Sorry, ich muss Sie enttäuschen…

Heute war ich beim XIV. Hochschulsymposium der Hanns Martin Schleyer-Stiftung Diskutantin auf dem Podium zum „Erwartungshorizont an die universitäre Lehre“. Vor diesem Hintergrund sind im Vorfeld drei Thesen entstanden, die ich auf dem Podium vertreten habe und hier zur weiterführenden Diskussion zur Verfügung stelle.

  • These 1: Es bestehen viele Vorstellungen und Annahmen über Studierende. Sie basieren häufig auf einem konkreten Bild des Studiums und münden in allerhand Konzepten zur Gestaltung von Studium und Lehre. Dabei wird vielfach lediglich angenommen zu wissen, um wen es sich bei der Gruppe „der Studierenden“ handelt.
  • These 2: Speziell subjektive Sinnzuschreibungen und Deutungen des Studiums durch Studierende selbst kommen im Repertoire von Studienganggestaltung, Evaluation und empirischer Hochschulbildungsforschung (zu) wenig vor.
  • These 3: Nicht erst seit der Digitalisierung dienen Studierende oft als zentrale Begründung für Lehr-/Lern- und Studienganginnovationen. Dabei wird Studierendenorientierung zugunsten gewünschter Kundenorientierung und der erhofften (managerialen) Erneuerung der Hochschulen manchmal schlicht missverstanden.

Wer darüber hinaus wissen möchte, was es mit dem Titel des Blogbeitrags auf sich hat, kann im ausformulierten Papier genauer nachlesen, auf welchen Beobachtungen sich meine Thesen im Einzelnen stützten. Hinweis: Das Papier diente zu meiner Vorbereitung und wurde als solches nicht vorgetragen. (Download .pdf | .docx)

Podiumsdiskussion: „Digitale Gesellschaft“

Dienstag war ich zur Statuskonferenz des BMBF-Programms „Digitale Medien in der beruflichen Bildung“ eingeladen, um auf dem Podium mit Elisabeth Slapio (IHK Köln, Innovation und Umwelt), Peter Bihr (u.a. Next!Berlin) und Markus Beckedahl (u.a. netzpolitik.org) etwaige Herausforderungen mit der „Digitalen Gesellschaft“ vorrangig aus Bildungsperspektive zu vertreten. Über die Einladung zur Diskussionsrunde habe ich mich sehr gefreut: Immerhin gibt es neben dem pädagogischen Herz auch das ökonomische, das mal mehr, mal weniger stark in mir schlägt und biografisch durch die eigene (duale) Ausbildung zur Industriekauffrau bedingt ist. Das Podium gab mir nun die Gelegenheit, eigene Erfahrungen, aber auch fachwissenschaftliche Perspektiven vor einem interessierten Publikum einzubringen.

Wenn ich die Podiumsdiskussion rekapituliere, ergaben sich drei große Schwerpunkte in der Diskussion, wobei wir 1) eher in einer Datenschutzdebatte verhaftet blieben, als dass wir uns den Herausforderungen für 2) Individuen in Alltag und 3) Beruf genähert hätten. Ersteres überrascht mich dabei nicht: Speziell bei Themen, die Unsicherheit hervorrufen, gibt es viel Diskussionsbedarf, und auch Lagerbildungen sind gewissermaßen natürlich. So diskutieren auf der einen Seite meist diejenigen, die unerschrocken und aufgeschlossen mit neuen Themen und Begebenheiten umgehen, und auf der anderen Seite finden sich Stimmen, die sich (zunächst) in Zurückhaltung und Kritik üben. Die Debatte um Datenschutz hat dabei allerdings die nächste Stufe schon erreicht: Es gibt vielfältige Nutzungsformen des Internets, digitaler Werkzeuge und entsprechende Anwendungsszenarien in Bildungskontexten. Es existiert aber ein Medien- und Urheberrecht, das dem raschen Medienwandel sowie den vielfältigen Nutzungspraktiken kaum „hinterher“ kommt. Entsprechend wird der Ruf nach Regulierung lauter, auch wenn man kaum absehen kann, ob sie überhaupt etwas bringt. Dennoch scheint dieser dominanter als der Ruf nach umfassenden Medienkompetenzen, die eben nicht nur den technischen Gebrauch von Medien einschließen, sondern vor allem den aufgeklärten Umgang mit Medien adressieren sowie Lernumgebungen anstreben, die eine problem- und handlungsorientierte Auseinandersetzung möglich machen. Diese, wenn man so will, wiedergewonnene subjektive Betrachtungsweise auf Medien in Alltag und Beruf ist aber keineswegs einfach umzusetzen, da sie (im vorliegenden Fall) Unternehmen und Unternehmenszielen im Weg zu stehen scheint: Einerseits sind mitdenkende („mündige“) Arbeitnehmer/innen gewünscht, andererseits geht es (je nach Berufsgruppe) auch um die bloße Ausführung von Tätigkeiten. An der Stelle hätte man gut an frühere Diskussionen um die Subjektivierung von Arbeit und zugehörige Transformationsprozesse anknüpfen können, dafür war die Zeit aber zu knapp und der Schwerpunkt Datenschutz letztlich zu ausgeprägt. Insofern näherten wir uns lediglich der „Digitalen Gesellschaft“ mit inhärenten Positionen und Facetten und suchten weniger nach konkreten Lösungen oder Handlungsoptionen darin.

