Studentische Partizipation

So früh habe ich vermutlich noch nie einen Call for Papers (mit) auf den Weg gebracht – und nicht zuletzt deswegen hoffe ich darauf, dass die viele Zeit, die nun interessierten Beitragenden zur Verfügung stehen wird, möglichst auch zu vielen Einreichungen führen wird 😆.

ZfHE 19/3 | Studentische Partizipation (hrsg. von Peter Tremp, Mandy Schiefner-Rohs und mir) | Aus dem Themenschwerpunkt:

„In seinen „Empfehlungen für eine zukunftsfähige Ausgestaltung von Studium und Lehre“ plädiert der deutsche Wissenschaftsrat u. a. für „Austausch- und Partizipationsformate für eine aktive Mitgestaltung“ (S. 49). Studierende „sollten als verantwortungsvolle Mitgestalterinnen und Mitgestalter ihrer Lernprozesse in die Planung und Qualitätsbewertung von Studienangeboten eingebunden werden und sich auch aktiv daran beteiligen“ (S. 50). Notwendig dafür sei beispielsweise, strukturelle Hürden für studentisches Engagement abzubauen oder gezielt über die Möglichkeiten und über den Mehrwert des studentischen Engagements zu informieren (S. 51–52). Partizipation, so gesehen, würde sich heute vor allem auf Aspekte der Mitgestaltung von Lehre beziehen. Dies wiederum erinnert vor allem an den lateinischen Begriff der universitas magistrorum et scholarium, an das Bild der Universitas als Gemeinschaft der Lehrenden und Studierenden, also an die vorneuzeitliche, sich selbst verwaltende Gemeinschaft von Lehrenden und Scholaren. Und es erinnert beispielsweise an Diskussionen und Aushandlungsprozesse der Hochschulreformen in den 1960er- bzw. 1970er-Jahren. Und nicht zuletzt präsentiert „Aktive Mitgestaltung“ ein Konzept, das in zentralen Punkten der heute oft bemühten Metapher der „Studierenden als Kund:innen“ und der Lehre als Dienstleistung entgegentritt und in der englischsprachigen Diskussion im Postulat „Students as partners“ zusammengefasst wird. So verstandene Partizipation an Bildung und Hochschule, aber auch am Studium selbst rückt aktuell wieder mehr ins Bewusstsein: Gegenwärtige gesellschaftliche Entwicklungen (z. B. die Corona-Krise, Care-/Arbeits-Verpflichtungen) führen beispielsweise vor Augen, dass studentische Partizipation voraussetzungsvoll ist, wenn Interaktionen ausbleiben, wenn Studierende vermehrt zu Hause leben und/oder an Universität und Hochschule auch aus sozioökonomischen Gründen nicht mehr so teilhaben, wie es in einem Konzept akademischer Bildung vorgesehen war bzw. ist.

Angesichts dieser unterschiedlichen Zugänge zum Thema studentischer Partizipation interessieren uns mehrere Fragen, so etwa: Wie konkretisiert sich eine Partnerschaft zwischen Studierenden und Lehrenden, die sich in bildungs- und wissenschaftspolitischen Dokumenten meistens als Zusammenspiel von Dozierenden und Studierenden versteht? Wird Partizipation hier als Beteiligung an Forschungsprojekten oder in der Gestaltung der Hochschule in den damit verbundenen Gremien verbunden? Und insbesondere: Wie gestaltet sich studentische Partizipation in der Lehre? Erste Formen kommen einem rasch in den Sinn: Etwa, wenn Studierende Referate halten und dabei zwischenzeitlich die Rolle als Lehrende einnehmen. Oder wenn Studierende als Tutor:innen tätig sind, wenn Studierende hier und dort auch Lehrinhalte und/oder -methoden wählen können oder in so gesehen formativen Lehrevaluationsformen eingebunden werden. Wie lassen sich solche Partnerschaften aber systematisieren? Welcher Mehrwert (und für wen) ist damit verbunden? Wie wird Beteiligung realisiert und welche Adressierungen und Machtverhältnisse werden implizit verstärkt? Und: Geht es wirklich um Partizipation oder liegen nicht oftmals pseudo-partizipative Bedingungen vor, über die Studierende zwar formal beteiligt, dann aber doch nicht erst genommen werden? Was sagen Studierende selbst dazu und sehen sie Optionen für eine Teilhabe an Hochschulen? [weiterlesen]“

