Semesterbeginn | Vorstellung einer neuen Studienstruktur

Viele Universitäten und (Fach-)Hochschulen starten dieser Tage ins neue Semester, so auch alle Lehrenden an der FernUniversität, die in den Master eEducation: Bildung und Medien eingebunden sind. Das allein wäre keine Neuigkeit wert, wenn es nicht das letzte (Winter-)Semester wäre, an dem dieser Studiengang neue Erstsemester begrüßt, denn: 

Im Sommersemester 2023 starten wir mit einer überarbeiteten, neuen Studienstruktur in den Master Bildungswissenschaft mit Schwerpunkt Digitale Medien oder Erwachsenen-/Weiterbildung. Dabei lässt sich die neue Studienstruktur recht einfach so erklären (übernommen aus den hiesigen FAQ): 

  • Die Module A stehen für die verpflichtende Studieneingangsphase. Es gibt 4 A-Module.
  • Die Module B sind dem Schwerpunkt Digitale Medien zugeordnet. Es gibt drei B-Module.
  • Die Module C sind dem Schwerpunkt Erwachsenen-/Weiterbildung zugehörig. Es gibt drei C-Module.
  • Die D-Module sind dem Wahlpflichtbereich ohne ausgewiesenen Schwerpunkt zugeordnet.

Während die Rahmenbedingungen dieser neuen Studienstruktur überwiegend geklärt sind und beispielsweise gestern Abend die (vorerst) letzte Informationsveranstaltung dazu stattgefunden hat, arbeiten alle Kolleg_innen derzeit mit Hochdruck an der Fertigstellung ihrer jeweiligen Lehrangebote und -veranstaltungen. 

Wir selbst sind mit einem Eingangsmodul (auch) für den Studieneinstieg verantwortlich und werden vor diesem Hintergrund vor allem Gegenstände von Bildung und Medien thematisieren und methodische Fragen im Modus forschenden Lernens adressieren. Zudem sind wir (natürlich) im Schwerpunkt digitale Medien aktiv und werden dort künftig eine an einem Semesterthema orientierte Ringvorlesung anbieten, die zur Reflexion über aktuelle Mediendidaktik anregen soll. In diesem Rahmen ist beispielsweise auch ein Reader zu Traditionslinien in der Mediendidaktik entstanden, der hier zum Einsatz kommen wird – ganz im Sinne einer Critical Educational Technology.

Jahrestagung des Hagener Forschungsschwerpunkts digitale_kultur

Was für eine gelungene Jahrestagung der Hagener Forschungsschwerpunkt digitale_kultur da auf die Beine gestellt hat! Fast schon schade, dass ich nur 1,5 Tage dabei sein konnte, unter anderem während des letzten Tagungstags in Panel 2 „Verstehende Algorithmen, Algorithmen verstehen“.

Im Rahmen dieses Panels habe ich dann auch die Gelegenheit genutzt, ein paar Gedanken zu einer erziehungswissenschaftlichen Digitalisierungsforschung aufzuwerfen. Das genaue Thema lautete „‚You never know’: Überlegungen zum Umgang mit Daten, Algorithmen und tieferliegenden Strukturen digitaler Medien in erziehungswissenschaftlicher Digitalisierungsforschung“ (siehe Tagungsprogramm). Die Diskussionen über diesen Vortrag waren überaus interessant, warfen sie doch einerseits Fragen von Daten als digitale Archive, andererseits aber auch nach der Repräsentation und Verwaltung von Bildung auf.

Das zugehörige Skript zu meinem Vortrag stelle ich hiermit gerne zur Verfügung (Download .pdf). Und natürlich freue ich mich auf Anregungen zum Weiterdenken.

Impulsvortrag zur „Produktions- und Nutzungspraxis von freien Bildungsmaterialien jenseits digital-kapitalistischer Rationalitäten“

Im Rahmen der Tagung der Initiative „Bildung und digitaler Kapitalismus“ habe ich in der zurückliegenden Woche in Remscheid auf die eine oder andere Arbeit im Kontext von OER zurückgeblickt. Im Kern ging es mir um die Frage nach der Produktions- und Nutzungspraxis von freien Bildungsmaterialien jenseits digital-kapitalistischer Rationalitäten. Den zugehörigen Impulsvortrag stelle ich hier gerne zur Verfügung. (Download .pdf) Klasse finde ich auch, dass im Nachgang alle Impulse online zur Verfügung gestellt werden. Das bietet mir auch die Möglichkeit, den einen oder anderen auf der Tagung aufgeworfenen Gedanken nochmals nachzuvollziehen, weil ich leider nur kurz vor Ort anwesend sein konnte und mich wegen einer Disputation (im Übrigen zum Thema der leiblichen Ko-Präsenz) dann zugeschaltet habe.

