Seminarauftakt: Bildungsprojekte gestalten, gesellschaftliche Veränderungen anstoßen

Lehre wird aus studentischer Sicht oft als Äquivalent zur Vermittlung von Inhalten und Theorien verstanden. Sie wünschen sich daher nicht selten, die theoretischen Inhalte auch innerhalb von Hochschule zur Anwendung zu bringen. Dieser Anwendungs- oder auch Praxisbezug fängt für sie bei Beispielen von Lehrenden innerhalb von Lehrveranstaltungen an. Er zeigt sich genauso in den Geschichten, die Studierende von eigenen (beruflichen) Erfahrungen erzählen. Eine weitere Möglichkeit stellen Seminar- oder Projekt-ähnliche Lehrveranstaltungen dar, die allein durch ihre Form den Wissenstransfer anstoßen wollen. In letztere Kategorie fällt sicherlich auch unsere Lehrveranstaltung „Bildungsprojekte gestalten, gesellschaftliche Veränderungen anstoßen“, die Taiga Brahm und ich im Frühjahrssemester 2015 an der Universität St. Gallen gemeinsam anbieten (zum Blog). Im sog. Kontextstudium bieten wir Studierenden hier die Gelegenheit, entweder selbst Projekte mit Bildungsbezug zu gestalten oder aber bestehende Bildungsprojekte mit wissenschaftlichen Methoden zu untersuchen und Gestaltungsempfehlungen zu ihrer Veränderung/Verbesserung abzugeben. Die Lehrveranstaltung gibt den Studierenden den Raum für eigene Forschungs- und Projektvorhaben, kann für sie aber auch eine Werkstatt zu sein, in der sie das eigene Projekt ausgestalten. Dazu haben wir bspw. den mittleren Teil des Seminars geblockt. Gespannt bin ich aber vor allem darauf, in welche Richtung sich die studentischen Projekte entwickeln, welchen Bildungsbezug sie herstellen oder welches größere (gesamtgesellschaftliche) Ziel sie mit den Projektvorhaben verfolgen. Gleichzeitig wird es interessant, wie man Inhalte (Theorien, Modelle, Konzepte, aber auch Begriffswelten und Zusammenhänge) aus Lehrendensicht so darstellt, dass sie dem Kontextstudium gerecht werden. Darin geht es nämlich unter anderem darum, dem Fachstudium ergänzende Perspektiven interdisziplinär zu entwickeln – und das auf Masterniveau.

„Gruppenarbeit? Kann ich!“

Ein Ausspruch des zurückliegenden Frühjahrssemesters geht mir nicht aus dem Kopf. Dort hieß es: „Gruppenarbeit? Kann ich!“ Adressiert wurde der überfachliche Teil zur Kommunikation in und von Projekten innerhalb unseres Seminars Projektmanagement. Im ersten Moment musste ich über den Ausspruch grinsen, denn der trifft sicherlich das Gros der Studierenden und deutet auch darauf hin, dass man Universität vielfach für ‚harte‘ Fakten, weniger für ‚weiche‘ Themen wahrnimmt. Dass speziell im Seminar wie Projektmanagement beides angesprochen und bearbeitet wird, ist für das Dozierenden-Team völlig logisch, für die Studierenden offenbar eine Brücke, über die sie erst gehen müssen. Es verwundert daher nicht, dass der inhaltliche Block zur Kommunikation, Gruppenarbeit, aber auch zu Gruppenstrukturen und Machtgefügen noch in größerer Runde rezipiert wurde (ich sage bewusst ‚rezipiert‘ in Anlehnung an Gabis „Kino fällt aus!“), während eine anschließende Übung zu Gruppenarbeit eher als banal wahrgenommen und fast vollständig abgetan wurde. Nachdenklich macht mich diese studentische Reaktion schließlich aus zwei Gründen: (1) Offenbar ist es bis auf Weiteres einfacher, sich in akademischer Lehre mit Fakten zu beschäftigen und diese grundständig zu vermitteln. Es folgt zwar mitunter ein Feedback, das auf inhaltliche Dopplungen oder Überschneidungen zu anderen Lehrveranstaltungen hinweist, im Kern ist diese eher frontal und stark inhaltlich aufgeladene Form der Lehre aber erwartungskonform. (2) Werden Inhalte, wie in unserem Fall, nicht nur ‚hart‘ besprochen, sondern auch ‚weich‘ bearbeitet durch Übungen in Präsenzsitzungen, ein Blended Learning-Konzept usw., stellt sich schon die Frage, ob und warum solche Lehrveranstaltungsformate nach wie vor Überraschung unter Teilnehmenden auslösen, mitunter ein Wegbrechen unter ihnen evozieren. Man könnte alles jetzt auf Fehler im Konzept schieben und es mag sein, dass nach der ersten Durchführung von Lehrveranstaltungen nochmals Anpassungen vorgenommen werden müssen (bzw. auch werden, ganz im Sinne von Design-based Research). Dass es aber ‚nur‘ ein Fehler im Konzept ist, davon gehe ich mal nicht aus – spätestens im Verlauf des forschungsorientierten Studieneingangs werden die Studierenden mit Projektarbeit, Gruppengefügen und -strukturen konfrontiert, die gelungene Kommunikation und Zusammenarbeit über die Semesterferien hinweg (ja, hier sind nun Ferien!) nötig machen. Ich bin daher vielmehr gespannt, wie die Studierenden nach Ablauf des ersten Studienjahrs unsere Seminar-Inhalte beurteilen und ob es dann noch heißt: „Gruppenarbeit? Kann ich!“