Abschlussvortrag: Lehre und Studium 4.0. Digitalisierung der Hochschulwelt – Segen oder Fluch? (10. GEW-Wissenschaftskonferenz)

In der letzten Woche fand die 10. Wissenschaftskonferenz der GEW in Budenheim bei Mainz statt. Das übergeordnete Tagungsmotto lautete „Lust oder Frust? Qualität von Lehre und Studium auf dem Prüfstand“ und versprach umfassende Diskussionen über (tages-)aktuelle Themen im Hochschul- und Wissenschaftskontext (zum Programm). Mir kam im Rahmen dieser Veranstaltung die Aufgabe zu, mit einem Abschlussvortrag am Samstag die Tagung zu rahmen. Und natürlich sollte es in der ‚closing lecture‘ um Digitalisierung gehen, verkürzt um die ambivalente Frage, ob diese Segen oder Fluch sei. Antworten habe ich im Vorfeld schriftlich festgehalten und stelle ich an dieser Stelle in Form meines Vortragsmanuskripts gerne zur weiteren Verwertung und Diskussion Verfügung (.docx | .pdf).

Von fliegenden Teppichen und Flickenteppichen

Eigentlich wollte ich ‚nur‘ einen Beitrag über die OERlabs schreiben. Immerhin sind sie seit einem Jahr aktiv und sie konnten sich in kurzer Zeit in den beteiligten Unis als physische und symbolische Räume für OER entfalten. Die meisten Aktivitäten und Materialien sind auf oerlabs.de gut dokumentiert, weshalb ich auf die Tür-öffenende Funktion des Projekts für OER weniger eingehen möchte (siehe dazu ggf. unseren Synergie-Beitrag). Stattdessen finde ich erstaunlich, in welch kurzer Zeit die Teppich-Metapher im Zusammenhang mit dem Projekt greift. So haben sich unter dem OER-Teppich allerhand Fragen und Themen angesammelt, die offenbar nicht übergreifend bearbeitet wurden, bis er angehoben wurde. Mit den OERlabs geht es demnach nicht nur darum, durch offene Türen im Bereich Medienbildung zu gehen, sondern vor allem auch um strukturelle Fragen der Lehrer*innenbildung und Fragen der Zusammenarbeit, die letztlich mit unterschiedlichen Forschungs- und Entwicklungsprojekten zwischen Subjekt, Hochschule und Medien angesprochen sind.

In den Multistakeholder-Dialogen zu OER wird der Teppich gewissermaßen ausgeklopft. Zig Fragen und konkrete Perspektiven für OER wurden aufgewirbelt und liegen nun ‚da‘. Um einen Flickenteppich handelt es sich sicherlich dann, wenn kein kohärenter Rahmen in Bezug auf Medien/Bildung an der Hochschule gefunden werden kann. Ein Artikel mit Mandy in der Online-Zeitschrift Medienpädagogik gibt ggf. Aufschluss darüber, wie Lösungsansätze aussehen könnten (wobei der Begriff ‚Lösung‘ hier ein großes Wort ist … zum Artikel). Persönlich hoffe ich natürlich darauf, dass der Teppich eher ein fliegender – ein mythisches Fortbewegungsmittel – ist, damit die bildungspolitische Debatte um OER nicht ins Stocken gerät. Aber Metaphern wären keine Bilder, wenn sie nicht unterschiedlich interpretiert und angesehen werden könnten. Auch eine Handlungsaufforderung muss aus einer Metapher und vielen Gesprächen erst abgeleitet werden.

