Fachgespräch „Medienpädagogik und Jugendmedienschutz“

Jugendmedienschutz – ein klassisches medienpädagogisches Thema und Anwendungsfeld, das ähnlich wie andere Felder einem absoluten Umbruch unterworfen ist. Auf der einen Seite existieren nach wie vor rechtliche Bedenken und bewahrpädagogische Konzepte im Bereich des JugendmedienSCHUTZES, auf der anderen Seite bestehen euphorische Annahmen hinsichtlich der medialen Vielfalt und erMÖGLICHender Konzepte zur selbstbestimmten Auseinandersetzung mit Medien und Medienwandel. Was das Fachgespräch „Medienpädagogik und Jugendmedienschutz“ vergangenen Montag in Nürnberg allerdings nochmals deutlich machte, war vor allem eins: Die Dichotomie der Beschäftigung – Schutz und Recht hier, Ermöglichung und Projekte dort – entspricht kaum mehr der Gegenwart des Verständnisses von Jugendmedienschutz. Stattdessen gilt es nach Konzepten zu suchen, die bestenfalls die unterschiedlichen Facetten des Anwendungsfelds abdecken (wie unser früheres Projekt Reflect!) oder aber unterschiedliche Erfahrungsgrade, Interessensfelder, Probleme usw. einbeziehen. Und auf einmal ist man beim Thema Jugendmedienschutz mitten in der Diskussion um passende didaktische Formate, die nicht nur Kinder- und Jugendarbeit etwas angeht, sondern unter lebenslanger Perspektive eine Vielzahl von Beteiligten betrifft. Auch differenzieren sich die Rollen insbesondere in der (außer-)schulischen Jugendarbeit mehr und mehr aus, denn: Wer ist pädagogische Fachkraft und vermittelt grundständiges Wissen über Jugendmedienschutz? Wann bzw. zu welchem Zeitpunkt kommen andere vermittelnde Instanzen (u.a. auch Peers) ins Spiel? Fragen über Fragen, die bei o.g. Fachgespräch nur angerissen und keineswegs abschließend und auf Initiative von JFF (Peer3) bzw. BMFSFJ geklärt werden konnten.

Reflect! hoch zwei

Die Implementierung des Medienprojekts Reflect! liegt schon gut ein Jahr zurück. Seitdem wurde Reflect! einmal initiiert und in Kooperation von HAW Hamburg (Studiengang: Bildung und Erziehung in der Kindheit) und JRK Hamburg durchgeführt. Die erste Phase des Projekts zu begleiten, war für mich höchst spannend: U.a. ging es um aktive Medienarbeit an der Hochschule, die Verwobenheit von Hochschulen und Gesellschaft (Stichwort: Service Learning), um Peer-Lernen, Kooperation und Vernetzung sowie um (veränderte) forschungsparadigmatische Standpunkte zu dessen Erforschung und Entwicklung.

Die vielfältigen Eindrücke zum Projekt haben wir nun in zwei Artikeln verarbeitet: Während der Text in der Hamburger Zeitschrift standpunkt : sozial eher auf die praktische Seite des Projekts eingeht und u.a. auch Teilnehmende zu Wort kommen lässt, wird in der merz Wissenschaft bald ein Artikel über Reflect! aus mediensoziologischer Sicht erscheinen. Letzterer Artikel zielt darauf ab,

„Gestaltungs- und Forschungsoptionen für mediale Bildungsräume an Hochschulen offen zu legen. Dazu werden Überlegungen zur Mediensozialisation an der Hochschule mit medienpädagogischen Konzepten verknüpft, ehe die Bedeutung der Gestaltung von Sozialisationsbedingungen mit Medien untersucht und nach entwicklungsorientierten Perspektiven zu deren Erforschung gesucht wird. Zur Veranschaulichung dieser Überlegungen dient das Projekt ‚Reflect!‘, das an einer Hamburger Hochschule im Wintersemester 2012/2013 die Auseinandersetzung mit und über Medien anstieß und soziales, kritisch-reflexives Medienhandeln ermöglichte“ (aus dem Abstract).

