EduCamp Hamburg 2010 – Versuch eines Rückblicks

Das EduCamp liegt jetzt zwei Tage zurück und noch immer fällt mir ein Resümee schwer. Vielleicht liegt es daran, dass nun schon an anderen Stellen erste Eindrücke geschildert wurden, die ich in vielerlei Hinsicht teilen kann. So finde ich z.B. die Formatdiskussion bei Mandy und Matthias spannend und wichtig, aber auch die Frage nach der Teilung von Begriffen, wie man sie etwa bei Helge findet. Beide Aspekte haben mich besonders am vergangenen Freitag beschäftigt, sodass ich bspw. aufgrund meiner persönlichen Verärgerung eine „Gegen“session zu unternehmerischem Engagement in Bildungseinrichtungen angeboten habe. Das hatte vor allem damit zu tun, dass mir die Diskussion am Vortag zu unkritisch und zu einseitig war – in eine Richtung, die im Bildungskontext die Förderung von Lehr-Lerninhalten bzw. ganzer Schulen/Hochschulen als eine eindeutig positive Entwicklung beleuchtet hat. Da ich durch meine Diss immer wieder mit diesen Fragen konfrontiert bin, konnte und wollte ich das nicht unhinterfragt stehen lassen. Und so habe ich doch eine ganze Reihe an Mitstreitern gefunden, die sich Samstag am Bildungsverständnis gerieben und neben ihren Positionen auch aus Projekten und von eigenen Erfahrungen berichtet haben. Bei der Diskussion konnte man dann schön sehen, wie unterschiedlich einzelne Bildungsbegriffe sind, welche Schwierigkeiten die oftmals losen Rahmenbedingungen (Curricula) offenbar bereiten, sodass unternehmerisches Engagement selten auf seinen Zweck hin überprüft wird, und man konnte eindeutig sehen, wie viele Bedürfnisse oder Ansprüche auf Bildungseinrichtungen generell „einprasseln“. Das ist an sich nichts Neues, da man dies in sehr vielen Studien zu o.g. Thema liest (z.B. zu ökonomischer Bildung in der Schule). Trotzdem fällt erst durch die persönliche Diskussion auf, was einzelne Personen/-gruppen tatsächlich motiviert, sich im Bildungskontext einzubringen. An der Stelle hat mir gefallen, dass neben Wirtschaftsvertretern ebenso Lehrer in der Session waren, wodurch sich Praxisperspektiven und theoretische Annäherungen permanent abwechselten. Ich bin daher froh, dass ich mich zu dieser „Maßnahme“ entschlossen habe und sehe darin auch einen klaren Vorteil von Unkonferenzen, nämlich die Möglichkeit Themen einzubringen, obschon diese vorher nicht auf dem Plan standen, und diese mit Vertretern ganz unterschiedlicher Gruppen kontrovers zu diskutieren. Natürlich kann man das auch auf Kaffeepausen verschieben, allerdings nicht in der Ruhe, nur schwer in dieser Konstellation und schon gar nicht, wenn die Gruppe zu groß ist.

Was in der spontanen Session offenbar ganz gut gelaufen ist, nämlich hinreichend Kontroversen und durchaus Tiefe in der Diskussion zu erzeugen, ist uns beim Bildungssofa nicht ganz so gut gelungen. Vielleicht lag es am vagen Thema, am persönlichen Zugang zu den Inhalten, an der strikten Einhaltung des Zeitplans oder auch an der integrativen Perspektive der Gäste: Eine Diskussion wie in Graz fand zuerst gar nicht und später eher an der Oberfläche statt. Manche Twitter-Nutzer beklagten daher (zu recht) den Talkshowcharakter der Runde. Es ist wirklich erstaunlich, wie mehr oder weniger dasselbe Konzept einmal sehr gut und einmal mäßig verlaufen kann, da an den Rahmenbedingungen kaum Veränderungen vorgenommen wurden. Was ich im Nachhinein auf jeden Fall kritisch sehe, ist die Länge des Bildungssofas, da viele Teilnehmer mitten im Gespräch die Session wechseln mussten oder wollten. An solchen formalen Vorgaben kommt man nicht vorbei, wenn man Zuhörer und Mitdenker haben will. Darüber hinaus stellt sich mir die Frage nach der „Konkurrenz“: Ein paar Mal wurde an mich herangetragen, warum das Bildungssofa nicht während der Abendveranstaltung durchgeführt würde, da es von der Art und Aufbereitung dort unter Umständen einen „besseren“ Platz hätte. Ich finde die Idee in jedem Fall sehr gut und nehme sie gern für das nächste EduCamp auf.