Zu Gast: im VC bei e-teaching.org

Es macht immer wieder Freude, bei e-teaching.org im virtuellen Klassenzimmer (VC) zu Gast zu sein und zu aktuellen Themen mit der Community ins Gespräch zu kommen. So läuft derzeit das Themenspecial „Social Media – Social Learning“, das aus meiner Sicht viele brennende Fragen aufgreift: bspw. die Frage danach, wie man Studierende online beteiligen könnte. Sie stand auch im Fokus der heutigen Session, die – wie gewohnt – von Anne Thillosen moderiert und inhaltlich von Silvia Hartung (Uni der Bundeswehr), Simon Retzmann (Student, Ruhr Uni Bochum) und mir sowie von recht vielen Teilnehmenden gestaltet wurde (in der Hochzeit waren es um die 80 Personen – eine ganze Menge!). Inzwischen kann man die Session auch online einsehen und meine Folien bei Slideshare abrufen, sodass alle Inhalte im Nachhinein nachvollziehbar sein sollten.

Insgesamt hatte ich den Eindruck, dass die Session recht lebendig war, aber doch einige Fragen offen geblieben sind. Ich würde daher gerne Annes Hinweis aufgreifen und zur weiterführenden Diskussion einladen: sei es hier durch weitere Kommentierungen oder Fragen oder auf Facebook, wo möglicherweise ebenfalls Anschlussdiskussionen stattfinden. Für mich nehme ich mit, dass Studierende durchaus Interesse an Peer Feedback haben und dann vor allem der Umgang mit Kritik (Stichwort: negatives Feedback) zu üben wäre. Solche Überlegungen stehen m.E. im Zusammenhang mit dem individuellen Lernfortschritt, aber auch mit einem Verständnis von Bildung durch Wissenschaft. Beim forschenden Lernen ist nämlich Kritik (und das permanente Üben von Kritik) ein wesentlicher Modus – genauso wie in der Wissenschaft selbst.

Beitrag: „Bildungsmedien zwischen Sozialisation, Partizipation und Öffentlichkeit“

Damit es nicht im Semesterbeginn untergeht, möchte ich in aller gebotenen Kürze noch auf unseren Beitrag zur Tagung „Medien, Wissen, Bildung“ der DGfE-Sektion Medienpädagogik und des interfakultären Medienforums Innsbruck hinweisen. Unter dem Motto „Bildungsmedien zwischen Sozialisation, Partizipation und Öffentlichkeit“ haben Kerstin Mayrberger und ich sieben Jahre nach Initiierung des Projekts w.e.b.Square auf dessen aktuellen Stand (zurück-)geblickt – und vor allem offene Fragen hinsichtlich der Fortführung des (Medien-)Projekts aufgeworfen, die uns bei allem Erfolg vergangener Tage inzwischen beschäftigen. Unter medienpädagogischem Blickwinkel ging es uns daher um drei Perspektiven auf das Projekt (aus dem Abstract):

„Die Produktion von Bildungsmedien stellt (1) Bezüge zur aktiven Medienarbeit (Schell, 1993) und deren Zielsetzungen durch die selbsttätige Auseinandersetzung im Kontext Hochschule her. Die veränderten Sozialisationsbedingungen im Umgang mit Bildungsmedien legt (2) die Auseinandersetzung mit der tatsächlichen Partizipation (Mayrberger, 2012) insbesondere von Studierenden bei der Produktion dieser Art von Bildungsmedien und deren Rezeption nahe. Herausgegriffen wird (3) die öffentliche Dimension (Hofhues, 2010), die zu w.e.b.Square als Journal gehört und die bezogen auf die Partizipation der Studierenden am Projekt flankierend wirkt. Somit lässt sich am Beispiel w.e.b.Square verdeutlichen, welche Herausforderungen sich im Geflecht von Sozialisationsbedingungen von Studierenden, ihrer Bereitschaft zur Partizipation und Möglichkeiten der Veröffentlichung ergeben.