Impulsvortrag im Sommerforum der Lehre der TUM

Vor einigen Tagen war ich von den Kolleg*innen des ProLehre-Teams der Technischen Universität München (TUM) zu einem Impulsvortrag im Sommerforum der Lehre eingeladen. Dass mich meine erste Dienstreise seit über zwei Jahren nach München führte, hat mich nicht nur sehr gefreut, ich habe auch sehr gerne die Gelegenheit genutzt, einige Ergebnisse des You(r) Study-Projekts vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie einzuordnen und mitunter neu zu deuten. Die Folien zu diesem Impulsvortrag mache ich hiermit gerne zugänglich. (Download .pdf)

Digitalisierung und Hochschulbildung | Skript und Folien zum Parallelvortrag im Rahmen des 28. DGfE-Kongresses

Im Nachgang des DGfE-Kongresses zum Thema „ENT|GRENZ|UNGEN“ stelle ich auf diesem Weg sowohl mein Skript als auch meinen Foliensatz zu meinem Parallelvortrag zu „Digitalisierung und Hochschulbildung“ zur Verfügung.

Wie immer gilt das gesprochene Wort. Ich freue mich auf weitere Einordnungen, Kommentare und Feedback.

Download: Vortragsskript | Foliensatz

Open Access: „Mikroformate“

Alle Artikel unseres Bandes über „Mikroformate“ stehen nun online auf den Seiten der Zeitschrift Kunst Medien Bildung (ZKMB) zur Verfügung. Auf diese Weise konnte einmal mehr der ‚grüne Weg‘ des Open Access beschritten werden. Außerdem haben die Artikel – meiner Einschätzung nach – nicht an Aktualität verloren, sodass ich allen interessante Lektüren wünsche, die in Printform noch keinen Einblick in den Band erhalten konnten. Aus dem Inhalt:

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Theoretische Perspektiven

Phänomenografische Studien

Pädagogische Anwendungen

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Quelle: Moormann, P., Zahn, M., Bettinger, P., Hofhues, S., Keden, H.-J. & Kaspar, K. (Hrsg.) (2021). Mikroformate. Interdisziplinäre Perspektiven auf aktuelle Phänomene in digitalen Medienkulturen. Schriftenreihe Kunst Medien Bildung (Band 8). München: kopaed.

Der Dialog ist beendet – für’s Erste #OERlabs

Das Projekt selbst ist noch nicht beendet, große Strecken des Dialogformats in den OERlabs schon: So fand gestern der 4. und letzte Multistakeholder-Dialog, initiiert durch die OERlabs, in Köln statt. Mit dem letzten Termin haben wir als Team Köln versucht, viele Fäden aus dem Projekt zusammenzuführen und eine Abschlussveranstaltung zu „stricken“, die aus den unterschiedlichen Perspektiven auf Digitalisierung, Medienbildung und Schule/Hochschule blickt. Aus meiner Sicht bleibt vom letzten Termin viel hängen, nicht zuletzt wg. eines interessanten Impulsvortrags zu Lernräumen (hier), den Posterpräsentationen unterschiedlicher Beteiligter und des Gesprächs mit dem DLR zur Förderlinie und OER-Policies ‚an sich‘. Dafür an alle Beteiligten mein herzlicher Dank! Ich selbst habe am Ende der Veranstaltung die entwickelten Lösungsansätze für OER an der Universität zu Köln an den Prorektor für wissenschaftliches Personal und Nachwuchs übergeben. Dank des Projektteams sind die konkreten Ideen über h5p im Netz zugänglich (hier); mein Redemanuskript zum ‚etwas anderen 10-Punkte-Plan‘ findet sich ebenfalls online zum Nachlesen (hier).

Was hängen bleibt… – Delegationsreise „Digitales Studium“ der #UzK

Nach vier Uni-Besuchen in Kanada und den USA und gut einer Woche „drüben“ weiß ich kaum, wo ich anfangen soll, zu berichten. Die Eindrücke der vergangenen Delegationsreise „Digitales Studium“ sind wirklich sehr vielfältig und gar nicht so digital, wie man angesichts der Reiseüberschrift meinen könnte.