Denn am Ende ziehe ich ein positives Gesamtfazit und komme gern wieder: Die Veranstaltung war toll organisiert (danke ans Team vom #ec10hh!!) und der Faktor „Hamburg“ ist nicht zu vernachlässigen, wenn man maximal „bunt“ in der Teilnehmerschaft werden/bleiben will. Aufgefallen ist mir noch, wie sich die meisten mit ihren Twitternamen identifizieren: So kommt es nicht selten vor, dass bei Vorstellungen der Twittername vor dem realen Namen rangiert (wenn man denn eine Pseudoidentität verwendet). Auch ich habe mich hin und wieder dabei erwischt, dass ich manche Personen nicht beim echten, sondern beim Twitternamen ansprechen wollte. Das ist schon einigermaßen strange, wenn sich virtuelle und reale Welten auf diese Weise vermischen.

Nachtrag: Basti hat inzwischen die Folien zur heuschreckenbasierten Bildungsrevolution online gestellt. Merci!!

Diss: Quo vadis?

Am letzten Freitag habe ich den Stand meiner Arbeit im Doktorandenkolloquium vorgestellt. Während die letzten Präsentationen einen starken Fokus auf business@school legten, ging es dieses Mal stärker um die theoretische Verortung des Schule-Wirtschaft-Projekts. Wenn man das eigentliche Vorhaben der Arbeit zugrunde legt, nämlich die Herausforderungen an eine Zusammenarbeit von Ökonomie und Bildung zu klären, liegt die wohl größte Schwierigkeit meiner Diss darin, unterschiedliche theoretische Bezugsrahmen miteinander in Bezug zu bringen. Dies ist nicht immer einfach; allein schon die Sprache ist in der BWL und in der Pädagogik derart unterschiedlich, dass man Begriffe etc. nicht vorbehaltlos übertragen kann. Darüber hinaus ist der Blickwinkel der Disziplinen sehr verschieden: Während in der BWL eher die Organisation als Ganzes anvisiert wird, ist es in der Pädagogik das Individuum. Auch aus pragmatischen Gründen (Zeit!) werde ich mich daher davon verabschieden müssen, in meiner Arbeit diese Metaebene ausführlich beschreiben bzw. klären zu können. Stattdessen rücken „kleinere“ Konzepte in den Mittelpunkt, die von ihrer Anlage viele Schnittstellen zu den jeweils anderen Fächern besitzen und alle die Person in den Mittelpunkt stellen.

So kommt es nicht von ungefähr, dass ich mich im Bereich BWL von nun an stark auf das Corporate Volunteering (CV) konzentrieren werde. Dies hat unbestritten den Vorteil, dass auch das Projekt business@school als ehrenamtliches Mitarbeiterengagement von Unternehmen positioniert wird und ich mich infolgedessen dort gut auskenne. Hinzu kommt die Aktualität des Themas, da dem CV-Engagement von Unternehmen als Instrument der Personalentwicklung starkes Wachstum prophezeit wird. Darüber hinaus spielt „betriebliche Freiwilligenarbeit […] auch engagementpolitisch eine wichtige Rolle. Denn für viele gerade jüngere Mitarbeiter stellen solche Angebote erstmalig einen Kontakt zu ehrenamtlichem und bürgerschaftlichem Engagement her und bilden so einen Türöffner für das Ehrenamt.“ (Habisch, 2003, S. 8) Betrachtet man all die Facetten von CV in seiner Ganzheit, landet man schnell wieder beim Ausgangspunkt: Ökonomie und Bildung. So soll es – trotz abgespeckter Inhalte – weiter sein.

Corporate Social Responsibility – Modewort oder mehr?

