Herbsttagung Medienpädagogik: (M)Ein knapper Rückblick

Eine beeindruckende Herbsttagung liegt hinter uns: 163 Kolleg*innen aus der Medienpädagogik kamen bei uns in Hagen zusammen, um an zwei Tagen über die Zukunft der Medienpädagogik nachzudenken. Am ersten Tagungstag wurde plastisch, welche Diskussionen innerhalb von Medienpädagogik schon lange geführt werden, etwa jene zur Rolle und Bedeutung der Medien im Kontext von Lernen und Bildung. Zugleich wurde offenbar, dass sich die Disziplin der Medienpädagogik immer mit Erwartungen ‚von außen‘ befasst hat, etwa mit solchen, die Politik und Wirtschaft an sie herangetragen haben. So ließe sich auch die Befassung mit Medienkompetenz als politisch intendiert lesen, nicht zuletzt mit Blick auf Medienpädagogik als Profession. In einer Zeit, in der Referenzen zu Medienkompetenz und Medienbildung angesichts von Forderungen z. B. nach Datenkompetenz(en) verblassen, war das sicherlich eine hervorzuhebende Erkenntnis. Wie Medienpädagogik mit Umwelterwartungen in der Digitalität umgehen kann, rückte dann in den Fokus unterschiedlicher Podien und Vorträge. Und die meisten von ihnen nahmen den Ausgang beim Status quo: bei den vielen (Medien-)Phänomenen und Fragen, die uns aktuell beschäftigen, auch über ChatGPT hinaus. Das Kamingespräch am Abend machte zugleich den Fokus auf das Lernen deutlich, der innerhalb formalisierter Bildungskontexte derzeit vorrangig ist, und es gab auch einen Aufruf zur Beteiligung: an bildungspraktischer Arbeit. Der zweite Tagungstag hat diese politisch gelagerte Diskussion fachwissenschaftlich weiter gerahmt und es wurde der Fokus – meiner Einschätzung nach – immer intensiver auf Fragen im Kontext von (medienpädagischer) Kooperation gelenkt. Was das nun für eine Zukunft der Medienpädagogik heißt, wird noch weiter zu diskutieren und zu fundieren sein. Auch daher sind alle Beitragenden eingeladen, einen Artikel für das Jahrbuch 21 zu verfassen. Last not least möchte ich auf die Aufzeichnungen von der Tagungseröffnung verweisen, die inzwischen zur Verfügung stehen: https://www.fernuni-hagen.de/mpaed2023/aufzeichnungen.shtml So oder so gab es also von der Tagung viel ‚mitzunehmen‘, Schlafmangel inklusive. 

Beitrag „Deutungshoheiten: Digitalisierung und Bildung in Programmatiken und Förderrichtlinien Deutschlands und der EU“

Unser Beitrag „Deutungshoheiten: Digitalisierung und Bildung in Programmatiken und Förderrichtlinien Deutschlands und der EU“ (Beitrag als .pdf), basierend auf einer qualitativen Inhaltsanalyse von 34 (41) programmatischen Schriften, ist nun im Jahrbuch Medienpädagogik erschienen.

Der Beitrag ist (ein) Ergebnis des durch das Grimme-Forschungskolleg geförderte Vorhaben „PODium – Profession – Organisation – Digitale Medien“. Über die Veröffentlichung des Beitrags freuen wir uns sehr, werden doch durch das inhaltsanalytische Vorgehen deutliche Schwerpunkte nicht zuletzt zwischen Förderrichtlinien und Programmatiken klar.

 

Quelle: Altenrath, M., Helbig, C. & Hofhues, S. (2020). Deutungshoheiten: Digitalisierung und Bildung in Programmatiken und Förderrichtlinien Deutschlands und der EU. MedienPädagogik: Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung 17 (Jahrbuch Medienpädagogik), 565-594.

Lesenswert: „Halbmedienkompetenz“

Viel zu selten verweise ich im Blog noch auf Fundstücke, die ich lesenswert finde. In diesem Fall will ich es aber doch machen, nämlich auf den Beitrag zur „Halbmedienkompetenz“ von Thomas Damberger. Der Autor nimmt in Anlehnung an Adornos (2006) Wortschöpfung der Halbbildung grundlegend an, „(…) dass wir bei unserem Vorhaben, Menschen zu einem kompetenten Umgang mit Medien zu führen, in der großen Gefahr stehen, sie zur Halbmedienkompetenz zu verführen. … Und die Hälfte, um die es mir geht, ist die kritische Dimension“ (Damberger, 2013, S. 2).

