What’s on? Revue einer Forschungsreise 

Eine wunderbare Zeit in Sydney, Melbourne und Canberra liegt hinter mir. Viele Eindrücke muss ich noch verarbeiten, Vieles werde ich auch vermissen. 

Den Austausch mit vielen interessanten Personen aus Universität, Schule und Gesellschaft zähle ich definitiv dazu – ebenso wie den sehr guten Kaffee, der sich an jeder Ecke findet. So haben sich meine Cappuccino-Gewohnheiten auch schnell in Richtung des Flat White entwickelt. Man könnte eine ganze Wissenschaft daraus machen, was das eine und was das andere ist. Chocolate on top scheint nach ein bisschen research Kern zu sein. Research betreibe ich aber natürlich anderweitig. So habe ich in meinem zurückliegenden Blog-Beitrag bereits formuliert, dass sich Hochschulbildung in Australien ausgeprägt an Studierenden ausrichtet, in dem Sinne also besonders Studierenden-orientiert oder mehr noch student-centered ist. Allerdings gehört zu dieser Beobachtung stets auch der Kontext, der in vielen Schriften über (bspw.) student-centered learning kaum Erwähnung findet. Er ist scheinbar selbstverständlich geworden, womöglich common sense. Dabei führt er auch einen impliziten Kern mit: dass nämlich das Lehren für australische Universitäten im Fokus und Forschung ihr nachgelagert ist. Lehre darf sogar fun machen und research wird von Studierenden erst aufbauend studiert.

Im Vergleich klingt das Ganze, stark vereinfacht, nach einer Ökonomisierungsstrategie der Hochschulen; mit Blick auf das Wissenschafts- und Bildungssystem und auch aus Sicht von Studierenden mag es weitere Plausibilisierungen geben. Eine davon ist allerdings wiederum das liebe Geld, im Sinne von Voraussetzungen für die Aufnahme eines Studiums, denn: Studieren ist in Australien (wie im gesamten angelsächsischen Raum) sehr teuer. 

In diesem Zusammenhang lassen sich viele weitere Facetten beobachten, die sich als Rahmenbedingungen auf Studier-Gewohnheiten auswirken. Nennen möchte ich sozio-ökonomische Aspekte wie die rental crisis, die sich in Deutschland gleichermaßen zeigt, auf die es derzeit aber noch keine ernsthaften Antworten gibt. Stadt-Land-Differenzen lassen sich nicht immer so klar ausmachen, wie man angesichts der enormen Distanzen meinen könnte, sodass sich auch vor diesem Hintergrund der genauere Blick auf Studierende selbst als zuträglich erweist. So finden sich viele learning spaces, die es vor Ort und/oder online erlauben, dass Studierende in ihrem Tempo lernen. Hybride Formen gehören zur Selbstverständlichkeit und es könnte zu den zentralen Übersetzungsproblemen und damit Missverständnissen gehören, dass diese der Selbstorganisation überlassen würden. So konnte ich in unterschiedlichen Lehrformaten ein professionalisiertes Unterstützungssystem ausmachen, wozu insbesondere gehört, dass (Senior) Lecturer Tutorien übernehmen, nicht studentische Mitarbeitende. Auch student engagement hat sich institutionalisiert. Durch formalisierte Beteiligungstrukturen sind Studierende als student body sogar viel mächtiger, als man meinen könnte. Formen von Beteiligung wurden somit in die unternehmerische Hochschule überführt. Lange Zeit habe ich mit Sorge auf diese Tendenz in Deutschland geblickt, was also aus studentischen Ehrenämtern werden wird, wenn die allgemeine Engagement-Bereitschaft zunehmend zurückgeht und sich Universitäten entlang von Umwelterwartungen weiter und immer weiter transformieren. Die hiesigen Erfahrungen zeigen mir, dass es im unternehmerischen Modell auch Perspektiven für Engagement geben kann und dass die chronische Unterfinanzierung deutscher Hochschulen nicht ständig (z. B. durch Ehrenamt oder Überstunden) kompensiert werden muss. Über die Ikonographie gesponserter Gebäude muss ich noch genauer nachdenken. 

Mit Blick auf das Thema meiner Reise – Normativitäten des Studierens – nehme ich also viel mit, wenngleich sich meine Eindrücke erst langsam „setzen“. Ich bin also nicht mehr ständig damit befasst, nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden zu Deutschland zu suchen. Mein Interesse gilt sukzessive mehr dem Eigenen des hiesigen Bildungs- und Wissenschaftssystems. Und genau dieses Eigene ist halt eigen und verleiht dem Studium einen eigenen Sinn. Es bringt mich persönlich dazu, genauer auf die Standpunkte zu blicken, von denen aus Hochschulbildung jeweils gedacht wird. Wenn sich Universitäten offensichtlich noch im Übergang befinden, sich also sprichwörtlich zwischen den Stühlen ihrer eigenen Organisation wiederfinden, welche Ambivalenzen lässt womöglich genau dieser Status inbetween aufscheinen?

Herbsttagung Medienpädagogik: (M)Ein knapper Rückblick

Eine beeindruckende Herbsttagung liegt hinter uns: 163 Kolleg*innen aus der Medienpädagogik kamen bei uns in Hagen zusammen, um an zwei Tagen über die Zukunft der Medienpädagogik nachzudenken. Am ersten Tagungstag wurde plastisch, welche Diskussionen innerhalb von Medienpädagogik schon lange geführt werden, etwa jene zur Rolle und Bedeutung der Medien im Kontext von Lernen und Bildung. Zugleich wurde offenbar, dass sich die Disziplin der Medienpädagogik immer mit Erwartungen ‚von außen‘ befasst hat, etwa mit solchen, die Politik und Wirtschaft an sie herangetragen haben. So ließe sich auch die Befassung mit Medienkompetenz als politisch intendiert lesen, nicht zuletzt mit Blick auf Medienpädagogik als Profession. In einer Zeit, in der Referenzen zu Medienkompetenz und Medienbildung angesichts von Forderungen z. B. nach Datenkompetenz(en) verblassen, war das sicherlich eine hervorzuhebende Erkenntnis. Wie Medienpädagogik mit Umwelterwartungen in der Digitalität umgehen kann, rückte dann in den Fokus unterschiedlicher Podien und Vorträge. Und die meisten von ihnen nahmen den Ausgang beim Status quo: bei den vielen (Medien-)Phänomenen und Fragen, die uns aktuell beschäftigen, auch über ChatGPT hinaus. Das Kamingespräch am Abend machte zugleich den Fokus auf das Lernen deutlich, der innerhalb formalisierter Bildungskontexte derzeit vorrangig ist, und es gab auch einen Aufruf zur Beteiligung: an bildungspraktischer Arbeit. Der zweite Tagungstag hat diese politisch gelagerte Diskussion fachwissenschaftlich weiter gerahmt und es wurde der Fokus – meiner Einschätzung nach – immer intensiver auf Fragen im Kontext von (medienpädagischer) Kooperation gelenkt. Was das nun für eine Zukunft der Medienpädagogik heißt, wird noch weiter zu diskutieren und zu fundieren sein. Auch daher sind alle Beitragenden eingeladen, einen Artikel für das Jahrbuch 21 zu verfassen. Last not least möchte ich auf die Aufzeichnungen von der Tagungseröffnung verweisen, die inzwischen zur Verfügung stehen: https://www.fernuni-hagen.de/mpaed2023/aufzeichnungen.shtml So oder so gab es also von der Tagung viel ‚mitzunehmen‘, Schlafmangel inklusive.