So boten die unterschiedlichen Technologien, die sich für Lehre und Studium einsetzen lassen, zwar den Reiseanlass; gleichwohl kamen wir als Gruppe von +/- 11 Kolleg*innen der Universität zu Köln (UzK) unter der Leitung des Prorektors für Studium und Lehre (Prof. Dr. Stefan Herzig) immer wieder auf pädagogische bzw. (hochschul-)didaktische Fragen zu sprechen. All diejenigen, die im Feld selbst tätig sind, wird das nicht überraschen. Gleichwohl halte ich es für positiv, dass auf der Delegationsreise sowohl praktische als auch theoretisch motivierte Fragen gestellt wurden, dass Wissenschaft und Verwaltung gemeinsam reisten und dass wir mehrfach die Gelegenheit hatten, unsere Eindrücke untereinander zu teilen. Letzteres finde ich persönlich sehr wichtig, wenn die Reisetage voll sind und man die besuchten Unis hinsichtlich ihrer Ideen zum „digitalen Studium“ verorten möchte.

Für mich war es die zweite Reise dieser Art, da ich im Jahr 2013 bereits einmal mit den „Educational Experts“ (Fulbright) in San Francisco war (zu den Blogbeiträgen von damals). Insofern hatte ich (auch) den direkten Vergleich, was Entwicklungen an den Universitäten Stanford und Berkeley betrifft. Letzteres war ganz interessant, da ich beide Universitäten in diesem Jahr anders wahrgenommen habe als noch vor drei Jahren:

Von der unternehmerischen Kultur und Denkart war ich in Stanford nicht mehr besonders überrascht, im Gegenteil. Es zeigte sich einmal mehr, dass hier bottom-up-Initiativen von Lehrenden und Studierenden vor dem Hintergrund einer unternehmerischen Kultur besonders geschätzt werden. Dies gilt nicht zuletzt für Initiativen rund um das digitale Studium. MOOCs sind (im Gegensatz zu 2013) zur Normalität geworden; sie werden initiiert, um Lehre und Studium zu bereichern und ggf. vor Studienbeginn auf die spezifische Lehr-Lernkultur in Stanford aufmerksam zu machen. Die Verschränkung der MOOCs mit grundständiger Lehre und Studium ist auffällig, weil MOOCs vielerorts „nur“ zu Marketingzwecken eingesetzt werden. Darüber hinaus werden jegliche (digitale) Initiativen unterstützt, die für Lehre und Studium förderlich sind – passend zur unternehmerischen bottom-up-Kultur des Silicon Valley.

Von meinem letzten Besuch in Berkeley war ich nicht ganz so überzeugt (siehe Blogpost aus 2013). Insbesondere fehlten mir weiterführende Ideen dazu, wie MOOCs oder allgemeiner gesprochen: digitale Medien, für Lehre und Studium eingesetzt werden könnten. Seit dem letzten Besuch hat sich hier aber einiges getan: Zum einen sind sichtbare Infrastrukturen geschaffen worden, die in dieser Form vor drei Jahren nicht erkennbar waren. Zum anderen hat mir die hochschulische Strategie der Verschränkung von zentralen (Digitalisierungs-)Initiativen und dezentralen Unterstützungsangeboten äußerst gut gefallen. Die damit verbundenen Visionen und Strategien wirkten durchdacht, gemäßigt (hinsichtlich des Technologie-Einsatzes) und vor allem von unten getragen. Letzteres ist bedeutsam, da man in Berkeley nicht so deutlich auf die unternehmerische Kultur verwies wie in Stanford. Hier steht vor allem „Research“ im Fokus (was sich nicht zuletzt an sechs Parkplätzen für Nobelpreisträger*innen zeigte :D).

Die jeweiligen Lehr-Lernkulturen haben uns auch in Vancouver (Kanada), an der University of British Colombia (UBC) und der Simon Fraser University (SFU), beschäftigt. Allerdings war die Auseinandersetzung damit zu Beginn unserer Reise noch (eher) implizit. So haben wir dort vor allem versucht zu erfassen, wie an den beiden Universitäten digitale Dienste und Services organisiert werden, welche Bedeutung Bibliotheken „heute“ haben, wie hochschuldidaktische Angebote „gestrickt“ werden etc. Immerhin ging es uns um die (organisatorische) Frage, wie sich ein „digitales Studium“ realisieren lässt.