Zusammenfassend steht im Beitrag die Partizipationsproblematik als Sozialisationsproblematik für den Umgang mit Bildungsmedien an der Hochschule im Vordergrund. Mit dem vertretenen Verständnis wird mindestens ein erweiterter Kontext zur Entwicklung akademischen Lehrens und Lernens aufgezeigt ebenso wie eine neuerliche Diskussion um eine (veränderte) Lehr- und Lernkultur mit/durch Medien aufgeworfen.“

Da ich aufgrund des Semesterauftakts in Heidelberg nicht nach Innsbruck reisen konnte, habe ich meinen Impuls zum Projekt w.e.b.Square vorab auf Video aufgezeichnet (danke, Carlo!) und ins Netz gestellt. Kerstin hat dann vor Ort die theoretische Einordnung und Weiterführung des Beitrags übernommen, worüber ich ihr sehr dankbar war/bin. Allerdings führt dies auch dazu, dass ich lediglich über den Beitrag, nicht aber über etwaige Diskussionen im Zusammenhang damit berichten kann. Das wird aber bestimmt an anderer Stelle nachgeholt. 🙂

Literatur

  • Schell, F. (1993). Aktive Medienarbeit mit Jugendlichen. Theorie und Praxis. 2. überarbeitete Aufl. kopaed: München.
  • Hofhues, S. (2010). Die Rolle von Öffentlichkeit im Lehr-Lernprozess. In S. Mandel, M. Rutishauser & E. Seiler Schiedt (Hrsg.), Digitale Medien für Lehre und Forschung (S. 405–414). Reihe Medien in der Wissenschaft (Band 55). Münster: Waxmann.
  • Mayrberger, K. (2012). Partizipatives Lernen mit dem Social Web  gestalten: Zum Widerspruch einer ,verordneten Partizipation‘. Medienpädagogik 21. http://www.medienpaed.com/21/mayrberger1201.pdf

 

Studentische Zusammenarbeit im Netz – Segen oder Fluch? Aufruf zur Beitragseinreichung

Zum dritten Mal ruft die studentische Online-Zeitschrift w.e.b.Square zu Beiträgen aus den Hochschulen und Universitäten auf. Das Thema des diesjährigen Aufrufs lautet: „Studentische Zusammenarbeit im Netz – Segen oder Fluch?“ Gesucht werden Beiträge von Studierenden, die sowohl wissenschaftlicher Natur sein können als auch Ideen, Meinungen etc. spiegeln dürfen. Der vollständige Call findet sich zur Weiterreichung an die Studierenden bei Slideshare. Ergänzende Informationen finden sich auf der Website des Instituts für Medien und Bildungstechnologie. Das w.e.b.Square-Team freut sich auf viele Einreichungen!


Wie soziale Netzwerke unser Leben prägen

Vor ein paar Tagen wurde ich gebeten, einen Kommentar für das Gesellschaftertagebuch der Aktion Mensch zu schreiben. Um ehrlich zu sein, wusste ich erst mal gar nicht, wohin mit der Anfrage, denn: Die Kampagne ist in den letzten Wochen und Monaten an mir vorbeigegangen. Doch irgendwie fand ich die Anfrage spannend und zudem passend für eine Zeit, die vermutlich nicht nur in Augsburg mit „Social Networks“ überschrieben ist (wer es nicht mitbekommen hat: Am Freitag findet die w.e.b.Square-Tagung zu diesem Thema statt). Jedenfalls habe ich in meinem Beitrag versucht, die Entwicklung des Internets und damit zusammenhängend einige Veränderungen aufzuzeigen, die sich (natürlich!) auch auf das Zusammenleben von Menschen auswirken. Leider kann ich den Beitrag aktuell noch nicht online stellen, werde ihn aber Freitag verlinken (für diesen Tag wurde die Veröffentlichung zugesagt). An vielen Stellen kann und muss der Beitrag an der Oberfläche bleiben, denn die Zeichenzahl für den Tagebucheintrag ist begrenzt. Ich will daher hier die Gelegenheit nutzen und nochmals auf drei Studien verweisen, die ich in Punkto Nutzungsverhalten für grundlegend halte. Erstens ist die Studie von Schmidt, Paus-Hasebrink, Hasebrink und Lambert (2009) zu erwähnen, die sich mit dem Heranwachsen im Social Web auseinandersetzt. Daneben bieten zweitens die ARD-/ZDF-Online-Studie und drittens die KIM-/JIM-Studie jedes Jahr wichtige (neue und alte) Ergebnisse im Hinblick auf (aktuelle und künftige) Einsatzszenarien digitaler Medien. Wer sich also nicht so gut mit der Mediennutzung auskennt, kann und sollte in diesen Berichten nachlesen: Sie sind leicht zu verstehen und mit Sicherheit intersubjektiv nachvollziehbar.