Studentisches Publizieren: mal drei, durch drei?

Zu Beginn des Wintersemesters hatte ich von meinem Blockseminar an der Universität Augsburg berichtet, das nicht mehr den Titel „w.e.b.Square – wissenschaftliches Publizieren im Netz“ trägt, sondern unter dem Motto „Publish or Perish“ firmiert. Der neue Titel schlägt sich auch in der Konzeption des Angebots nieder, das nämlich nicht mehr ausschließlich auf das wissenschaftliche Publizieren fokussiert ist, sondern Fragen des Veröffentlichens unter drei verschiedenen „Zwängen“ beleuchtet.

Insofern scheint folgerichtig, dass am zweiten Blocktermin am letzten Samstag mit dem journalistischen, dem organisationalen (PR) und dem wissenschaftlichen Publizieren drei Perspektiven auf das Schreiben zusammengeführt und kritisch beleuchtet wurden. Aus meiner Sicht besonders interessant war dabei, alle drei Perspektiven unter dem gemeinsamen Dach Wissenschaft zu diskutieren – gefühlt ein Novum und vielleicht eine notwendige Veränderung infolge des gemeinsamen Zwangs von „Publish or Perish“? Innerhalb des Seminars war auch interessant zu sehen, wie innerhalb der einzelnen Denkweisen Feedback gegeben wird, wenn man z.B. ein Peer Review mit wissenschaftlichen Kriterien durchführt und nicht etwa redaktionell geprägte Rückmeldungen gibt, à la wir brauchen noch einen Artikel zum Thema xy oder nur ein Artikel im Lead ist ein akzeptabler Text. Ich denke, Anschauungsobjekte und Vergleiche zwischen den Sichtweisen auf das Publizieren gibt es genug – und erst im Vergleich wird deutlich, wie unterschiedlich die daraus resultierenden Handlungspraxen sind.

Bis zum abschließenden virtuellen Klassenraum wird es nun darum gehen, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der drei Perspektiven in der Kleingruppe zu explizieren und einer interessierten Studierendenschaft als „klassische“ Zielgruppe von w.e.b.Square zugänglich zu machen. Wie die Gemeinsamkeiten und Unterschiede dabei vermittelt werden, ist noch offen, immerhin sollten sich (Schreib-)Zwänge und Fragen der Sozialisation in Wissenschaft auch methodisch-didaktisch sowie medial im Projekt zeigen. Diskutiert haben wir beispielsweise über Wikis versus herkömmlichen Text, um nur ein Beispiel zur möglichen Umsetzung zu nennen.

Auf die Ergebnisse des Seminars bin ich sehr gespannt – nicht zuletzt deswegen, weil die Veranstaltung mit dem Produzieren und Veröffentlichen von Texten einen medienpädagogischen Bereich betrifft, der mich seit meiner eigenen Zeit an der Universität Augsburg interessiert und auch über die einzelne Lehrveranstaltung hinaus z.B. in eigenen didaktischen Überlegungen oder Projekt-Evaluationen begleitet.

Bekannt, befreundet, vernetzt!

Ein Seminarprojekt, über das ich dieses Semester noch gar nicht berichtet habe, ist die Konzeption, Organisation und Durchführung der 3. w.e.b.Square-Tagung am 22. Januar 2010. Dabei ist die zugehörige Lehrveranstaltung schon so weit fortgeschritten, dass nahezu der gesamte Input bereits erfolgt ist und die Studierenden mitten in ihren Teilprojekten stecken. So schreiben einige Teams fleißig an ihren Artikeln, da der Abgabetermin naht und ihnen über die Weihnachtstage ein Review bevorsteht. Andere Teams sind mit der PR- und Öffentlichkeitsarbeit für die Veranstaltung beschäftigt bzw. planen die Videodokumentation der Tagung. Diese unterschiedlichen Aufgaben in einem Seminar zu vereinen, ist zugunsten des gemeinsamen Ziels (Tagungsorganisation) notwendig, aber aus Lehrendensicht mitunter gar nicht so einfach. Schließlich soll der Input für alle Gruppen gleichermaßen relevant sein und doch so viele Facetten bieten, dass man als Studierender inhaltlich etwas mitnimmt.