Voraussichtlich kommt der eine Text ohne den anderen aber nicht aus: Speziell rückblickend zeigt sich die interne Komplexität, weshalb es durchaus anspruchsvoll ist, zentrale Faktoren oder Mechanismen des Medienprojekts knapp zu beschreiben. So wird im eher praxisorientierten Artikel bspw. skizziert, welche Phasen das Projekt hat und wodurch sich diese detailliert auszeichnen; zugleich wird das einzige Teilprojekt, das schließlich umgesetzt wurde, von Studierenden selbst näher eingeordnet („WWW – Welche Welt ist wirklich?“). In beiden Artikeln sollte aber eins deutlich geworden sein: Wenn man ein Projekt mit und über Medien anbietet, geht es nicht allein um den technischen Gebrauch oder die Reflexion digitaler Medien. Stattdessen gewinnt die Kommunikation und damit das Soziale der Medien im Projekt an Bedeutung (durch die Zusammenarbeit unterschiedlicher Gruppen, durch das pädagogische Verständnis von Medien usw.) –  Bildungsziele, die unter bestimmten Bedingungen auch für Hochschulen relevant und erstrebenswert sind.

Quellen:

  • Hofhues, S., Jochums, A.-S. & Kohrs, L. M. (2013). Vielfalt der Medien, Komplexität medialer Bildungsräume? Gestaltung und Erforschung crossmedial-vernetzter Medienprojekte an Hochschulen. medien + erziehung (merz) Wissenschaft 2013, 6, 108-119.
  • Jochums, A.-S., Kohrs, L. M. & Hofhues, S. (2013). Reflect! Medien gemeinsam nutzen, analysieren und bewerten. Ein (Peer-to-)Peer-Medienprojekt. standpunkt : sozial. 2, 139–146.

Projektabschluss: Reflect!

Die Zeit rennt! Vor knapp sechs Monaten hatte ich hier im Blog darauf hingewiesen, dass unser Medienprojekt Reflect! durch die Förderinitiative peer3 gefördert wird. Rückblickend immer noch eine tolle Sache, denn die Projektförderung erlaubte es, den Teilnehmenden Fahrtkosten zu erstatten, Gelder für Materialien auszugeben, Veranstaltungen zu organisieren etc. Ein großer finanzieller Posten, der sonst durch die Hochschule auch anfällt, ist die Begleitforschung. Bei Reflect! war und ist dies aber anders, da die Veränderung der medienpädagogischen Praxis, nicht die Erforschung im Vordergrund der Projekte stand. Die offizielle Begleitungforschung des Projekts wurde daher ausgelagert und durch das JFF in München übernommen, sodass Teilnehmende und Projektleitung im Prozess auf unterschiedlichen Wegen befragt/untersucht wurden. Ganz gleich war uns die Entwicklung des Projekts allerdings nicht, da es in dieser Art für die HAW und das Jugendrotkreuz neu war und ist. Wir haben daher zusätzlich ein studentisches Evaluationsteam in das Projekt integriert, das Reflect! als realen Gegenstand untersuchen darf und hierzu auch andere Methoden als ausschließlich Befragungsinstrumente nutzt. Auch passt eine Untersuchung von Studierenden gut ins Bild von Peer-Education.

Der Förderzeitraum ist inzwischen so gut wie vorbei und das Projekt endete am vergangenen Mittwoch mit der Abschlussveranstaltung an der HAW Hamburg in kleiner, aber feiner Runde, zu der auch Expert/inn/en außerhalb des Projekts eingeladen waren. Besonders gefreut habe ich mich über die Anwesenheit und das kritische Mit-Diskutieren von Christina Schwalbe, Marianne Wefelnberg und Ralf Appelt, die meine Mediensicht auf die Dinge wunderbar unterstützt und, was noch wichtiger ist, die Teilnehmenden zum Nachdenken angeregt haben. Unser Projektmentor von medien + bildung war leider verhindert, dafür waren einige Personen aus Leitungsgremien des Jugendrotkreuzes zugegen und haben sich die Ergebnisse gespannt angeschaut. Auch dies war und ist eine tolle Wertschätzung für das Projekt.

