie in Stanford. Hier steht vor allem „Research“ im Fokus (was sich nicht zuletzt an sechs Parkplätzen für Nobelpreisträger*innen zeigte :D).

Die jeweiligen Lehr-Lernkulturen haben uns auch in Vancouver (Kanada), an der University of British Colombia (UBC) und der Simon Fraser University (SFU), beschäftigt. Allerdings war die Auseinandersetzung damit zu Beginn unserer Reise noch (eher) implizit. So haben wir dort vor allem versucht zu erfassen, wie an den beiden Universitäten digitale Dienste und Services organisiert werden, welche Bedeutung Bibliotheken „heute“ haben, wie hochschuldidaktische Angebote „gestrickt“ werden etc. Immerhin ging es uns um die (organisatorische) Frage, wie sich ein „digitales Studium“ realisieren lässt.

Der sehr tiefe Einblick in die UBC war gleich zu Beginn der Reise sehr hilfreich:

So wurde rasch deutlich, wie zentrale und dezentrale Dienste/Abteilungen zusammengreifen können und wie sich aufgrund der digitalen Medien auch ganz neue organisationale Strukturen ausprägen. Auffällig war, dass die gesamten Aktivitäten rund um Digitalisierung in einem Zentrum („Centre for Teaching, Learning and Technology“ (CTLT)) gebündelt wurden und dort in interdisziplinären Teams an unterschiedlichen Problemen gearbeitet wird. D.h. Hochschuldidaktiker*innen und Informatiker*innen, Mediendidaktiker*innen (Instructional Designer) und Bibliothekare usw. lösen aktuelle Probleme gemeinsam innerhalb einer (Groß-)Abteilung. Angesichts der gegenwärtigen Strukturen von Hochschule finde ich diese Zusammenlegung in Hubs bemerkenswert und dem Gegenstand angemessen; auch konnte so dezidiert über neue Aufgaben von Bibliothek (z.B. Gestaltung von Lernräumen) diskutiert werden. Die bis dato geglückte Implementierung dürfte nicht zuletzt an strahlenden und kompetenten Personen wie auch an der Verbindung von zentralen und dezentralen Strategieelementen liegen.

Am Tag darauf haben wir die SFU besucht, eine deutlich kleinere Universität mit deutlich weniger Studierenden und Budget. Gleichwohl erlebten wir hier einen starken Kontrast: So habe ich die Personen auf Arbeitsebene als sehr kommunikativ und nett wahrgenommen, was für gelungene, problemorientierte Zusammenarbeit entscheidend ist. Gerade die Medien- und Hochschuldidaktiker*innen wirkten – bezogen auf das Lösen einzelner, lehrveranstaltungsbezogener Probleme – engagiert. Der verfolgte, strategische top-down-Ansatz in der Hochschul-IT passte hierzu nur eingeschränkt, wenn man wieder das Argument der hochschulischen Kulturen heranzieht. Denn die verfolgten Strategien sollten immer auch zur eigenen Kultur passen.

Es kommt daher nicht von ungefähr, dass wir uns als Gruppe mit unseren Fragen und Interessen nach den Besuchen in Kanada neu sortiert haben und „plötzlich“ Kultur- und Implementierungsfragen an Bedeutung gewonnen haben. Die erlebten Kulturen lassen sich dabei nur schemenhaft umreißen: Keine der besuchten Universitäten glich der anderen; die größten Schnittmengen sehe ich persönlich zwischen UBC (Vancouver, Kanada) und Berkeley (Kalifornien, USA).

Wie unsere Delegationsreise schließlich (und nochmals) klar aufgezeigt hat, gibt es nicht die „one size fits all“-Lösung für die Nutzung digitaler Medien über alle Universitäten hinweg. Vielmehr zeigen sich im Detail beträchtliche organisationale Unterschiede, wie mit digitalen Medien, Medienwandel, Studierwirklichkeiten etc. umgegangen wird. Die identifizierten Gemeinsamkeiten und Unterschiede sind oft kulturell verankert und teils auch normativ geprägt. Dies betrifft im Übrigen auch, wie Studierende gesehen werden: als Lernende, als Forschende, als Kund*innen und/oder als mitgestaltende Akteure von Universität. Es zeigt sich allerdings die Tendenz, Studierende in Studium und Lehre, aber auch in hochschulische Entscheidungsprozesse als Akteure stärker als bisher zu involvieren.

