Still, aber nicht untätig

In letzter Zeit ist es still geworden auf dem Blog – erstmals seit 2007 – und das hat einen einfachen Grund: Die drei zeitgleich gestarteten, BMBF-geförderten Forschungs- und Entwicklungsprojekte sowie damit zusammenhängende Teamentwicklungsprozesse erfordern derzeit meine Aufmerksamkeit. Ich bin in der Zwischenzeit also nicht untätig, im Gegenteil:

Einblick in ein erstes Projektergebnis aus dem You(r) Study-Verbundforschungsprojekt bieten jetzt bspw. unsere systematischen Reviews zu digitalen Lerninfrastrukturen, zu mediengestützten Lehr-/Lernszenarien sowie zur Mediennutzung Studierender. In den Reviews haben die unterschiedlichen Projekt-Beteiligten den Forschungsstand, so er für die nächsten Schritte im Projekt relevant ist, aufgearbeitet. Inhaltlich sind die Ergebnisse auch außerhalb von You(r) Study interessant, weswegen sie seit einigen Tagen unter freier Lizenz auf dem You(r) Study-Blog verfügbar sind. Auf dem Blog schreiben wir als Verbundprojektteam übrigens auch über weitere Aktivitäten rund um das Projekt. Vorbeisurfen oder abonnieren lohnt sich also.

Apropos Blog: Auch in den OERlabs tut sich sukzessive etwas, u.a. berichten wir in regelmäßigen Podcasts über offene Handlungspraktiken, die nach aktuellem Stand so schwer in Textform zu fassen sind. Zudem findet in Kürze der erste Multistakeholder-Dialog an der Universität zu Köln sowie an der TU Kaiserslautern statt, um mit vielen Beteiligten über Medienbildung in der Lehrer*innen(aus-)bildung ins Gespräch zu kommen. Dazu werden wir mit Utopien (von Schule) starten und uns nach und nach Fragen der Ermöglichung von Medienbildung, bestehenden Annahmen und medienbezogenen Routinen sowie (hoch-)schulischen Strukturen zu widmen.

Das geschieht in #ko.vernetzt übrigens auch, allerdings vor dem Hintergrund einer erwachsenenbildnerischen Perspektive der Förderung von Medienkompetenzen. Aktuellen Einblick bietet eine Präsentation (Download PDF), die für die Tagung Berufsbildung 4.0 der AG BFN entstanden ist.

Seminarauftakt: Bildungsprojekte gestalten, gesellschaftliche Veränderungen anstoßen

Lehre wird aus studentischer Sicht oft als Äquivalent zur Vermittlung von Inhalten und Theorien verstanden. Sie wünschen sich daher nicht selten, die theoretischen Inhalte auch innerhalb von Hochschule zur Anwendung zu bringen. Dieser Anwendungs- oder auch Praxisbezug fängt für sie bei Beispielen von Lehrenden innerhalb von Lehrveranstaltungen an. Er zeigt sich genauso in den Geschichten, die Studierende von eigenen (beruflichen) Erfahrungen erzählen. Eine weitere Möglichkeit stellen Seminar- oder Projekt-ähnliche Lehrveranstaltungen dar, die allein durch ihre Form den Wissenstransfer anstoßen wollen. In letztere Kategorie fällt sicherlich auch unsere Lehrveranstaltung „Bildungsprojekte gestalten, gesellschaftliche Veränderungen anstoßen“, die Taiga Brahm und ich im Frühjahrssemester 2015 an der Universität St. Gallen gemeinsam anbieten (zum Blog). Im sog. Kontextstudium bieten wir Studierenden hier die Gelegenheit, entweder selbst Projekte mit Bildungsbezug zu gestalten oder aber bestehende Bildungsprojekte mit wissenschaftlichen Methoden zu untersuchen und Gestaltungsempfehlungen zu ihrer Veränderung/Verbesserung abzugeben. Die Lehrveranstaltung gibt den Studierenden den Raum für eigene Forschungs- und Projektvorhaben, kann für sie aber auch eine Werkstatt zu sein, in der sie das eigene Projekt ausgestalten. Dazu haben wir bspw. den mittleren Teil des Seminars geblockt. Gespannt bin ich aber vor allem darauf, in welche Richtung sich die studentischen Projekte entwickeln, welchen Bildungsbezug sie herstellen oder welches größere (gesamtgesellschaftliche) Ziel sie mit den Projektvorhaben verfolgen. Gleichzeitig wird es interessant, wie man Inhalte (Theorien, Modelle, Konzepte, aber auch Begriffswelten und Zusammenhänge) aus Lehrendensicht so darstellt, dass sie dem Kontextstudium gerecht werden. Darin geht es nämlich unter anderem darum, dem Fachstudium ergänzende Perspektiven interdisziplinär zu entwickeln – und das auf Masterniveau.