Reflect! zielte im Kern darauf ab, Medienkompetenzen bei Studierenden der HAW und Ehrenamtlichen des Jugendrotkreuzes zu entwickeln – mithilfe eines Peer-Coaching-Ansatzes, der dazu führte, dass Studierende und Ehrenamtliche ein Team (Tandem) bildeten und dabei auch noch ihre Multiplikatorenrolle für das Jugendrotkreuz im Sinn behalten mussten. Inhaltlich bot der Jugendmedienschutz einen groben Rahmen zur Auseinandersetzung, der wirklich nur sehr grob gesteckt war, denn: Uns ging es im Projekt vor allem darum, dass Studierende und Ehrenamtliche sich überhaupt mit Mediatisierung i.w.S. auseinandersetzen (vgl. dazu Krotz, 2001; 2012) und aus Alltagsbeobachtungen und -herausforderungen eigene Fragestellungen für ein Teilprojekt in Reflect! ableiten. Wenn man so will, ging es um die permanente und gemeinsame Auseinandersetzung mit und über Medien, ohne dabei zwingend neue oder andere Medien als die Gewohnten zu nutzen. Letzteres ist zugleich auch ein Kernergebnis des Projekts: Allein durch die Auseinandersetzung mit und über Medien in einer ungewohnten Konstellation zwischen Ehrenamtlichen und Studierenden haben alle Beteiligten das Gefühl, ihre Medienkompetenzen entwickelt zu haben. Und diese Medienkompetenzen beschränken sich nicht allein auf eine technische Bedienkompetenz (durch Nutzung von iPads, des Projekt-Blogs, Whats App etc.), sondern auch auf kritisch-reflexive Elemente (im Sinne von „Wozu sind die Medien gut und was machen die Medien mit mir?“).

So überrascht es rückblickend nicht, dass die Studierenden und Ehrenamtlichen im einzigen Teilprojekt, das im Projektverlauf übrig geblieben ist, sich philosophierend möglichen Fragestellungen im Bereich Medien genähert haben, vielmehr noch: Sie haben zusammen mit weiteren Jugendlichen in der Lernwerkstatt der HAW Philosophieren als Methode angewendet, um sich etwaigen Problemen der Jugendlichen mit Medien zu nähern (sozusagen als argumentative Basis von Maßnahmen zum Jugendmedienschutz). Diese Spezialform des Gruppeninterviews hat das Team selbst aufgezeichnet – mit einem iPad, das sich die Beteiligten aus dem Bestand der HAW ausgeliehen hatten – und zugleich als Dokumentation für die eigentliche Projektpräsentation genutzt. Inhaltlich drehte sich ein Großteil der Diskussion um den (möglichen?) Gegensatz von Realität und Virtualität, den die Studierenden bereits beim Kick-off als Herausforderung in die Diskussion eingebracht hatten und der sich offenbar als Gegenstand der Diskussion gehalten hat.

Dass ausgerechnet dieses Thema zur weiteren Auseinandersetzung aufgegriffen wurde, finde ich nach wie vor spannend, zeigt es doch, wie weit sich die wissenschaftliche Fachdiskussion von gefühlten Herausforderungen in der Auseinandersetzung mit und über Medien entfernt. Allerdings erlaubte es unser Verständnis des Projekts und von der Funktion der Projektleitung nicht, hier lenkend einzugreifen, denn das Projekt sollte „durch und durch“ von den Peers gestaltet werden. Während der erste Zugang zum Thema für mich also durchaus schwierig war, war ich über den Ausgang des Teilprojekts höchst überrascht und auch begeistert: So haben die Studierenden und Ehrenamtlichen sich – analog zu einem existierenden Stück – ein kurzes Theaterstück überlegt, das die Unterschiede insbesondere in der Kommunikation zwischen real und virtuell aufzeigt. Danach möchten sie mit Jugendlichen über Unterschiede (und Gemeinsamkeiten!) philosophieren und schließlich über Mediatisierung reden, weniger selbst Medien produzieren oder anwenden.