EduCamp Graz '09: ein Rückblick

Nach zwei Tagen EduCamp muss ich erst mal meine ganzen Gedanken sortieren. Ich bin vor allem mit der Erwartung nach Graz gefahren, das schon mehrfach gelobte Format BarCamp endlich selbst kennenzulernen: Es spricht sich einfach leichter über etwas, was man selbst erlebt hat; umgekehrt lässt sich schlecht urteilen über Vor- und Nachteile eines offenbar innovativen Formats, wenn man dieses nur vom Lesen und Hörensagen kennt (auch wenn man durch Blogs, Twitter und Co. einen recht umfassenden Eindruck erhalten kann). Von daher war ich besonders gespannt, wie sich die Veranstaltung vor Ort entwickelt und insbesondere darauf, wie es sich mit der Selbstorganisation von Sessions und den inhaltlichen Diskussionen verhält. Im Gegensatz zu klassischen Konferenzen sollen sich Inhalte und Gespräche von selbst ergeben und nicht lange im Voraus geplant werden. Außerdem besteht jederzeit die Möglichkeit, durch das Angebot neuer Sessions eigene Impulse einzubringen. Eine Chance, die auf vorab durchgestylten Tagungen auf die Kaffeepause verschoben werden muss.

Genau diese spontanen Sessions waren es dann auch, die mich inhaltlich am meisten zum Nachdenken angeregt haben: Sie knüpften an beobachtbare Phänome, konkrete Probleme oder künftige Herausforderungen im Bereich Bildung an und waren dadurch stärker in die Zukunft gerichtet. Oftmals standen Ideen mit Gestaltungsspielraum für das „Publikum“ im Vordergrund. Folglich wird sehr offen diskutiert und dem Diskurs viel Raum und Zeit eingeräumt.

Wie groß dieses Bedürfnis ist, zeigte sich gleich zu Beginn auch bei unserem Bildungssofa. Das Bildungssofa hat zum Ziel, generationenübergreifend über bildungsspezifische Fragestellungen zu sprechen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. So ging es dieses Mal im weistesten Sinne um die „Macher“ von Bildungsinnovationen und was „EduPunks“ und „Establishment“ voneinander lernen können (die Streams sind online zugänglich). Im Prinzip eine spannende Idee, auf diesem Weg den Dialog zwischen den unterschiedlichen Generationen anzukurbeln und vor allem ein Bewusstsein für die Vor- (und Nach-)Teile der jeweils anderen Perspektive zu stiften. Ich sage deshalb „im Prinzip“, denn die Diskussionsbereitschaft der Teilnehmer war so groß, dass wir den inhaltlichen Fokus des Sofas zugunsten der vielen Fragen aufgeben mussten.

Die Frage ist nun, ob ein solches Lösen von konkreten Inhalten gut oder schlecht ist, ob es im Rahmen des EduCamps wichtig ist, Freiheiten zu schaffen, und wie es mit der prinzipiellen Übertragbarbeit eines solchen dialogorientierten Sofas auf andere (möglicherweise stärker durchorganisierte) Veranstaltungen aussieht. Wir selbst sind in dieser Hinsicht unschlüssig, denn: Auf der einen Seite müssen Tom und ich selbstkritisch zugeben, dass wir das eigentliche Vorhaben nicht ganz durchgehalten haben; auf der anderen Seite waren die Diskussionsinhalte ausgehend von den Statements von Doris Carstensen und Thomas Bernhardt so spannend und informativ, dass ich rückblickend ungern darauf verzichtet hätte. So oft gibt es schließlich Diskussionen auf einem Podium, die ohne konkrete Impulse zu Ende gehen. Das war hier eindeutig anders: Aufgrund der Diskussionsinhalte entstanden neue Sessions (unter anderem zur Frage der Bewertungskriterien von Blogs) und die räumliche Gestaltung (Stuhlkreis, Sofa in der Mitte) wurde von Beginn bis zum Ende der Veranstaltung nicht mehr verändert. Der Raum mit dem roten Sofa wurde so immer wieder zum Gesprächsinhalt und zum beliebsten Ort des Camps.