„Gruppenarbeit? Kann ich!“

Ein Ausspruch des zurückliegenden Frühjahrssemesters geht mir nicht aus dem Kopf. Dort hieß es: „Gruppenarbeit? Kann ich!“ Adressiert wurde der überfachliche Teil zur Kommunikation in und von Projekten innerhalb unseres Seminars Projektmanagement. Im ersten Moment musste ich über den Ausspruch grinsen, denn der trifft sicherlich das Gros der Studierenden und deutet auch darauf hin, dass man Universität vielfach für ‚harte‘ Fakten, weniger für ‚weiche‘ Themen wahrnimmt. Dass speziell im Seminar wie Projektmanagement beides angesprochen und bearbeitet wird, ist für das Dozierenden-Team völlig logisch, für die Studierenden offenbar eine Brücke, über die sie erst gehen müssen. Es verwundert daher nicht, dass der inhaltliche Block zur Kommunikation, Gruppenarbeit, aber auch zu Gruppenstrukturen und Machtgefügen noch in größerer Runde rezipiert wurde (ich sage bewusst ‚rezipiert‘ in Anlehnung an Gabis „Kino fällt aus!“), während eine anschließende Übung zu Gruppenarbeit eher als banal wahrgenommen und fast vollständig abgetan wurde. Nachdenklich macht mich diese studentische Reaktion schließlich aus zwei Gründen: (1) Offenbar ist es bis auf Weiteres einfacher, sich in akademischer Lehre mit Fakten zu beschäftigen und diese grundständig zu vermitteln. Es folgt zwar mitunter ein Feedback, das auf inhaltliche Dopplungen oder Überschneidungen zu anderen Lehrveranstaltungen hinweist, im Kern ist diese eher frontal und stark inhaltlich aufgeladene Form der Lehre aber erwartungskonform. (2) Werden Inhalte, wie in unserem Fall, nicht nur ‚hart‘ besprochen, sondern auch ‚weich‘ bearbeitet durch Übungen in Präsenzsitzungen, ein Blended Learning-Konzept usw., stellt sich schon die Frage, ob und warum solche Lehrveranstaltungsformate nach wie vor Überraschung unter Teilnehmenden auslösen, mitunter ein Wegbrechen unter ihnen evozieren. Man könnte alles jetzt auf Fehler im Konzept schieben und es mag sein, dass nach der ersten Durchführung von Lehrveranstaltungen nochmals Anpassungen vorgenommen werden müssen (bzw. auch werden, ganz im Sinne von Design-based Research). Dass es aber ‚nur‘ ein Fehler im Konzept ist, davon gehe ich mal nicht aus – spätestens im Verlauf des forschungsorientierten Studieneingangs werden die Studierenden mit Projektarbeit, Gruppengefügen und -strukturen konfrontiert, die gelungene Kommunikation und Zusammenarbeit über die Semesterferien hinweg (ja, hier sind nun Ferien!) nötig machen. Ich bin daher vielmehr gespannt, wie die Studierenden nach Ablauf des ersten Studienjahrs unsere Seminar-Inhalte beurteilen und ob es dann noch heißt: „Gruppenarbeit? Kann ich!“