In diesem Jahr gibt es daher gegenüber den Vorjahren eine weitere Inputsitzung, die sich explizit dem Vortrag auf einer Veranstaltung widmet und daher mit Rhetorik überschrieben ist. Abgesehen davon treffen wir uns (je nach Bedarf) mit den Teams, um Detailfragen zu klären, die in den Präsenzsitzungen zu kurz kommen bzw. dort inhaltlich nur schwer Platz finden. Da das Projektseminar in diesem Semester so viele Teilnehmer hat wie nie (30), bin ich wirklich froh, dass es mit Marianne und Tamara zwei Co-Dozentinnen gibt, die viele Fragen abfangen und zusätzliche Ideen in die Organisation einbringen. Eine schöne Entwicklung ist auch, dass wir bei der kommenden w.e.b.Square-Tagung aller Voraussicht nach erstmals einen Live-Stream anbieten werden.

Warum ich all das heute schreibe, hat aber einen ganz anderen Grund: Mit dem Versand der Pressemitteilung ist der Startschuss für die Öffentlichkeitsarbeit zur Tagung gefallen. Und ich will mit meinem Blogbeitrag gern dazu beitragen, dass Studierende und Lehrende der Universität Augsburg sowie weitere Interessierte auf die Veranstaltung aufmerksam werden und bei Interesse vorbeikommen. Der Eintritt ist kostenlos und für das leibliche Wohl ist gesorgt. Inhaltlich wird es so oder so spannend, denn: Mit dem Thema „Bekannt, befreundet, vernetzt!“ beleuchten wir Social Networks aus Studierendensicht und das dürfte für alle Beteiligten ausreichend Diskussionspotenzial bieten.

Web 2.0 als Gegenstand und Werkzeug im Seminar

Ein Seminar, das mir in diesem Semester besonders auf Herzen liegt, nennt sich „Vom Hype zum Standardinstrument: Web 2.0 und Non-Profit-PR“ und hat zum Ziel, sich mit neuen Nutzungsformen und -gewohnheiten im Internet auseinanderzusetzen und im Anschluss daran in Kooperation mit einem Praxispartner Kommunikationskonzepte zu entwickeln. Die wesentlichen Inhalte der Veranstaltung werden zwar mindestens sechs Monate vor Beginn festgelegt; etwas Freiheit hat man aber darin, die Kooperationspartner zu suchen und sinnvoll in den Seminarprozess zu integrieren. Nachdem sich die Zusammenarbeit mit einer NGO zerschlagen hat, habe ich das kurzfristige Fehlen zum Anlass für die Aufbereitung der Diskussionen um die letzte GMW-Tagung genommen. Denn anhand der in Blogs vielmals verfassten Eindrücke kann man sehr gut ablesen, wie sich Face-to-Face-Kommunikation infolge der Durchdringung mit digitalen Medien und insbesondere von einfach zu handhabbaren Tools verändert bzw. sich womöglich eine neue (und bislang unbekannte) Durchmischung von realer und virtueller Welt ergibt. Mit welchen Herausforderungen schließlich Organisationen in der Kommunikation umgehen müssen, habe ich in einer Inputsitzung gestern (mehr oder weniger) kurz zusammengefasst:


In den kommenden beiden Sitzungen erarbeiten die Studierenden nun „Blitzlichter“ zu relevanten Fragestellungen im oben genannten Themenbereich. Diese Blitzlichter sollen dabei helfen, eine Übersicht über Problembereiche zu erhalten und die Seminarinhalte theoretisch zu untermauern. Natürlich dienen sie auch dazu, dass sich die Studierenden in das Thema hinein finden, denn: Kaum jemand der Teilnehmer hat Erfahrungen mit Non-Profit-PR, was im MuK-Studiengang durchaus überraschend ist; hinzu kommt eine eher zurückhaltende Nutzung von Web-2.0-Tools, auch von Blogs, weshalb ich das begleitende Blogging bzw. Microblogging im Seminar (Hashtag #npo09) besonders spannend finde. Schließlich geht es in der Veranstaltung auch darum, Chancen und Grenzen der Werkzeuge gewissermaßen „am eigenen Leib“ zu erfahren. Abgesehen davon eignen sich beide Werkzeuge (Blogging etwas mehr als Twitter) dazu, den Seminarprozess festzuhalten und den geschlossenen Seminarraum räumlich und zeitlich, aber auch für eine interessierte Gruppe zu öffnen. Die Studierenden werden neben verstärkter Interaktion und erweiterten Feedbackmöglichkeiten zusätzlich mit Leistungspunkten „belohnt“. Eine Logik, die sich infolge der Bologna-Reformen aus meiner Sicht zwingend ergibt.