Im Ergebnis ist der erste Projektdurchlauf von Reflect! also überraschend, aber passend zugleich: Wenn ein Projekt zur kritischen Reflexion von Medien anregen will, ist es letztlich nur konsequent, dass der reflexive Anteil z.B. ggü. eigener Produktionstätigkeit an Bedeutung gewinnt. Auch ist denkbar, dass hierin die Kooperation zwischen Studierenden und Ehrenamtlichen sichtbar wird, immerhin werden die Studierenden an der HAW zu pädagogischen Fachkräften ausgebildet, sodass Reflect! dazu ein wichtiges Lernfeld bieten kann. Ich glaube, ich nehme dem gemeinsamen Projektabschluss mit allen Peer3-Projekten im April im Thüringer Wald nicht zu viel vorweg, wenn ich von einer zufriedenen Projektleitung berichte, die sich über den Ausgang des ersten Durchlaufs freut. Auch haben wir für uns einige Aufgaben mitgenommen, die im Spannungsfeld von Struktur und Offenheit stehen, denn: Während die große Offenheit am Projekt abschließend besonders gelobt wurde, gab es durchaus Schwierigkeiten beim Suchen und Finden einer Idee, bei der Nutzung des Blogs („Wozu?“) und in der Kommunikation der Gruppen untereinander. Wir sehen hier durchaus Handlungsbedarf, der aus Erfahrung aber zu neuen, sprich Anschlussproblemen führen wird.

Literatur

  • Krotz, Friedrich (2001). Die Mediatisierung kommunikativen Handelns. Wie sich Alltag und soziale Beziehungen, Kultur und Gesellschaft durch die Medien wandeln. Opladen: Westdeutscher Verlag.
  • Krotz, Friedrich (2012). Von der Entdeckung der Zentralperspektive zur Augmented Reality: Wie Mediatisierung funktioniert. In Friedrich Krotz/Andreas Hepp (Hrsg.), Mediatisierte Welten (S. 27–55). Wiesbaden: VS.

Kick-off: Reflect!

Gestern ging es los: Nach Vorbereitungen im Hintergrund fand (endlich!) der Kick-off zu unserem neuen (Medien-)Projekt Reflect! statt. Ich hatte an anderer Stelle im Blog schon einmal über die Projekt-Förderung durch peer³ berichtet. Gestern Abend war ich für den medienpädagogischen Impuls zuständig, d.h. ich habe in aller gebotenen Kürze versucht zu erläutern, welche Herausforderungen und Ideen konzeptuell „hinter“ Reflect! stehen (zu den Folien).

Die Konzeption, Implementierung und Begleitung von Reflect! ist aus verschiedenen Gründen spannend: Das Projekt will Medienkompetenzen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen fördern und nutzt mit dem Jugendmedienschutz ein Rahmenthema, wo man neue(re) pädagogisch-didaktische Konzepte der Befähigung sucht und auch braucht, passen doch „klassische“ bewahrpädagogische Herangehensweisen immer weniger zum Charakter „der“ Medien. Gleichzeitig gehen wir, das sind neben mir Anna von der HAW Hamburg und Lisa vom Jugendrotkreuz, davon aus, dass die Zusammenarbeit unterschiedlicher Institutionen/Organisationen für die Lösung aktueller Herausforderungen eine interessante Förderperspektive darstellt. Im Projekt fallen nämlich zwei pädagogische Ansätze zusammen, die durch die Peer Education ihre Brücke finden: das Service Learning mit Medien aus Hochschulsicht und die aktive Medienarbeit aus Sicht der außerschulischen Jugendarbeit (hier: Ehrenamt). Gleichzeitig verdeutlicht auch Reflect!, wie solche Kooperationsideen angebahnt werden, sie basieren nämlich häufig auf bestehenden Kontakten, einem „Spinnen“ über mögliche gemeinsame Ziele und der Konkretisierung noch vager Ideen in Form eines Pilotprojekts. Insofern bin ich auf die Entwicklung(en) bei Reflect! hochgradig gespannt: Wie kollaborieren Studierende und Ehrenamtliche miteinander? Welche Teilprojektideen werden innerhalb von Reflect! verfolgt? Wie stellen sich Jugendliche und junge Erwachsene Jugendmedienschutz vor? Welche Rolle spielen die eingesetzten Peer-Tandems zwischen Studierenden und Ehrenamtlichen für die Förderung und Entwicklung von Medienkompetenzen? Etc. Sicher werden wir nicht alle Fragen durch ein Peer-(Medien-)Projekt abschließend klären können. Sie stehen aber im Raum und knüpfen bei aktuellen Herausforderungen inhaltlich-thematischer Art genauso an wie bei der Suche nach veränderten Herangehensweisen zur Förderung und Entwicklung von Medienkompetenzen.