Leider erlaubten nicht alle Räume die dialogorientierte Umgestaltung: Durch das Nutzen von Hörsälen waren die Bankreihen vorgegeben; die Frontalsituation war trotz Versuchen der Teilnehmer oftmals gegeben. Mit der räumlichen Gestaltung wird so offenbar ein Schema abgerufen, dass starken Einfluss auf die jeweilige Rolle der Beteiligten nimmt. Dies muss man aus meiner Sicht für weitere Veranstaltungen dieses Formats im Kopf behalten, da die prinzipielle Offenheit und die hierarchiearme Struktur zu den Grundprinzipien gehört.

Abseits von den Formatfragen fand ich den Austausch mit Mo, Ralf und Thomas über den Einsatz von Web-2.0-Tools in der Lehre sehr interessant. Noch immer scheint nämlich der Gebrauch von Tools alles andere als selbstverständlich und eine gewisse Kompetenz im Umgang etwa mit Blogs zu fehlen. Abgesehen davon haben wir die konkreten Bewertungsmöglichkeiten von Blogs diskutiert und inwieweit wir selbst Kriterien für das öffentliche Schreiben und Reflektieren vergeben. Auch hier scheint noch unklar zu sein, was der optimale Weg ist: Zu viele Vorgaben unterbinden das kreative Schreiben; mangelnde Kriterien können den Einstieg in das Schreiben vermasseln; welche Rolle spielt der „Besitz“ des Blogs? Dass der Lehrende gewisse Vorstellungen über Ziele des Werkzeugeinsatzes haben soll, darüber bestand Einigkeit – allerdings wiederum erstaunlich, dass wir nur solche Lehrende ausmachen konnten, die Web 2.0 in der Lehre einsetzen, wenn Web 2.0 auch Gegenstand in der Veranstaltung ist. Ich hätte so etwas vorab vermutet, aber in der Deutlichkeit nicht unbedingt erwartet. Bleibt also zu fragen: Wo sind diejenigen, die sich Web 2.0 auch in fachfremden Kontexten zueigen machen?

Interessant war zudem die Diskussion darüber, welche Rolle E-Portfolios heutzutage spielen können, und der Fokus, mit dem E-Portfolios auf dem EduCamp diskutiert wurden. So stand immer wieder das Bewerbungsportfolio im Vordergrund, anhanddessen sich Arbeitgeber ein Bild vom potenziellen Mitarbeiter machen könnten. Die Möglichkeiten, E-Portfolios für das Lernen einzusetzen und insbesondere prozessorientierte Fortschritt für den Lernenden (und den Lehrenden) zu dokumentieren, wurden als wichtig erkannt, aber teils auch als „durch“ empfunden. Es gäbe viele andere Werkzeuge, die ähnliche Funktionen erfüllen könnten. Mich begeistern solche Diskussionen gerade deshalb immer, weil sie dann entstehen, wenn der erste Hype eines Tools vorüber ist und es um konkrete Anwendungsszenarien bzw. um ihren nachhaltigen Einsatz als Bildungsinnovation geht.

Ein paar mehr Studierende auf dem EduCamp hätte ich mir noch gewünscht. Das will ich nicht unerwähnt lassen, denn so oft sprechen wir über Lernende und nicht mit ihnen. Hier gibt es mit Sicherheit noch Potenzial nach oben.