Durch einen wertvollen Hinweis bin ich auf die Hohenheimer Studientexte (2006) zum Thema „Corporate Social Responsibility – Modewort oder mehr?“ gestoßen. Der Text zeigt dabei sehr deutlich auf, was unter Corporate Social Responsibility (CSR) gemeinhin verstanden wird und grenzt diesen von verwandten Begriffen wie Corporate Citizenship oder Nachhaltigkeit ab. Wichtig ist dabei das Verständnis, dass CSR als strategische Klammer oder als Dach aller gesellschaftlich relevanten Aktivitäten eines Unternehmens gilt. So sieht CSR etwa vor, „[…] dass Wirtschaftsbetriebe ihre Wertschöpfungskette neben den ökonomischen Kriterien auch nach sozialen und ökologischen Prinzipien organisieren und ihre Beziehungen zu Mitarbeitern, Kunden, Zuliefern und anderen Interessengruppen pflegen“ (Hohenheimer Studientexte, 2006, S. 10). Ziel der Aktivitäten ist somit nicht nur, „Gutes“ zu tun, sondern langfristig selbst Vorteile durch das unternehmerische Engagement zu erhalten (z.B. Imagegewinn). Trotz des freiwilligen Engagements können sich Unternehmen kaum mehr davor verschließen, sich nicht für die Gesellschaft einzusetzen. Gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen sei zum strategischen Zwang ohne Ausstiegschance geworden. Dabei ist die Frage nach der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen nicht neu; ihnen wird seit langem eine große Verantwortung zugeschrieben (vgl. hierzu auch „Das Unternehmen als guter Bürger„).

Wenn man CSR als strategische Klammer des freiwilligen unternehmerischen Engagements versteht, stellt sich die Frage, was diese Klammer umfasst. Ein wichtiger Teilbereich auf Ebene der Gesellschaft ist Corporate Citizenship (CC). Hier engagiert sich das Unternehmen als „guter Bürger“ (Corporate Citizen) vor allem für die sozialen Belange in der Gesellschaft (vgl. ebd., S. 12). Wiederum ein Teilbereich von CC ist das Corporate Volunteering (CV). Mit CV ist dabei das aktive Unterstützen von Mitarbeitern durch ihre Unternehmen gemeint, „wenn sie sich in sozialen, kulturellen, ökologischen oder anderen Projekten vor Ort bürgerschaftlich engagieren wollen“ (ebd., S. 34). Unternehmen übernehmen so soziale Verantwortung vor allem im lokalen Raum. Neben CV gibt es noch eine ganze Reihe anderer Aktivitäten, die dem Bereich CC zugeordnet werden können, darunter etwa Corporate Giving/Sponsoring.

Oftmals synonym mit dem CSR-Begriff wird der Begriff „Nachhaltigkeit“ verwendet. Nicht selten wird darunter auch das unternehmerische Engagement für die Umwelt verstanden. Dieses Begriffsverständnis führt allerdings in die Irre, denn: „[…] Nachhaltige Unternehmensführung soll analog zum Nachhaltigkeitsbild alle drei Dimensionen – Ökonomie, Ökologie, Soziales – umfassen.“ (ebd., S. 13) Somit ist Nachhaltigkeit vielmehr ein Ziel, das mit dem unternehmerischen Engagement erreicht werden soll. Die wirtschaftliche Entwicklung (ökonomische Dimension), die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen (ökologische Dimension) und die Wohlfahrt (soziale Dimension) sind dabei die wesentlichen Maximen von Nachhaltigkeit (vgl. ebd., S. 12).