Vor uns liegt nun die Aufgabe, die vielen, großen und kleinen Erkenntnisse zuhause zusammenzutragen und für unsere Zwecke zu strukturieren. Dazu gehören kleine Tool-Tipps (z.B. das in den USA beliebte Kommunikationswerkzeug Piazza), aber auch strukturelle Fragen auf unterschiedlichen Gestaltungsebenen von Universität. Sicherlich werden wir auch die drei Bildungssysteme (Deutschland, Kanada, USA) rückblickend miteinander vergleichen müssen. So sollte es möglich sein, dass nach einer solchen Delegationsreise mehr bleibt als die schöne Erinnerung daran.

Podiumsdiskussion: „Digitale Gesellschaft“

Dienstag war ich zur Statuskonferenz des BMBF-Programms „Digitale Medien in der beruflichen Bildung“ eingeladen, um auf dem Podium mit Elisabeth Slapio (IHK Köln, Innovation und Umwelt), Peter Bihr (u.a. Next!Berlin) und Markus Beckedahl (u.a. netzpolitik.org) etwaige Herausforderungen mit der „Digitalen Gesellschaft“ vorrangig aus Bildungsperspektive zu vertreten. Über die Einladung zur Diskussionsrunde habe ich mich sehr gefreut: Immerhin gibt es neben dem pädagogischen Herz auch das ökonomische, das mal mehr, mal weniger stark in mir schlägt und biografisch durch die eigene (duale) Ausbildung zur Industriekauffrau bedingt ist. Das Podium gab mir nun die Gelegenheit, eigene Erfahrungen, aber auch fachwissenschaftliche Perspektiven vor einem interessierten Publikum einzubringen.

Wenn ich die Podiumsdiskussion rekapituliere, ergaben sich drei große Schwerpunkte in der Diskussion, wobei wir 1) eher in einer Datenschutzdebatte verhaftet blieben, als dass wir uns den Herausforderungen für 2) Individuen in Alltag und 3) Beruf genähert hätten. Ersteres überrascht mich dabei nicht: Speziell bei Themen, die Unsicherheit hervorrufen, gibt es viel Diskussionsbedarf, und auch Lagerbildungen sind gewissermaßen natürlich. So diskutieren auf der einen Seite meist diejenigen, die unerschrocken und aufgeschlossen mit neuen Themen und Begebenheiten umgehen, und auf der anderen Seite finden sich Stimmen, die sich (zunächst) in Zurückhaltung und Kritik üben. Die Debatte um Datenschutz hat dabei allerdings die nächste Stufe schon erreicht: Es gibt vielfältige Nutzungsformen des Internets, digitaler Werkzeuge und entsprechende Anwendungsszenarien in Bildungskontexten. Es existiert aber ein Medien- und Urheberrecht, das dem raschen Medienwandel sowie den vielfältigen Nutzungspraktiken kaum „hinterher“ kommt. Entsprechend wird der Ruf nach Regulierung lauter, auch wenn man kaum absehen kann, ob sie überhaupt etwas bringt. Dennoch scheint dieser dominanter als der Ruf nach umfassenden Medienkompetenzen, die eben nicht nur den technischen Gebrauch von Medien einschließen, sondern vor allem den aufgeklärten Umgang mit Medien adressieren sowie Lernumgebungen anstreben, die eine problem- und handlungsorientierte Auseinandersetzung möglich machen. Diese, wenn man so will, wiedergewonnene subjektive Betrachtungsweise auf Medien in Alltag und Beruf ist aber keineswegs einfach umzusetzen, da sie (im vorliegenden Fall) Unternehmen und Unternehmenszielen im Weg zu stehen scheint: Einerseits sind mitdenkende („mündige“) Arbeitnehmer/innen gewünscht, andererseits geht es (je nach Berufsgruppe) auch um die bloße Ausführung von Tätigkeiten. An der Stelle hätte man gut an frühere Diskussionen um die Subjektivierung von Arbeit und zugehörige Transformationsprozesse anknüpfen können, dafür war die Zeit aber zu knapp und der Schwerpunkt Datenschutz letztlich zu ausgeprägt. Insofern näherten wir uns lediglich der „Digitalen Gesellschaft“ mit inhärenten Positionen und Facetten und suchten weniger nach konkreten Lösungen oder Handlungsoptionen darin.

Ob das nun gut oder schlecht ist, mag ich an der Stelle nicht bewerten: Für mich ist es eher ein Zeichen von nach wie vor großer Unsicherheit im Umgang mit Medien und Medienwandel und einer Diskussion, die sich nur langsam inhaltlich verändert und in unterschiedliche gesellschaftliche Bereiche diffundiert.