Der sehr tiefe Einblick in die UBC war gleich zu Beginn der Reise sehr hilfreich:

So wurde rasch deutlich, wie zentrale und dezentrale Dienste/Abteilungen zusammengreifen können und wie sich aufgrund der digitalen Medien auch ganz neue organisationale Strukturen ausprägen. Auffällig war, dass die gesamten Aktivitäten rund um Digitalisierung in einem Zentrum („Centre for Teaching, Learning and Technology“ (CTLT)) gebündelt wurden und dort in interdisziplinären Teams an unterschiedlichen Problemen gearbeitet wird. D.h. Hochschuldidaktiker*innen und Informatiker*innen, Mediendidaktiker*innen (Instructional Designer) und Bibliothekare usw. lösen aktuelle Probleme gemeinsam innerhalb einer (Groß-)Abteilung. Angesichts der gegenwärtigen Strukturen von Hochschule finde ich diese Zusammenlegung in Hubs bemerkenswert und dem Gegenstand angemessen; auch konnte so dezidiert über neue Aufgaben von Bibliothek (z.B. Gestaltung von Lernräumen) diskutiert werden. Die bis dato geglückte Implementierung dürfte nicht zuletzt an strahlenden und kompetenten Personen wie auch an der Verbindung von zentralen und dezentralen Strategieelementen liegen.

Am Tag darauf haben wir die SFU besucht, eine deutlich kleinere Universität mit deutlich weniger Studierenden und Budget. Gleichwohl erlebten wir hier einen starken Kontrast: So habe ich die Personen auf Arbeitsebene als sehr kommunikativ und nett wahrgenommen, was für gelungene, problemorientierte Zusammenarbeit entscheidend ist. Gerade die Medien- und Hochschuldidaktiker*innen wirkten – bezogen auf das Lösen einzelner, lehrveranstaltungsbezogener Probleme – engagiert. Der verfolgte, strategische top-down-Ansatz in der Hochschul-IT passte hierzu nur eingeschränkt, wenn man wieder das Argument der hochschulischen Kulturen heranzieht. Denn die verfolgten Strategien sollten immer auch zur eigenen Kultur passen.

Es kommt daher nicht von ungefähr, dass wir uns als Gruppe mit unseren Fragen und Interessen nach den Besuchen in Kanada neu sortiert haben und „plötzlich“ Kultur- und Implementierungsfragen an Bedeutung gewonnen haben. Die erlebten Kulturen lassen sich dabei nur schemenhaft umreißen: Keine der besuchten Universitäten glich der anderen; die größten Schnittmengen sehe ich persönlich zwischen UBC (Vancouver, Kanada) und Berkeley (Kalifornien, USA).

Wie unsere Delegationsreise schließlich (und nochmals) klar aufgezeigt hat, gibt es nicht die „one size fits all“-Lösung für die Nutzung digitaler Medien über alle Universitäten hinweg. Vielmehr zeigen sich im Detail beträchtliche organisationale Unterschiede, wie mit digitalen Medien, Medienwandel, Studierwirklichkeiten etc. umgegangen wird. Die identifizierten Gemeinsamkeiten und Unterschiede sind oft kulturell verankert und teils auch normativ geprägt. Dies betrifft im Übrigen auch, wie Studierende gesehen werden: als Lernende, als Forschende, als Kund*innen und/oder als mitgestaltende Akteure von Universität. Es zeigt sich allerdings die Tendenz, Studierende in Studium und Lehre, aber auch in hochschulische Entscheidungsprozesse als Akteure stärker als bisher zu involvieren.

Vor uns liegt nun die Aufgabe, die vielen, großen und kleinen Erkenntnisse zuhause zusammenzutragen und für unsere Zwecke zu strukturieren. Dazu gehören kleine Tool-Tipps (z.B. das in den USA beliebte Kommunikationswerkzeug Piazza), aber auch strukturelle Fragen auf unterschiedlichen Gestaltungsebenen von Universität. Sicherlich werden wir auch die drei Bildungssysteme (Deutschland, Kanada, USA) rückblickend miteinander vergleichen müssen. So sollte es möglich sein, dass nach einer solchen Delegationsreise mehr bleibt als die schöne Erinnerung daran.

Vortrag: ‚Digitalisierung’: Herausforderung für Bildung und Hochschulen? #dk15

Digitalisierung – ein Phänomen, das derzeit in der öffentlichen Debatte in aller Munde ist und bildungs- und wissenschaftspolitisch aufgegriffen wird. So kommt es nicht von ungefähr, dass wirtschafts- und parteinahe Stiftungen, aber auch die Parteien selbst Digitalisierungskongresse ausrichten. Auf einem dieser Kongresse war ich heute zu Gast, um aus mediendidaktischer Sicht über Herausforderungen für Bildung und Hochschulen im Kontext der Digitalisierung zu sprechen (zum Kongress, zu meinen Folien). Aus zwei Gründen finde ich solche Gelegenheiten anregend: Erstens tragen sie dazu bei, dass der Austausch zwischen Wissenschaft und Politik intensiviert wird. Zweitens würde ich gerne einen Beitrag dazu leisten, dass die Debatte über Hochschul- und Mediendidaktik, passende pädagogische Konzepte, aber auch den „analogen“ Kern von Hochschule, wie es im Workshop hieß, in Gang kommt. Beides ist m.E. durch die Impulsbeiträge und die anschließende, gebündelte Diskussion gut gelungen: So wurde deutlich, mit welch zeitlicher Verzögerung politische Debatten im Vergleich zum wissenschaftlichen Diskurs mitunter geführt werden. Auch das historisch bedingte Miss-Verhältnis von Technologie und Pädagogik zeigte sich einmal mehr. Wie die wissenschaftlichen Impulse nun aber zur politischen Diskussion genutzt werden, obliegt der Politik selbst.

