Podium: „OER in der Filmvermittlungsarbeit“ #VisionKino14

Aktuell bin ich auf dem Kongress VISION KINO 2014, der sich im Herzen Kölns allen wichtigen Themen rund um Filmbildung widmet. Dazu gehört inzwischen auch das Thema OER, das bereits beim Veranstaltungsauftakt durch Ludwig Hecke, Staatssekretär im Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen, angesprochen wurde und sich seitdem durch die Veranstaltung zieht. Ein Podium widmete sich sogar explizit den freien Bildungsressourcen und den Facetten, die sich beim Medium Film – bspw. im Vergleich zu Textmedien – ergeben. Ich selbst sollte auf diesem Podium „zuständig“ sein für die didaktische Seite, wie mir Michael Kaden, Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg / KMK, meine Aufgabe beschrieb.  Diese Aufgabe habe ich gern vor Ort wahrgenommen. Da meine schriftlich formulierten Statements jedoch nur in abgewandelter oder zugespitzter Form zum Tragen kamen, stelle ich die vier Thesen an dieser Stelle nun nachträglich zur Verfügung.

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Thesenpapier zur Podiumsdiskussion am 4.12.2014 zu
„Open Educational Resources (OER) in der Filmvermittlungsarbeit“
auf dem Kongress VISION KINO 2014

These 1: Open Educational Resources sind mehr als nur (Unterrichts-)Materialien.
Gemeinhin versteht man unter Open Educational Resources frei zugängliche Bildungsmaterialien zur Nutzung in Unterricht und Schule, aber auch in anderen Bildungsinstitutionen und darüber hinaus. Dieses Verständnis von OER greift meines Erachtens aber zu kurz: Es fokussiert lediglich ein wesentliches Charakteristikum, nämlich die freie Zugänglichkeit von Medien, die sich wiederum am besten oder am ehesten in sich manifestierenden Materialien zeigt. OER ist aber weitaus mehr, nämlich auch eine Idee, wie man Bildung einer größeren Gruppe ermöglicht (im Sinne von Open Education) oder – allgemeiner gesprochen – Kontexte variantenreich und offen gestaltet (im Sinne von Open Educational Practices).

These 2: Die Beschäftigung mit Open Educational Resources fordert umfassende(re) Medienkompetenzen ein.
Während die „Materialfrage“ vor allem technisch-instrumentelle Medienkompetenzen adressiert, setzt eine breite Auffassung von OER zusätzlich ein weites Medienkompetenzverständnis voraus: OER helfen dann dabei, neben Wissen über Medien und ihrer selbstverständlichen Nutzung in diversen Bildungs- oder alltagsnahen Kontexten auch Medien in unterschiedlicher Weise zu rezipieren, gemeinsam zu bearbeiten und kreativ zu verändern. Letzteres ist allerdings nicht unproblematisch, da so neben konkreten Lehr-Lerninhalten und ihrer didaktischen Gestaltung medien- bzw. urheberrechtliche Fragen berührt und etwa in der konkreten Unterrichtssituation gestellt werden. Solche Problematiken zeigen sich umso eher, wenn bei Medien wie Film Urheberinnen und Urheber nicht (mehr) eindeutig zu kennzeichnen sind oder sich durch die gewählte, mediale Form Unterschiede zwischen Trägermedien ergeben. Zur adäquaten Beurteilung werden schließlich umfassendere Medienkompetenzen über bloße technische Fähigkeiten in deren Gebrauch nötig.

These 3: Die Remix-Kultur, auf die OER oft aufsetzt, muss nicht im Widerspruch zu gewohnten Verfahren in der Medienproduktion stehen.
Zu aktiver Medienarbeit innerhalb und außerhalb der Schule gehört zwar die gemeinsame Produktionsphase, eine kollektive Veränderung von Medien – das sog. Remixen – ist dabei aber weder bei Text noch bei Film vorgesehen. Doch gerade dieses Remixen ist für die Medienkompetenzentwicklung bei Lernenden (und bei Lehrenden!) interessant: Durch die gemeinsame Produktion und Veränderung von Medien lassen sich diese in Form und „Charakter“ begreifen – bis hin dazu, dass ansonsten oft schwer vermittelbare Inhalte wie Medien- und Urheberrecht am Anwendungsfall plastisch werden, denn: Wem gehören eigentlich Medienprodukte, die „gemixt“ werden? Kaum ein anderer Kontext macht es Lernenden leichter, sich mit Rechtsfragen auseinanderzusetzen und gemeinsam nach Optionen zu suchen, bisher gültiges Medien- und Urheberrecht um passende Schutzbedingungen im Social Web zu erweitern. Entsprechende Lizenzen wie Creative Commons etc. dürften hier nur ein Anfang für neue Verfahrensweisen und Handlungspraktiken sein.