Science Pop*: Wenn der Wissenschaftler zum Pop-Star wird

Danke, brand eins. Euer Schwerpunkt „Kommunikation/PR“ ist nicht nur großartig aufbereitet, Ihr sprecht mir auch an vielen Punkten aus der Seele. Nehmen wir allein den Bericht zum Thema „Science Pop“. Hier wird ein absolut berechtigtes Spannungsfeld skizziert: „Scheuen Wissenschaftler den Austausch mit der Öffentlichkeit – oder interessiert die sich gar nicht für Details aus den Laboren?“ (ebd., S. 108ff) Sehr treffend formuliert, wie sowohl die eine als auch die andere Seite begründet, warum sie sich der Öffentlichkeit stellt oder das eher unterlässt. Denn PR und Wissenschaft – das passt nicht für alle Beteiligten zusammen; insbesondere viele Wissenschaftler sehen PR eher als notwendiges Übel denn als ernstzunehmende Pflicht an. Dabei wandelt sich auch die Non-Profit-PR rasant schnell: Beflügelt durch die digitalen Medien werden Botschaften immer professioneller und somit schneller bzw. gezielter unter das Volk gebracht. Aber nicht nur die technogische Entwicklung sorgt dafür, dass man sich im Non-Profit-Bereich stärker um die Öffentlichkeit bemüht – auch mangelde finanzielle Ressourcen der einzelnen Professuren, Lehrstühle etc. bedingen, dass sich immer mehr (Teil-)Bereiche auf den Wettbewerb der Universitäten einlassen. Durch Exzellenzinitiativen o.ä. wird diese Haltung natürlich weiter geschürt. Jetzt kann man sich über die Entwicklung beschweren und sich allein in der Community um Anerkennung bemühen – doch will man das? Denn Wissenschaft heißt auch mit wichtigen Erkenntnissen zu diffundieren in interessierte gesellschaftliche Gruppen, in Wirtschaft und Politik. Ohne ansprechende Kommunikation fällt es aber schwer, genau diese relevanten Gruppen zu erreichen. Oder wie formuliert es Andreas Molitor, brand eins-Redakteur und Autor des o.g. Textes:

  • 1. Axiom: Wer Geld will, muss auch erklären können, wofür er es braucht.
  • 2. Axiom: Wer nur auf die Anerkennung der Kollegen schaut, wird nie populär.
  • 3. Axiom: Wer Journalisten gängeln will, muss sein Bild in der Öffentlichkeit selbst malen.

Treffender könnte man die Anforderungen an Wissenschaftsmarketing bzw. -PR wohl nicht beschreiben… und gewissermaßen nebenbei das 1. Axiom von Watzlawick, Beavin und Jackson (1969) unterstreichen: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ (ebd., S. 53)

* Der Begriff „Science Pop“ stammt von Winfried Göpfert.

Ökonomische Bildung: ein Tertium comparationis?

Im Kern wird kaum jemand behaupten, dass Ökonomische Bildung unwichtig sei. Schließlich werden immer mehr Prozesse in der Lebens- und Arbeitswelt ökonomisiert und man sollte dabei in der Lage sein, den Überblick zu behalten bzw. sich verantwortlich entscheiden zu können. Problematisch wird es erst, wenn es um die formale Integration von Ökonomischer Bildung in die einzelnen Curricula geht. Hier gibt es nach wie vor eine große Zurückhaltung, bspw. gegenüber einem Fach „Wirtschaft“. Ursachen liegen vor allem in dem Verständnis von Bildung bzw. in der Auslegung des humanistischen Bildungsideals, das in Deutschland nach wie vor große Tradition hat. Ohne an dieser Stelle zu sehr werten zu wollen, möchte ich auf einen Text von Andreas Liening (2004) hinweisen, auf den Frank mich vor ein paar Tagen aufmerksam gemacht hat (danke!). Der Autor zeigt aus meiner Sicht die Bedeutung Ökonomischer Bildung schlüssig auf und formuliert dabei Gedanken, wie man diese als Teil von (humanistischer) Allgemeinbildung verstehen kann. „Wenn die Ökonomische Bildung eines Bürgers theoretisch an der Fähigkeit gemessen werden kann, ob er Verantwortung im Wirtschaftsleben tragen kann, also ökonomisch begründet Entscheidungen treffen, Handlungssituationen mit ökonomischen Konzepten analysieren, sich z.B. konstruktiv an der Weiterentwicklung der Wirtschaftsordnung beteiligen, sich kritisch aufgeschlossen gegenüber der Grundordung der Sozialen Marktwirtschaft zeigen kann etc., dann muss als Konsequenz eine Integration Ökonomischer Bildung in die Allgemeinbildung gefordert werden.“ (ebd., S. 15) Neben der klar positiven Haltung gegenüber Ökonomischer Bildung in den einzelnen Curricula weist Liening darauf hin, dass wissenschaftsanaloges Lernen für ein Fach „Wirtschaft“ nicht ausreiche (ebd, S. 7). Vielmehr zeigt er auf, warum insbesondere Ökonomische Bildung erfahrungsanalog vermittelt werden sollte. Dazu gehören seiner Meinung nach das entdeckende Lernen nach Bruner (1972) und das verstehende Lernen nach Klafki (1989) genauso wie das genetische Lernen (z.B. Wagenschein, 1975). Erfahrungen im Wirtschaftsalltag würden so zum Horinzont, vor dem Wissen auf seine praktische Bedeutsamkeit hin geprüft wird (ebd., S. 10). Er folgert schließlich: „Ökonomische Bildung ist das Tertium comparationis zwischen Wirtschaftswissenschaft und Erfahrung im Wirtschaftsalltag.“ (ebd.) Wenn man den Text so liest und vor allem die Erfahrungen mit dem Wirtschaftsprojekt business@school hinzuzieht, kann man diese Überlegungen guten Gewissens unterstreichen. Allerdings – und da bin ich bei der Relativiertung – sollte man nicht vergessen, dass es neben der Wirtschaft auch andere Fächer/Disziplinen gibt. Will man möglichst breite Lehrpläne beibehalten, besteht die große Herausforderung darin, alle Ansprüche (wie auch immer) „unter einen Hut“ zu bekommen.