#crossposting: Offene Bildungsressourcen (OER) an Universitäten und Hochschulen: Plädoyer für eine didaktische Sicht

Der folgende Beitrag geht auf eine Anfrage der Wikimedia zurück. Da der Artikel ohnehin frei zugänglich ist, nutze ich gerne die Gelegenheit, ihn wortgleich auch bei mir zu posten (zur Quelle im Original).

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Offene Bildungsressourcen (OER) an Universitäten und Hochschulen: Plädoyer für eine didaktische Sicht

Wie wahrscheinlich ist es, dass offene Bildungsressourcen – kurz OER – akademisches Lehren und Lernen verändern? Nach Aussage der Autoren des aktuellen Whitepapers zu „Open Educational Resources (OER) an Hochschulen“ (Deimann, Neumann und Muuß-Meerholz, 2015) unwahrscheinlich. Dennoch lohnt es sich, danach zu fragen, welche Auswirkungen die Auseinandersetzung mit und über OER im Hochschulkontext insbesondere für Studium und Lehre haben könnte. Wie lässt sich die Diskussion vor allem mit einer (hochschul-) didaktischen Sicht verbinden?

Einführung und Stand der Diskussion

Was für eine kleine Gruppe interessierter Forschender und Praktiker_innen seit über einem Jahrzehnt selbstverständlich ist, steht seit etwa drei Jahren auch auf der bildungs- und hochschulpolitischen Agenda weit oben: die Beschäftigung mit offenen Bildungsressourcen (OER). Als offen und frei zugängliches Material sollen sie den Zugang zu didaktisch aufbereiteten Inhalten erleichtern und Einblicke in Lernen und Arbeiten in Bildungseinrichtungen geben. Vorreiter für Universitäten und Hochschulen war sicherlich das Massachusetts Institute of Technology (MIT): Im MIT OpenCourseWare werden Lehr-Lerninhalte schon seit 2002 als offene Bildungsressourcen frei zur Verfügung gestellt. Mit dem Aufkommen der Massive Open Online Courses (MOOCs) wurde die Debatte um offene Bildungsressourcen in der Breite entfacht: National wie auch international stellt sich die Frage, wie man unter gegenwärtigen technischen und rechtlichen Bedingungen auf (öffentliches) Wissen zugreifen kann und welche Rolle Bildungseinrichtungen dabei spielen. Sind sie bspw. dafür verantwortlich, in ihnen entstandenes Wissen stets frei und offen zur Verfügung zu stellen? Ein Schwerpunkt in der Diskussion liegt daher im offenen Zugang zu Wissen, eine Forderung der Open Access (OA)-Bewegung, die seit ihrer Initiierung große Erfolge aufweist. So ist beispielsweise am 17. April 2015 in einem Spiegel-Artikel von einem „wegweisenden Urteil“ zu lesen: Demnach dürfen Uni-Bibliotheken alle Bücher digital anbieten. Der Weg zu einem freien und offenen Zugang zu Wissen und Informationen in Universitäten und Hochschulen ist demnach bereitet. Für offene Bildungsressourcen auch?

Die OA- und die OER-Bewegung basieren zwar auf denselben Prinzipien, die mit den Leitideen der 5R im Sinne des Open Content beschrieben werden: Es geht um

  1. das Recht, eigene Kopien von bestehenden Inhalten zu machen (Retain),
  2. das Recht, Inhalte wiederzuverwenden (Reuse),
  3. das Recht, Inhalte für eigene Zwecke anzupassen (Revise),
  4. das Recht, Inhalte unterschiedlicher Art zu vermischen (Remix) sowie
  5. das Recht, Kopien dieses neu entstandenen Inhalts wieder zu verbreiten (Redistribute).