Am Beispiel problemorientierter Konzeptionen im Bereich Medien wird diese Grundannahme deutlich:
„Ein Problem, das es zu lösen gilt, muss als Problem erkannt werden. Lediglich zu lernen, wie man Probleme löst, die andere vorgeben, erinnert an eine naturwissenschaftliche Vorstellung von Kompetenz und ist weit davon entfernt, einen Menschen zu befähigen, in Situationen Probleme als solche (für sich) zu bestimmen. Im Gegenteil, eine solche Kompetenz ist affirmativ, also das Gegenteil von Kritik.“ (ebd., S. 3)

In der Diskussion stellt der Autor heraus, dass mediale Handlungspraktiken nicht nur von Fähigkeiten des Einzelnen bestimmt werden, sondern insbesondere von seinem Willen zur Auseinandersetzung mit/über Medien abhängen. Auch illustriert er, dass Medien häufig eigene Probleme „praktisch werden lassen“ (ebd., S. 4) und Angst im Umgang mit Medien darin begründet liegen bzw. daraus resultieren könnte. Unter didaktischen Gesichtspunkten ist zu ergänzen, dass daran vor allem funktionale, meist eindimensionale Konzepte zur Entwicklung (technisch-instrumenteller) Medienkompetenzen anschließen. Dieser Perspektive sei aber keine pädagogische Sichtweise inhärent, sondern allenfalls ein naturwissenschaftlicher Kompetenzbegriff (ebd., S. 2). Werde aber Mündigkeit als Bildungsziel anvisiert, müsste nach Ansicht Dambergers (2013) „[d]em ‚Freisein-von‘ […] ein ‚Freisein-für‘ gegenüberstehen, und dieses Andere der Autonomie ist nichts Geringeres als ihr Ziel, man könnte auch sagen: ihre regulative Idee“ (ebd., S. 7).

Ausgehend von dieser normativen Grundannahme kommt der Autor zu folgendem Schluss:
„Wenn die kritische Dimension von Medienkompetenz in der Medienmündigkeit liegt und Mündigkeit einer die Menschlichkeit bedenkenden und evozierenden Bildung bedarf, dann ist derjenige, die über die kritische Dimension der Medienkompetenz nicht verfügt und damit halbmedienkompetent ist, im pädagogischen Sinne medieninkompetent.“ (ebd., S. 7)

Fazit. Der Beitrag greift insgesamt ein höchst aktuelles Charakteristikum derzeitiger Konzeptionen von Medienkompetenzen auf: nämlich die grundsätzlich zu begrüßenden Förderbemühungen im Kontrast zu aktuellen Umsetzungsbeispielen, die sich nicht nur durch eine didaktisch vermittelnde Position auszeichnen, wie Sesink (2008, S. 13f.) sie nennt, sondern mit der Dimension der Medienkritik zugleich einen wesentlichen Bereich eines kompetenten Umgangs mit Medien unterschlagen. Diese Auslassung mag vielleicht nicht gleich zu einer „Halbmedienkompetenz“ führen, wohl aber zu einer konzeptionellen Schieflage im Mainstream mediengestützten Lehrens und Lernens, die für alle Bildungskontexte bedenkenswert ist.

Literatur

  • Adorno, T. W. (2006). Theorie der Halbbildung (Erstauflage: 1959). Frankfurt: Suhrkamp.
  • Damberger, T. (2013). „Halbmedienkompetenz?“ – Überlegungen zur kritischen Dimension von Medienkompetenz. medienimpulse. Beiträge zur Medienpädagogik. http://www.medienimpulse.at/articles/view/496
  • Sesink, W. (2008). Bildungstheorie und Medienpädagogik – Versuch eines Brückenschlags. In J. Fromme & W. Sesink (Hrsg.), Pädagogische Medientheorie (S. 13–35). Wiesbaden: VS.