Unternehmen "Universität"

Die Ökonomisierung der Bildung lässt mich nicht los. Am Montag hat der dritte und letzte Workshop unserer Reihe „Ist die Ökonomisierung der Bildung ökonomisch?“ mit der Hanns-Seidel-Stiftung stattgefunden, bei dem dieses Mal der Kontext „Hochschule“ beleuchtet wurde (Tamara und Frank berichten bereits). Auch wenn die Diskussionen später nicht so scharf wie erwartet verliefen, haben Prof. Hermann (TU München) und Prof. Mittelstraß (Uni Konstanz) anfangs doch idealtypisch zwei Positionen verkörpert, die ich per se interessant fand. Hermann stand für den Wissenschaftsmanager, der „seine“ Universität durch unternehmerisches Denken an Deutschlands Spitze gebracht hat. Überrascht hat mich seine Haltung gegenüber der Akkreditierungsthematik (nur drei Studiengänge der TU sind akkreditiert!) und gegenüber Drittmitteln (trotz 180 Mio. Euro Drittmitteleinnahmen betont er die Unabhängigkeit von Forschung und Lehre). Mittelstraß dagegen kritisiert das Ökonomische derart, dass die Ökonomie nicht mehr wie früher dienend, sondern inzwischen herrschend über den Menschen und seine Bedürfnisse ist. In der Folge wird etwa Wissen als Ware begriffen und ein Verwertungsdruck des erworbenen Wissens entsteht. Wie bei den anderen beiden Workshops liegt die Wahrheit vermutlich einmal mehr in der Mitte (auch der Verein „Ökonomie & Bildung“ steht für ein aufgeklärtes Ökonomieverständnis). Bei den Statements und der folgenden Diskussionsrunde sind für mich allerdings drei Fragen offen geblieben:

  1. Leuchttürme vs. Otto-Normal-Universität: Welche Prinzipien sind von der einen auf die andere Hochschule übertragbar?
  2. Partizipation von Studierenden vs. Kundenorientierung: Wie gelingt es, unter Studierenden eine Kultur der Beteiligung zu schaffen?
  3. Gute Lehre vs. derzeitiger Betreuungsschlüssel: Wie kann man die Betreuung von Studierenden verbessern, wenn im Mittelbau kaum Ressourcen zur Verfügung stehen?

Alle Fragen machen natürlich große „Fässer“ auf; allerdings sollte man sie im Auge behalten, wenn man künftig vom Unternehmen „Universität“ spricht. Und wer das Thema vertiefen möchte, sollte sich den gleichnamigen Artikel von Heiner Keupp ansehen. Dort werden die zahlreichen Spannungsfelder, mit denen Universität im 21. Jahrhundert konfrontiert wird, aufgegriffen und kritisch reflektiert. Sehr lesenswert.