Ein Unterschied findet sich aber doch: Während OA vor allem die Zugänglichkeit zu Büchern und anderen, textbasierten Veröffentlichungen regelt, setzt die OER-Bewegung darauf, dass didaktisch aufbereitetes Material der Gesellschaft zur Verfügung gestellt wird. Sie zeichnet an dieser Stelle ein ausgeprägter, beinahe idealistischer Gemeinwohlcharakter aus. Gleichzeitig nimmt die Bewegung durch den Fokus auf aufbereitetes Material selbst eine Einschränkung für den hier zugrunde liegenden Kontext Universitäten bzw. Hochschulen vor: In den Blick geraten vor allem solche digitalen Materialien, die für Lehre und Studium entstanden sind. Darunter fallen Lehrbücher genauso wie ganze Lehrveranstaltungen, in denen digitale Ressourcen entstanden sind oder die selbst digital z.B. in Form eines MOOCs vorliegen. Solche definitorischen Abgrenzungen sind hilfreich, um den tatsächlichen Stand von OER an Universitäten und Hochschulen zu begreifen. Sie machen beispielsweis klar, warum sich derzeit ein technischer, infrastruktureller oder auch bibliothekarischer Schwerpunkt in der Debatte ergibt: Orientiert an der Schwesterdebatte um OA wird vor allem nach nachhaltigen Möglichkeiten gesucht, didaktisch aufbereitetes Material digital zur Verfügung zu stellen. Dass hier Technologien genauso zum Einsatz kommen wie etablierte und neue Standards aus der Bibliothekswelt, dürfte klar sein und die disziplinäre Verortung der Debatte erklären.

Von dieser Schwerpunktsetzung gehen auch Deimann, Neumann und Muuß-Meerholz (2015) in ihrem kürzlich erschienenen Whitepaper zu „Open Educational Resources (OER) an Hochschulen“ aus. Sie konstatieren aber zugleich, dass sich die gesamte Debatte um OER an Hochschulen noch in den Kinderschuhen befindet. Obschon es nicht an Leuchtturmprojekten fehlt, mangelt es vor allem an dem Willen und den persönlichen wie auch technischen Ressourcen, Bildungsmaterialien in der Breite zur Verfügung zu stellen. Die Autoren des Whitepapers kommen allerdings zu dem Schluss, dass offene Fragen zu umfangreichen Infrastrukturen für digitales Bildungsmaterial oder Qualitätssicherungsinstrumente bald geklärt sein dürften. Doch so manch andere Frage bleibt nach Ansicht der Autoren unbeantwortet, darunter die Frage nach dem Einsatz von OER für das akademische Lehren und Lernen.

Leerstellen in der gegenwärtigen Diskussion

Es ist erstaunlich, dass insgesamt nur wenige normative Zielvorstellungen existieren, wozu Bildungsmaterialien digital vorliegen sollten. Zwar wird regelmäßig postuliert, „Bildung für alle“ solle ermöglicht werden. Selten werden aber weitere Szenarien für akademische Kontexte entworfen, wie man mit den frei und offen zugänglichen Bildungsmaterialien auch studieren könnte. Denn eins dürfte klar sein: Die Verfügbarkeit des Materials allein sorgt nicht dafür, dass damit auch gelernt wird. Es dient allenfalls einer kleinen Gruppe Engagierter dazu, sich im eigentlichen Sinne zu bilden. An dieser Stelle kommen Bildungsinstitutionen wie Universitäten und Hochschulen zurück ins Spiel: Sie bieten Lehr-Lernkontexte an, innerhalb derer gelernt wird – ganz gleich, ob mit OER oder mit anderen Materialien. Entsprechend stellt sich für Universitäten oder Hochschulen weniger die Frage danach, welches Material für Lernen und Bildung genutzt wird – dies wird ohnehin stark über das Fach oder die zugehörige Disziplin bestimmt. Vielmehr ist danach zu fragen, in welchen didaktischen Szenarien sich Optionen zur Nutzung, aber eben auch zur Weiterentwicklung von Bildungsmaterialien jeglicher Art ergeben.

Stellt man sich diese Frage(n), gelangt man rasch zu einer älteren didaktischen Diskussion darum, welche Rolle die eigene Wissensproduktion in Hochschulen gegenüber der Rezeption bestehenden Wissens spielt (vgl. Mayrberger und Hofhues, 2013, S. 57). Übersetzt in den Kontext der OER-Diskussion ginge es dann vor allem um offene Bildungspraktiken (OEP): Wie gestaltet sich akademisches Lehren und Lernen, wenn dort freie und offene Bildungsmaterialien zum Einsatz kommen? Welche Bedeutung haben dann Kollaboration und Vernetzung von Lernenden? Wie realistisch wären offene Curricula, wonach sich Studierende ihre Lerninhalte komplett selbst zusammenzusuchen bzw. -stellen? Welche Fähigkeiten würden bei Lernenden adressiert, wenn die Verantwortung für ihr Lernen und ihre Bildung komplett auf ihren Schultern lastet? etc.