Ob das nun gut oder schlecht ist, mag ich an der Stelle nicht bewerten: Für mich ist es eher ein Zeichen von nach wie vor großer Unsicherheit im Umgang mit Medien und Medienwandel und einer Diskussion, die sich nur langsam inhaltlich verändert und in unterschiedliche gesellschaftliche Bereiche diffundiert.

Podiumsdiskussion: Zukunftsmodell Notebook-Klasse

In meinem zweiten, dritten (ja, wie vieltem eigentlich?) Leben bin ich für das imb als Pressesprecherin unterwegs und hatte in dieser Funktion heute die Ehre, einer Podiumsdiskussion zum Einsatz von Notebooks in der Schule in Gauting beizuwohnen. Die Diskussionsrunde wurde von der FDP organisiert und zeigt mit Nachdruck auf, dass der Medieneinsatz in der Schule mit ein paar Jahren Verspätung nun auch im Bewusstsein der Politik angekommen ist. Meine Aufgabe in der Runde war es, aus Sicht einer Medienpädagogin über den Notebookeinsatz, über Veränderungspotenziale durch (digitale) Medien und notwendige Rahmenbedingungen zu sprechen und bei der Gelegenheit das eine oder andere Forschungsergebnis anzuführen. Hierzu wurde ich gebeten, zentrale Studien zum Nachlesen auf ein paar Folien zusammenzufassen, die ich gern auch hier zur Verfügung stelle:


Was mir an der Podiumsdiskussion wirklich sehr gut gefallen hat, ist, dass alle schulischen „Stakeholder“ gefragt wurden, d.h. neben der wissenschaftlichen Sicht kamen Schüler, Lehrer, Schulleiter und Eltern zu Wort; auch die Politik selbst war zugegen, um die Möglichkeiten des Notebookeinsatzes auf finanz- und bildungspolitischer Ebene zu hinterfragen. Diese Kombination an Personen ist wirklich essentiell, um den Einsatz von Notebooks über die Grenzen der Einzelschule hinweg zu diskutieren und letztlich auch entsprechende Rahmenbedingungen für den Gebrauch zu schaffen. Auch helfen Beispiele in der Regel sehr gut dabei, ein Phänomen zu erfassen und erste Ankerpunkte für die Diskussion zu suchen.

Inhaltlich brachte diese Diskussion einmal mehr die Punkte zu Tage, die schon in den vielen Studien (s.o.) aufgedeckt wurden: So geht es immer noch darum, wie man Notebooks in den Unterricht integriert, welche Potenziale für einen „besseren“ Unterricht bestehen und ob man Schüler durch den Medieneinsatz stärker als ohne Medien zum Lernen motivieren kann. Dabei wird selten danach unterschieden, ob es um den Computer als Hardware oder um die vielen digitalen Werkzeuge geht, die auf einmal im Unterricht nutzbar werden. Auch wird recht pauschal über Frontalunterricht geschimpft, ohne zu differenzieren, wozu sich welche Unterrichtsmethode eignet. Ich sah mich daher an ein paar Stellen gezwungen, die mitunter sehr große Euphorie zu stören und den Blick auf die Ziele des Notebookeinsatzes bzw. digitaler Werkzeuge zu lenken. Was nämlich mit der Diskussion um Notebooks in der Schule einhergeht, ist der Wunsch nach Veränderung von Schule hin zu mehr Selbstorganisation und Kooperation. In diesem Diskussionsstrang gefangen, ist man dann schnell bei der Rolle des Lehrers, seinen Fähigkeiten zum Medieneinsatz und seiner Bereitschaft zur Verwirklichung alternativer Methoden im Unterricht. Dass diese Bereitschaft erst einmal ganz unabhängig vom Medieneinsatz zu sehen ist, wird (zu) schnell vergessen.

Da Vertreter einer Hauptschule und eines Gymnasiums anwesend waren, ging es auch um den Vergleich der Schultypen. Hier hatte ich allerdings mitunter das Gefühl, dass „Äpfel mit Birnen“ verglichen werden, da die unterschiedlichen Schulen vor ganz anderen Herausforderungen stehen. So steht in der Hauptschule ganz klar die Employability ihrer Schüler im Vordergrund. Insofern wird auch den sozialkommunikativen Kompetenzen und den Fähigkeiten zum Projektmanagement in der Hauptschule mehr Gewicht beigemessen als im Gymnasium, wo Inhalte und Methoden offensichtlich etwas mehr Bedeutung einnehmen. Auch die Finanzierungsmöglichkeiten und -modelle haben es (traditionell) schwer, 1:1 von einen auf den anderen Kontext übertragen zu werden.

Fazit: Alles in allem bin ich froh, den Termin wahrgenommen zu haben, da Stimmen aus der Praxis gut demonstrieren, dass in Punkto Medieneinsatz in der Schule noch viel getan werden kann/muss. Auch lassen sich einige Bezüge zur Hochschule ziehen, die zumindest methodisch-didaktisch vor ähnlichen Fragen wie die Schule steht (Stichwort: Paradigmenwechsel).

Update 11.03.2010: Richard hat mich auf eine spannende Artikelserie zum Notebookeinsatz in der Schule hingewiesen – die möchte ich Euch nicht vorenthalten: http://escholarship.bc.edu/jtla/