Geteilte Meinungen: Phoenix-Runde zu PISA-Ergebnissen

In der gestrigen Phoenix-Runde wurde heiß über die neuen PISA-Ergebnisse diskutiert. Es ging viel um die Schule, aber auch um das deutsche Bildungssystem generell und um die Wirksamkeit von Testverfahren zur Erhebung von (Schüler-)Leistungen. Eine interessante Sendung für all dienigen, die sich mit Bildungsthemen auseinander setzen (und angesichts unserer Workshopreihe mit der Hanns-Seidel-Stiftung eine schöne Ergänzung zum aktuellen Stand der Diskussionen).

Finale, oh oh, Finale, oh oh oh

Am Anfang unserer Workshopreihe mit der Hanns-Seidel-Stiftung wurde noch eifrig hinterfragt, was der Titel „Ist die Ökonomisierung der Bildung ökonomisch?“ eigentlich soll. Der eine oder andere hielt ihn für unlogisch oder stilistisch nicht schön. Ich denke, diese Kritik (u.a. von Prof. Kluge) können wir ganz gut verkraften; nach zwei Veranstaltungen hat sich die Namensgebung bereits als guter Diskussionsanker bewährt. Jetzt steht mit dem Thema „Universität“ der dritte und letzte Workshop unserer Reihe ins Haus. Passend zum „Finale“ werden mit Dr. Ludwig Spaenle (Bayerischer Staatsminister für Unterricht und Kultus), Prof. Dr. Dr. h. c. Wolfgang Herrmann (Präsident der Technischen Universität München) und Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Jürgen Mittelstraß (Zentrum für Philosophie und Wissenschaftstheorie, Universität Konstanz) besonders vielversprechende Gäste erwartet. Über den inhaltlichen Schwerpunkt des Abends lässt sich viel spekulieren; ich bin mir allerdings sicher, dass die Bologna-Reform einen großen Bestandteil einnehmen wird. Evtl. ist auch das „neue“ Menschenbild ein Diskussionspunkt, denn hier treffen mit den Professoren Herrmann und Mittelstraß sehr konträre Meinungen aufeinander. Wer sich für die Veranstaltung interessiert, kann sich wie gewohnt gern an mich wenden.

Schule und Ökonomisierung – ein streitbares Thema

Heute fand der zweite Themenabend unserer Reihe „Ist die Ökonomisierung der Bildung ökonomisch?“ statt. Kernthema war dieses Mal die Schule. Streitbare Themen zur Schule gibt es viele, angefangen bei G8 und Ganztagsschule über das dreigliedrige Schulsystem und die Lehrerausbildung bis hin zur Autonomie und Öffnung der Schule. Alle Themen sollten mehr oder weniger deutlich zur Sprache kommen; vor allem haben aber die Redner dieses Mal versprochen, was wir uns von ihnen erhofft haben: Kontroversen (im Gegensatz zum Themenabend „Kindergarten“, wo ich weichgespülte Meinungen beklagt hatte). Nach einem kurzen Eingangsstatement von Prof. Fritz Böhle folgte Josef Erhard, Amtschef im Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus. Im Anschluss an seine Rede hätten wir im Prinzip aufhören können, denn sein Plädoyer für ein neohumanistisches Bildungsverständnis ist nachvollziehbar und im weitesten Sinne auch wünschenswert. Wer will nicht (Bildungs-)Traditionen in die Zukunft hinüberretten und den Wandel der Berufswelt in der Bildung berücksichtigen?

Trotz der grundsätzlichen Zustimmung (und wegen der Chronologie des Programms ;-)) folgte im Anschluss Prof. Bernd Zymek. Von seinen fünf Thesen sind mir besonders zwei in Erinnerung geblieben: die Skizze eines „neuen“ Menschenbilds und die Problematisierung der Zeitökonomie. An letzterer Tatsache lässt sich klare Kritik an der Ökonomisierung von Bildung festmachen. Viel zu viel Zeit wird in Bürokratie aufgewendet, ohne einen ersichtlichen Nutzen davon zu haben. Wenig kritisch wurde hingegen das neue Menschenbild hinterfragt. Auch wenn das natürlich nicht Gegenstand einer Diskussion zum Thema Schule sein kann, muss man sich hier schon fragen, ob der unternehmerische Mensch, der flexibel ist und Traditionen ablehnt, wünschenswert ist. Mir kam die Argumentation an manchen Stellen zu durchlässig und zu unreflektiert (im Hinblick auf die Ökonomisierung) vor, was sich später auch anhand des G8 zeigte. Dort hatte ich mir schlicht mehr Aufmerksamkeit für die derzeitigen Probleme von Schülern, Eltern und Lehrern erhofft. Leider werde ich den Eindruck nicht los, dass die Klagen gewissermaßen als Kollateralschäden hingenommen werden – solange, bis sie verstummen. Ich will nicht das G8 zerreden, im Gegenteil, aber die Umsetzung in manchen Bundesländern (auch in Bayern!) bereitet nun mal Schwierigkeiten. Man kann (und darf) sie nicht verleugnen.