Studentische Partizipation zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Seit vielen Jahren machen wir uns in Augsburg Gedanken darüber, wie man Studierende stärker in Lehre und Forschung einbinden kann und auf dem Weg die Förderung überfachlicher Kompetenzen im Hochschulstudium erleichtert. Vor allem im Zuge der wissenschaftlichen Begleitforschung zum Begleitstudium und aufgrund von praktischen Erfahrungen mit der co-curricularen Projektarbeit konnten wir dabei zahlreiche Erkenntnisse zu offenen Bildungsinitiativen sammeln. Anlässlich unseres nahenden Besuchs auf der Jahrestagung der Gesellschaft für Medien in der Wissenschaft (GMW) haben wir uns nun zu einem Call for Papers zu diesem Thema entschieden. Denn mit dem dritten Thementisch können wir auf zahlreiche Erfahrungen und unterschiedliche Diskussionen zur (studentischen) Partizipation zurückblicken. Zudem scheint das Interesse an der Integration der Studierendenmeinung zu wachsen. Außerdem wird im Zuge der OER-Bewegung immer mehr darüber diskutiert, was (förderliche) Rahmenbedingungen für Partizipation sind. Unter dem Stichwort „Offene Bildungsinitiativen: Fallbeispiele, Erfahrungen und Zukunftsszenarien“ möchten wir nun Studierende wie auch Lehrende und andere Interessierte zur Beteiligung an dem Band aufrufen. Durch die bunte Zielgruppe erhoffen wir uns Einreichungen aus unterschiedlichen Perspektiven auf studentische Partizipation, um ein möglichst umfassendes Bild vom Stand offener Bildungsinitiativen an der Hochschule zu zeichnen. Möge das Vorhaben gelingen… wir zählen auf Euch!

Das Projekt "studentische Tagung"

Gestern war es wieder soweit: Die 2. w.e.b.Square-Tagung stand an – ich hatte im Vorfeld bereits mehrfach über den Stand der Dinge bzw. die wachsende Vorfreude berichtet. Und natürlich hat auch das PR-Team dafür gesorgt, dass wir einiges an Öffentlichkeit für das Projekt gewonnen haben. Das ist klasse, denn ohne die nötige Aufmerksamkeit würde es an der Uni wohl nie gelingen, Studierende zum Kommen zu begeistern. So auch gestern: Während der drei Sessions waren immer um die 40 bis 50 Gäste da; etwa die Hälfte der Studierenden stammte dabei aus meinem Seminar, die andere Hälfte setzte sich zusammen aus interessierten Studierenden und einigen Lehrenden vom Institut für Medien und Bildungstechnologie. Das Publikum wechselte von Session zu Session und am Ende durften wir noch eine auswärtige Gruppe um Christian Spannagel begrüßen, was mich natürlich besonders gefreut hat. Auch die Presse (Augsburger Allgemeine) war vertreten.

Inhaltlich sind mir vor allem zwei Dinge aufgefallen:

  1. Die erhebliche Diskussionsbereitschaft. Mit dem Kontext der Tagung, nämlich Open Educational Resources (kurz: OER), haben wir thematisch Neuland betreten: Kaum ein Studierender hatte vor der Tagung davon gehört oder konnte sich auch nur annähernd etwas darunter vorstellen. Umso erfreulicher ist daher die erhebliche Diskussionsbereitschaft, die die gestrige Veranstaltung aus meiner Sicht auszeichnete. Zu erkennen war zwar auch, dass vor allem die anwesenden Lehrenden bzw. Univertreter eine Diskussion anzetteln mussten; im Anschluss haben sich aber viele Studierende eingebracht und teils sehr heftig mitdiskutiert. Ein großer Diskussionspunkt war unter anderem die Haltung der Studierenden: Hat die Bologna-Reform diese tatsächlich verändert oder gibt es nicht seit langem unterschiedliche Kulturen, die das Teilen von Wissen auf Ebene der ganzen Universität erschwert? Konträr auch die Meinungen zur Open University und der Begriffsverwendung: Ist „open“ mit „frei“ zu übersetzen? Wie muss man das Label „open“ verstehen? Fragen, die neue Fragen aufwerfen und folglich (zunächst) ungeklärt bleiben.
  2. Der studentische Blick. Aus Lehrendensicht fand ich den gestrigen Nachmittag auch deshalb interessant, weil man von Beteiligten selbst erfährt, wie sie über bestimmte Bestrebungen an der Hochschule nachdenken. Dies war zum Beispiel beim Thema „informelles Lernen“ der Fall, wo das Augsburger Begleitstudium kritisch angesprochen wurde.  Aber nicht nur die kritische Reflexion war aufschlussreich, sondern auch das, was zum Thema „Begleitstudium“ bei den Studierenden ankommt… nicht immer das, was wir uns wünschen. Auch hier also ein Anknüpfungspunkt für uns, eigene Aktivitäten (noch) studentengerechter aufzubereiten.