Im Anschluss an die auf einschlägigen Theorien basierenden und diskursiv angelegten ersten Seminarsitzungen folgt die Praxisphase. Hier werden, ich habe das weiter oben schon benannt, Kommunikationskonzepte entwickelt. Als Partner steht erfreulicherweise die GMW selbst zur Seite. Die Konzepte basieren nicht allein auf „bloßen“ Überlegungen der Studierenden, sondern sollen ebenso auf theoretischen wie auch empirischen Ergebnissen aus Perspektive einer jungen Zielgruppe fußen. Damit man sich besser vorstellen kann, was wir „treiben“, hier eine kurze Übersicht der Aufgaben:


In diesem frühen Seminarstadium kann sich noch eine ganze Reihe (zum Positiven wie auch zum Negativen) entwickeln. Von daher seid Ihr herzlich eingeladen, uns via Blog und Twitter zu verfolgen und Euch mit Euren Meinungen einzubringen… das Seminar ist inhaltlich sehr vielfältg und bietet mit Sicherheit einige Ankerpunkte, um mit den Studierenden und mir zu diskutieren.

Seminarergebnisse und geistiges Eigentum – ein paar (Vor-)Überlegungen

Wenn man wie ich regelmäßig Lehrveranstaltungen in Kooperation mit externen Partnern durchführt, muss man sich zwangsläufig irgendwann die Frage nach der Verwertung der entstandenen Ergebnisse stellen. Die Auseinandersetzung mit dem geistigen Eigentum ist dabei nicht neu: Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass wir als Studierende oftmals an Punkte angelangt sind, wo wir die Seminarergebnisse – teils mit, teils ohne Aufwandsentschädigung – an Dritte abtreten sollten. Schon damals fand ich das kritisch, denn schließlich kann der Dozent nicht pauschal über die Ideen der Studierenden bestimmen. Auch die beteiligten Organisationen, oftmals Unternehmen, hatten an mancher Stelle wohl mehr den eigenen Profit als den bildenden Kern der Kooperationsveranstaltung im Sinn.

Jetzt, ein paar Jahre später und in umgekehrter Funktion, bin ich wieder an den Punkt des Umgangs mit Lehrveranstaltungsergebnissen angekommen. Und erstmals richten sich diese Überlegungen komplett in die Zukunft, nämlich an im Wintersemester bevorstehende Veranstaltungen. Meine Grundüberzeugung, dass die Ideen den Studierenden gehören, hat sich dabei nicht verändert. Wohl aber denke ich darüber nach, wie ich als Dozentin bereits im Vorfeld Erwartungen und Hoffnungen von Organisationen auf der einen Seite berücksichtigen, aber eben auch die Perspektive der Studierenden auf der anderen Seite ausreichend integrieren kann. Denn das Urheberrecht spricht eine klare Sprache, wie mir unsere Rechtsabteilung in der vergangenen Woche versichtert hat:

„Das Urheberrecht an den von Studierenden erstellten Seminarleistungen steht regelmäßig den Studierenden selbst zu, nachdem es sich dabei regelmäßig um selbständig zu erstellende Prüfungsleistungen handeln wird. Insoweit sind die Studierenden frei, daran Nutzungsrechte zu übertragen. Insbesondere bestehen irgendwie geartete Ansprüche auf Übertragung von Nutzungsrechten an die Universität nicht. Im Gegenteil darf hier keine Verknüpfung zwischen dem Prüfungszweck und einer Nutzungsvereinbarung bestehen.“ (Aussage Rechtsabteilung, Universität Augsburg)

Eine derartige Einschätzung hilft mir dabei, im Vorfeld der Veranstaltung an alle Beteiligten klar zu kommunizieren, dass ich als Dozentin keine pauschale Abtretungserklärung unterzeichnen werde. Denn es liegt primär an den Studierenden, ob und unter welchen Bedingungen sie die Nutzung schließlich an Dritte übertragen. Meine Aufgabe wird es später (und im Falle positiver Ergebnisse) sein, zwischen den unterschiedlichen Gruppen zu vermitteln und für die verschiedenen Blickwinkel zu sensibilisieren. Mitunter kann die weitere Verwendung der Seminarergebnisse ja durchaus gut sein; manchmal bleibt aber auch ein fades Gschmäckle übrig… und das würde ich im Sinne aller Beteiligten gern vermeiden.