Geht man von einer solchen durchschlagenden Kraft der OER-Bewegung aus, könnte sich auch akademisches Lehren und Lernen verändern. Dieser massive Wandel ist aber, Stand jetzt, unwahrscheinlich (Deimann et al., 2015, S. 55), denn: In Forschung und Lehre haben sich über die Jahrhunderte bestimmte Handlungspraktiken ausgeprägt, die von der Verfügbarkeit von Wissen und Information lediglich technisch-funktional beeinflusst werden. So kann man als Wissenschaftler_in bedeutend besser, schneller und umfangreicher über digitale Medien auf Wissen und Information zugreifen, die benötigten Fähigkeiten in der Recherche und der Bewertung dieser Information ändern sich aber nicht grundlegend. Kooperation und Vernetzung ist auch in der prä-digitalen Zeit für den wissenschaftlichen Diskurs von zentralem Wert gewesen – heute findet diese dann vornehmlich vermittelt über digitale Medien statt. Somit lassen sich zwei Leerstellen ausmachen, die in der bisherigen Debatte um OER wenig bearbeitet werden: 1) Vor allem wäre es wichtig, die gegenwärtige Diskussion in Richtung der OEP zu weiten. OER würden so als Grundlegung für OEP verstanden (Mayrberger und Hofhues, 2013). Auf diese Weise würde auch eine didaktische Zielrichtung für die Debatte ausgegeben, die derzeit noch nicht vorhanden ist. 2) Überdies könnte es von zentraler Bedeutung sein, sich über die Auseinandersetzung mit OER solchen Lernzielen zu nähern, die im Kontext akademischen Lehrens und Lernens seit jeher von zentraler Bedeutung sind: z.B. die Ausbildung von Medien- und Informationskompetenzen bei Lehrenden und Studierenden. Wie man Wissen und Information nämlich recherchiert, bewertet, wieder aufbereitet und (später) gegenüber der wissenschaftlichen Gemeinschaft kommuniziert, hat sich über die Jahrhunderte als ein Kern des Studiums ausgeprägt. Konstituierend sind dafür der Wissenschaft inhärente Elemente wie Kritik bzw. kritisches Denken, Austausch und Diskurs.

Mögliche Szenarien zum Einsatz von OER in Universitäten und Hochschulen

Bereits deutlich wurde, dass die Diskussion um OER eigentlich eine didaktische sein sollte, die didaktische Beschäftigung mit OER/OEP aber seit Jahren zu kurz kommt (vgl. dazu auch Zauchner und Baumgartner, 2007). Hier stellt sich dann primär die Frage, wie mit diesem Material gelernt werden kann oder bereits gelernt wird. Von daher lohnt sich der Blick auf zwei beispielhafte Szenarien, die klar machen dürften, in welche Richtung sich eine didaktisch konturierte Diskussion mit/um OER bewegen könnte.

Szenario 1: Lehrende stellen ihre Forschungstexte zur weiteren Be- und Verarbeitung in Lehrveranstaltungen zur Verfügung

Akademisches Lehren und Lernen ist zentral davon geprägt, dass Wissensvermittlung an Universitäten und Hochschulen nur unter Einbezug von Forschung stattfinden sollte und die Auseinandersetzung mit Forschung persönlich bildet. Zugrunde gelegt wird dazu die Idee der Bildung durch Wissenschaft. Übersetzt wird sie in „Spielarten“ forschenden Lernens (Reinmann, in Druck), also in didaktische Szenarien, die Studierenden ermöglichen, ihren eigenen (Forschungs-) Fragen in Vorlesungen, Seminaren oder Projekten nachzugehen. In allen Spielarten forschenden Lernens wäre es nun möglich, dass Studierende an Forschungstexten ihrer Lehrenden oder der wissenschaftlichen Gemeinschaft arbeiten und diese beginnen zu hinterfragen, eigene Fragen daran sammeln oder Artefakte mit den Lehrenden weiterentwickeln. Zumindest drei der oben genannten 5R-Prinzipien (Retain, Reuse, Revise) ließen sich durch die weitere Verarbeitung vorliegenden Forschungsmaterials problemlos umsetzen.