These 4: OER fördern „gute Schule“.
In vielen Bundesländern wird eine integrative Form der schulischen Medienbildung betrieben. D.h. es gibt kein eigenes Fach Medien oder die Verbindlichkeit, sich mit Medien in Unterricht und Schule zu beschäftigen. Auch der Deutsch- oder Informatikunterricht – die naheliegenden Fächer – kann diese Beschäftigung bei engen Stoffplänen oder anderen, ebenfalls wichtigen Themenbereichen nicht leisten. Durch die Verwendung von OER steigt aber zumindest die Wahrscheinlichkeit, dass sich Lehrerinnen und Lehrer, aber auch Schülerinnen und Schüler sukzessive Gedanken um den Einsatz und die Verwendung von (Unterrichts-)Materialien, aber eben auch um deren gemeinsame Weiterentwicklung und passende didaktische Szenarien machen. Da sich Schule so durch das trojanische Pferd der Medien zu guter Schule weiterentwickeln kann, wird OER nicht zuletzt in einen engen Zusammenhang mit institutionalisierten Formen des Lernens gebracht. Und damit wird letztlich erneut die Frage danach aufgeworfen, wer eigentlich für OER und dessen Initialisierung und Umsetzung in den Schulen vor Ort zuständig ist – und natürlich auch warum.

Mediendidaktik zwischen Wissenschaft und Praxis

… lautet die Überschrift der Rezension, die ich zur Einführung in die Mediendidaktik von Dominik Petko verfasst habe. Die Rezension ist seit einigen Tagen auf den Seiten der Online-Zeitschrift Medienpädagogik verfügbar, weshalb ich an dieser Stelle kaum mehr Worte über das Buch verlieren will. Statdessen möchte ich ergänzend auf Gabis Beitrag verweisen, der sich ebenfalls der Einführung widmet und meine Ausführungen sicherlich sehr gut ergänzt.

Erschienen: Gemeinsame Analyse und Produktion digitalen Lernmaterials

Im Hamburger eLearning-Magazin ist in dieser Woche unser Artikel über die „Gemeinsame Analyse und Produktion digitalen Lernmaterials“ erschienen, der ein Lehrveranstaltungsszenario an der Fakultät für Kultur- und Geisteswissenschaften an der PH Heidelberg nachzeichnet und Perspektiven zur Kooperation zwischen Deutsch- und Mediendidaktik aufmacht.

Aus dem Abstract:
„Die LehrerInnenausbildung sieht sich mit ständig neuen Anforderungen zwischen Unterricht, Schule und Lebenswelt konfrontiert. Dazu gehört auch der adäquate Umgang mit „den Medien“. Entsprechende Bedeutsamkeit erlangen in der LehrerInnenausbildung mikrodidaktische Konzepte zur Förderung von Medienkompetenzen, die teils in den Fachdidaktiken verhaftet sind und aktuelle mediale Phänomene in den Mittelpunkt rücken. Ein solches Phänomen, das aktuell Auswirkungen auf die LehrerInnenausbildung hat, sind digitale Lernmaterialien: Das (Leit-)Medium Buch wird zunehmend digitalisiert und immer öfter um andere Darstellungs- und Interaktionsformen erweitert („enhanced“). So wird beispielsweise das Sprach- und Lesebuch seitens der Verlage durch weitere Medienangebote (z.B. Hörlinks, interaktives Übungsmaterial) ergänzt oder LehrerInnen stellen auf frei zugänglichen Plattformen eigene Materialien zur Verfügung. Auf solche Herausforderungen gilt es in der LehrerInnenausbildung zu reagieren: durch die Thematisierung des medialen Wandels, durch die gemeinsame Betrachtung veränderter „Logiken“ in ihrer Gestaltung und Produktion sowie durch eigenes Medienhandeln, um den Kern des Wandels selbst und im Austausch mit Peers zu „be-greifen“ (Schelhowe, 2008, S. 110). Für Unterricht und Schule ist zudem zu fragen, wie man die Qualität des Lernmaterials einerseits sicherstellen kann, andererseits aber neuen oder anderen Repräsentations- und Vermittlungsformen bereits in der LehrerInnenausbildung Rechnung trägt und angehende Lehrpersonen darin ermuntert, den Wandel selbst mitzugestalten (anstelle ihn bloß hinzunehmen oder mit ihm umzugehen).“ (zum Artikel)

Noch läuft das Seminar, weshalb es schwierig ist, neben der Gestaltung auch Aussagen über dessen Wirksamkeit zu treffen. Sichtbar wird aber, dass das kooperative Denken und Arbeiten, welches dem Szenario inhärent ist, durchaus anspruchsvoll ist und die Studierenden sowohl vor Herausforderungen in der inhaltlichen Auseinandersetzung mit Medien als auch in der gegenseitigen Verantwortungsübernahme als Expert/inn/en für ihr Gebiet stellt. Es bleibt daher bis zum Semesterende spannend, zu welchen Ergebnissen die Studierenden in ihren (Teil-)Projekten kommen werden.