Aber zurück zu den Statements. Nach dem Vertreter der Politik und der Bildung folgte (logischerweise) ein Vertreter der Ökonomie. Ausgehend vom Nutzen für den Einzelnen hat Prof. Ludger Wößmann den Nutzen des Bildungssystems hinterfragt. Denn Wirtschaft könne nie Selbstzweck sein. Interessant an seinem Beitrag fand ich drei Aussagen: Erstens ist mir die Unterscheidung in kurzfristige und langfristige Bedürfnisse aufgefallen, denn sie passte gut zur vorangegangenen Diskussion beim Kindergarten zum Verhältnis von Kosten zu Investitionen (man braucht nicht viele BWL-Kenntnisse, um den Kern zu verstehen). Zweitens war für mich befremdlich, dass Bildungsökonomen die G8-Diskussion anhand des potenziellen BIP-Wachstums führen. Das halte ich für etwas verkürzt. Drittens fand ich spannend, dass selbst aus Sicht des Experten unklar ist, was gute Bildung ist. In dem Zusammenhang kam er z.B. auf ökonomische Bildung in der Schule und später auf die Bedeutung des Wettbewerbs für Schulen zu sprechen. Stünden Schulen in einem Ort im Wettbewerb, sei ihr Output (u.a. bei PISA) besser. Was gute Bildung allerdings auszeichnet, wurde meines Erachtens nicht weiter (oder zu wenig) besprochen.

Im Anschluss an die Statements wurde sehr rege gestritten; dies lag vor allem an der Konstellation des Podiums und an den vorherrschenden (teils gegensätzlichen) Meinungen. Von daher war die Veranstaltung ein voller Erfolg. Gewünscht hätte ich mir allerdings, dass das „Volk“ stärker in die Diskussionsrunde eingebunden würde; immerhin kamen aus dem Plenum sehr gute Anregungen. Auch die Steilvorlage von Helge Städtler hätte man gut für ein Fazit zur Ökonomisierung „benutzen“ können. So blieb am Ende ein Stück weit offen, was man genau unter dem Begriff versteht und wie wir die Ökonomisierung beim Einzelnen verorten müssen. Vielleicht können wir die ungeklärten Fragen zum Themenabend Universität hinüberretten, der am 8. Dezember stattfindet. Wir dürfen gespannt sein.

Ist die Ökonomisierung der Bildung ökonomisch? Thema Schule

Der erste Themenabend zum Kindergarten ist vorüber, der zweite folgt sogleich: Am 10. November 2008 werden wir zusammen mit Josef Erhard, Amtschef im Bayerischen Ministerium für Unterricht und Kultus, Prof. Dr. Bernd Zymek, Erziehungswissenschaftler der Universität Münster, und Prof. Dr. Ludger Wößmann, Bildungsökonom an der LMU über die Ökonomisierungstendenzen an der Schule diskutieren. Zu erwarten ist, dass v.a. das G8 und die damit verbundenen Probleme bei der Implementation großen Raum einnehmen werden. Weitere Diskussionsanker können sein: der Stellenwert von Projektarbeit in der Schule, die Verlängerung der Primarstufe oder das mangelnde Feedback in der Lehrerausbildung. Ihr seht: Es gibt viel zu (be)sprechen!

Die Veranstaltung findet wieder bei der Hanns-Seidel-Stiftung in München statt. Wer mehr darüber wissen will, kann sich bei Frank den Flyer ansehen oder mich bei Interesse einfach ansprechen.