Medienpädagogik „10 Jahre danach“

Über 10 Jahre nach der Einführungsvorlesung in die Medienpädagogik an der Universität Augsburg hat es mich in diesem Jahr erstmals zur Herbsttagung der Sektion Medienpädagogik nach Hamburg verschlagen. Der Besuch der Tagung traf sich ganz gut mit dem Kick-off unseres Projekts, über den ich am Samstag schon berichtet habe. Zur Sektionstagung bin ich aber aus anderen Gründen gegangen: Vor allem wollte ich wissen, was aktuelle Diskussionen in „der“ Medienpädagogik sind bzw. was Stand der medienpädagogischen Forschung und Praxis ist (siehe dazu auch Mandys Blogpost); gleichzeitig hat mich interessiert, wie „die“ Medienpädagogen sind, würden wir doch gerne mit der Sektion Medienpädagogik eine dritte Fachgesellschaft in das Junge Forum Hochschul- und Mediendidaktik integrieren. Auf diese Weise fielen persönliche Interessen zusammen mit einem breiteren Blick auf Themen und Inhalte, Herangehensweisen und (Rück-)Schlüsse sowie Personen, die sich in vielen Fällen zwischen den Fachgesellschaften ohnehin überschneiden. Es kam daher nicht von ungefähr, dass ich mich in vielen Diskussionen „zuhause“ fühlte, mir zugleich aber Herausforderungen des fachübergreifenden Denkens und Arbeitens in den Sinn kamen. Denn bei breiten Themenspektren wie auf der Herbsttagung lässt sich gut identifizieren, dass Medienpädagogik als Fach(-bereich) aktuell einen Wandel vollzieht, der sich nicht (mehr) in der Ausdifferenzierung von Medienpädagogik in Mediendidaktik und Medienerziehung fassen lässt, sondern vielmehr beeinflusst ist von den disziplinären Perspektiven auf Medien, die sich teils aufeinander zu bewegen, dem Verständnis von Medien, das sich bis auf weiteres zwischen Werkzeug, Inhalt und Raum befindet, und der Rolle von Computer, Internet und digitalen Medien, die (inzwischen) nicht mehr negiert wird/werden kann. Insgesamt hat die Tagung also eindeutig in Richtung eines Zusammenwachsens medienpädagogischer und mediendidaktischer Fragen gezeigt – bei mir im Kopf sowieso, aber vor allem auch perspektivisch über den Tellerrand einer Fachgesellschaft hinaus. Eine schöne Erfahrung „10 Jahre danach“.

"Fluter" über Medien

Die aktuelle Ausgabe des Fluter, das (Jugend-)Magazin der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), widmet sich dieses Mal dem Thema „Medien“. Die Schwerpunktsetzung halte ich (natürlich!) für gelungen, da Medien allgegenwärtig sind und viele Medieninhalte unseren Alltag beeinflussen. Dies gilt im Besonderen für Jugendliche, die den Umgang damit erst noch lernen müssen. Ich möchte deshalb gar keinen Artikel herausgreifen, sondern nur einen kurzen, chronologischen Überblick über die Heftinhalte geben. Es finden sich Beiträge über

  • das Finanzierungsmodell bei schülerVZ,
  • das Thema „Rufmord“,
  • ein paar Enthüllungen über Medienlügen,
  • Google,
  • den Beruf „Journalist“,
  • die Macht der Bilder,
  • PR und Lobbyismus,
  • die Beliebheit von Wikipedia.

Wer sich viel mit Medien beschäftigt, wird ein Medium vermissen: Twitter. Das Microbloggingtool wird aufgeführt unter „Medien, die in diesem Heft fehlen“ (S. 49). Find ich irgendwie charmant, dieses bewusste Eingeständnis.

Medien nutzen, Medien verstehen?

Die ganze Welt liest mit“ schreibt heute der Schul-Spiegel. „Think before you post“ heißt es schon länger bei YouTube. Während sich Jugendliche immer besser mit Medien und Internet auskennen, scheitert es mehr und mehr am Hinterfragen aktueller Trends. Die massive Auskunftsbereitschaft auf studiVZ oder schülerVZ ist nur ein (plakatives) Beispiel dafür. Erste Forderungen nach besserer Unterstützung, z.B. durch Lehrende oder Eltern, werden laut. Eins wird mir dabei klar: Diskussionen um Medienkompetenz erhalten inzwischen eine ganz neue Dimension. Sie zeigen v.a. auf, dass Medien nutzen zu können längst nicht Medien zu verstehen meint (womit ich wieder in Dillingen angekommen wäre).