Quelle:
Hofhues, S. & Wieland, R. (2013). Gemeinsame Analyse und Produktion digitalen Lernmaterials. Fallbeispiel und Perspektiven zur Kooperation im Fach Deutsch. Hamburger eLearning-Magazin (eLearning in den Geisteswissenschaften), 4, 24-26.

"I wanted to be a good teacher"

Vor ein paar Tagen habe ich eine Expertise gelesen, die mit „I wanted to be a good teacher“ überschrieben ist und von Jürgen Oelkers angefertigt wurde. Die Arbeit ist insofern sehr interessant, als dass die Ausbildungssituation von Lehrern in Deutschland in den Blick genommen wird, um Lehre in Zukunft zu verbessern. Oelkers hält für zentral, dass Lehrer künftig ein anderes Verständnis von Schule entwickeln:

„Die Lehrkräfte müssen ihr Kerngeschäft, den Unterricht, anders begreifen als bisher, nämlich nicht bezogen auf „ihre“ Klasse, sondern auf „unsere Schule“, und dies transparent nach innen wie nach außen.“ (Oelkers, 2009, S. 12)

Als einen Grund, warum diese Denkweise noch nicht realisiert werden konnte und damit Schulentwicklung „ins Stocken“ gerät, sieht Oelkers in den fachbezogenen Rahmenlehrplänen:

„Der Rahmenlehrplan ist ausschließlich auf einzelne Fächer bezogen, die ja auch einzeln in der Schule unterrichtet werden. Dieses Manko ist gravierend, weil interdisziplinärer Unterricht eine der entscheidenden Optionen für die fachliche Entwicklung der Schule ist.“ (Oelkers, 2009, S. 29)

Zu den Fragen, die Schulentwicklung betreffen, gehört auch die Frage nach den Kompetenzen, die angehende Lehrer durch ihre Ausbildung mitbringen sollten. Oelkers fordert hier, in Anlehung an Papiere der KMK (leider nicht online verfügbar), eine Mischung an fachlichen und überfachlichen Kompetenzen ein.

„Die Schlüsselfrage ist, über welche Kompetenzen angehende Lehrkräfte am Ende ihrer Ausbildung verfügen müssen, wo und wie diese erworben werden sollen und mit welchen Mitteln der Erfolg der Ausbildung überprüft werden kann. Professionelle Kompetenzen lassen sich allgemein nach fachlichen und überfachlichen unterscheiden. Die fachlichen Kompetenzen beziehen sich auf Unterrichtsfächer oder schulische Lernbereiche, auf die hin die Lehrkräfte ausgebildet werden. Überfachliche Kompetenzen beziehen sich auf die Fähigkeit, Unterricht zu halten, verschiedene Methoden anzuwenden, zur Schulentwicklung beizutragen oder auch die beruflichen Erfahrungen reflexiv zu bearbeiten.“ (Oelkers, 2009, S. 76, Hervorhebung im Original)

Um diese Kompetenzen zu entwickeln, empfielt er letztlich problemorientiertes Lernen im Lehramtsstudium, denn:

„Das praktische Repertoire der Lehrkräfte, ihr Know-how im Alltag, wird zu Beginn der beruflichen Tätigkeit aufgebaut und lässt sich danach nur noch begrenzt beeinflussen. Die Lehrkräfte ziehen Schlüsse aus der Art und Weise, wie sie die Situationen des Ernstfalls bewältigt haben und was dabei Erfolgsindikatoren gewesen sind. Und sie leiten aus den Erfolgen ihr Könnensbewusstsein ab, das sich nicht aus dem Fachwissen ableitet, sondern mit der Bewährung des Repertoires zu tun hat.“ (Oelkers, 2009, S. 79)

Neben den Fragen der Kompetenzentwicklung beschäftigt sich Oelkers mit dem Image der Schule und dem des Lehrerberufs. Hierbei bezieht er sich im Kern auf die Ergebnisse einer repräsentativen Studie von Köcher (2009), die ihre Folien bei der Vodafone Stiftung online zur Verfügung gestellt hat. Nimmt man diese (viel kritisierten) Ergebnisse zum Ausgangspunkt, scheinen noch erhebliche Lücken zwischen dem zu klaffen, was in der Lehrerbildung gelernt wird, und dem, was „die Öffentlichkeit“ bis heute vom Lehrerberuf denkt.

Danke an Tamara für den Linktipp – sehr interessant!

Köcher, R. (2009). Schulen und Lehrer aus Sicht der Bevölkerung. Unterricht innovativ – Deutscher Lehrpreis. Berlin: Vodafone Stiftung. http://www.vodafone-stiftung.de/upload/pdf/IfD_Allensbach.pdf.

Oelkers, J. (2009). „I wanted to be a good teacher…“. Zur Ausbildung von Lehrkräften in Deutschland. Netzwerk Bildung. Berlin: Friedrich Ebert Stiftung. http://library.fes.de/pdf-files/studienfoerderung/06832.pdf.