Einen schönen Abschluss fand die Tagung mit der Verleihung des Best Paper Awards, der für den Vortrag von Jacqueline Bönisch vergeben wurde. Interessanterweise drehte sich dieser um die Net Generation, die seit einiger Zeit auch in der wissenschaftlichen Community heiß diskutiert bzw. kritisch beäugt wird. Liebe Jacqueline, Dir herzlichen Glückwunsch!

Wie kam es eigentlich zur w.e.b.Square-Tagung?

Da wir uns in Augsburg stark um die Einbindung von Studierenden bemühen, haben wir schon länger über das Projekt „studentische Tagung“ nachgedacht; eine Möglichkeit zur Umsetzung ergab sich schließlich durch die Anbindung an die wissenschaftliche Online-Zeitschrift „w.e.b.Square“ und das zugehörige Seminar „w.e.b.Square – wissenschaftliches Publizieren im Netz“. Im Rahmen dieses Seminars organisieren die Studierenden (fast schon „traditionell“) die w.e.b.Square-Tagungen: Sie werden Referent, PR-und Event-Manager, Cutter etc. – auf einer Konferenz gibt es viele Rollen, in die man als Studierender schlüpfen kann. Allein die Inhalte der Tagung sind (durch mich) gesetzt, um die sehr kurze Vorbereitungszeit (drei Monate) nicht mit langen Recherchen zu belasten. Denn die Entscheidung, etwas auf die Agenda zu setzen, ist schwer und dauert lange – zumindest für diejenigen, die sich nicht jeden Tag mit der Materie auseinander setzen. Dazu muss man eins wissen: Am Seminar nehmen ausschließlich Bachelorstudierende teil. Im Regelfall sind sie im dritten oder im fünften Semester und haben weder große Erfahrung mit den Inhalten (dieses Mal: OER) noch mit der Organisation von Events. Man sollte sie also langsam an das Projekt „studentische Tagung“ heranführen und nicht überfordern. Hinzu kommt, dass das Projekt Teil eines Seminars ist und die Aktivitäten allein schon deshalb im Verhältnis stehen sollten. Im Seminar selbst bekommen die Studierenden eine Menge Handwerkszeug und theoretisches Hintergrundwissen für die Organisation des Events „Tagung“ geliefert (siehe dazu Kick-off-Präsentation, S. 13).


Der Höhepunkt des Seminars ist die Konferenz selbst; in der letzten Sitzung (Februar) werden wir alles nochmals Revue passieren lassen und ich natürlich sehr genau zuhören, wie den Studierenden das Vorgehen im Seminar und schlussendlich die Tagung gefallen hat. Gespannt bin ich vor allem auf die Hinweise von den Referenten, denn sie mussten jeder drei Korrekturschlaufen bis zur Veröffentlichung auf w.e.b.Square „aushalten“ – ein intensives Feedback, dass zwar viele Lehrende gern geben würden, es aber oft an Zeitmangel scheitert, sich an der Stelle stärker einzudenken (ich habe dafür beispielsweise meine Weihnachtsferien geopfert). Das Ergebnis „Tagungsband“ kann sich jedenfalls wieder sehr gut sehen lassen… mit der Einschränkung, dass die Veröffentlichung eines gemeinsamen Werks im Vordergrund stand und folglich nicht jede Publikation gleich herausragend sein kann.

PS: Wer mehr über die Vorträge und über die Gedanken der Studierenden erfahren will, kann sich im Veranstaltungs-Blog schlau machen. Und natürlich mitdiskutieren… denn die Kommentare sind frei!