Erst die weitere Verarbeitung und Veröffentlichung (Remix, Redistribute) dürfte Lehrenden wie Forschenden schwer fallen, da es sich hier nicht mehr um die weitere Verwendung des Forschungsmaterials für Lernzwecke handelt, sondern deren Bewertung und Begutachtung in den Bereich der Forschung selbst fällt. Kopien haben dort aber – ebenso wenig wie Mashups – keinen Wert (Gehlen, 2011). Sie könnten allenfalls einen persönlichen Nutzen für die beteiligten Lehrenden und Studierenden erzeugen, wenn nämlich durch die gemeinsame Beschäftigung interessante neue Forschungsfragen erzeugt werden, wenn Fehler in der Forschung aufgedeckt werden oder wenn sich Studierende schlicht zu Co-Forschenden entwickeln.

Szenario 2: Lehrende produzieren mit Studierenden offene Bildungsmaterialien

Problemorientierter als Szenario 1 ist Szenario 2: Es rekurriert nur mittelbar auf die Idee der Universität und greift stattdessen eher eine praxisorientierte Sichtweise auf, die sich besonders für solche Studiengänge eignet, in denen Studierende für pädagogische Berufe ausgebildet werden. So könnte es für Studierende und spätere pädagogische Fachkräfte von zentraler Bedeutung sein, einmal selbst digitales Bildungsmaterial zu erstellen und gewissermaßen am Material ihre Medien- und Informationskompetenzen zu entwickeln. Offene Bildungsmaterialien würden dann beispielsweise an Universitäten und Hochschulen produziert und kämen jetzt oder später in anderen Bildungseinrichtungen (z.B. Schulen) zum Einsatz. Für Konzepte dieser Art gibt es bereits Namen: Sie lassen sich als medienpraktische Kurse bezeichnen oder sehen sich dem Dienst an der Gemeinschaft im Sinne des Service Learning verpflichtet. Die so entstehenden (digitalen) Ressourcen (OER) sind speziell für didaktische Kontexte gedacht und es nicht nur wünschenswert, sondern geradezu erwünscht, sie auch zu erproben, gemeinsam weiterzuentwickeln und beständig neu auf dafür gedachten Plattformen im Internet zu veröffentlichen.

Die beiden vorgestellten Szenarien könnten unterschiedlicher kaum sein, greifen sie doch eine eindeutig forschungsorientierte und eine eindeutig praxisorientierte Sichtweise auf akademisches Lehren und Lernen auf. Sie sind jedoch nicht gänzlich unvereinbar: So könnte eine forschungsorientierte Auseinandersetzung mit und über OER immer auch einen praktischen und theoretischen Gehalt haben. Auch ließen sich eher problem- und praxisorientierte Szenarien um Forschungskomponenten anreichern, wenn man bedenkt, dass die studentische Wissensproduktion für das forschende Lernen ebenfalls zentral ist.

Fazit

Es dürfte von herausragender Bedeutung sein, die bisherigen Debatten um OER an Deutschlands Universitäten und Hochschulen didaktisch zu rahmen. Zwei denkbare Szenarien für den Einsatz von OER in Universitäten und Hochschulen wurden deshalb vorgestellt und in Bezug zur hochschuldidaktischen Diskussion gesetzt. Diese Bezugnahme ist wichtig, damit die OER-Diskussion in Universitäten und Hochschulen Gehör findet, aber auch zur Weiterentwicklung von Studium und Lehre beiträgt. Immerhin bietet sie das Potenzial, Studierenden und Lehrenden in forschungs- und problemorientierten Lehrveranstaltungen wichtige Studien- und Lehrerfahrungen zu ermöglichen.

Literatur

  • Deimann, M., Neumann, J. & Muuß-Meerholz, J. (2015). Whitepaper Open Educational Ressources (OER) an Hochschulen in Deutschland – Bestandsaufnahme und Potenziale 2015. Berlin: Transferstelle für OER mit freundlicher Unterstützung des Stifterverband für die Deutsche Wissenschft.
  • Gehlen, D. (2011). Mashup – Lob der Kopie. Frankfurt: Suhrkamp.
  • Mayrberger, K. & Hofhues, S. (2013). Akademische Lehre braucht mehr „Open Educational Practices“ für den Umgang mit „Open Educational Resources“ – ein Plädoyer. Zeitschrift für Hochschulentwicklung, 8(4), 56–68.
  • Reinmann, G. (in Druck). Forschungs- und Berufsorientierung in der Lehre aus hochschuldidaktischer Sicht. Erscheint in P. Tremp (Hrsg.), Forschungsorientierung und Berufsbezug im Studium (Blickpunkt Hochschuldidaktik). Bielefeld: W. Bertelsmann.
  • Zauchner, S. & Baumgartner, P. (2007). Herausforderung OER – Open Educational Resources. In Merkt, M., Mayrberger, K., Schulmeister, R., u. a. (Hrsg.) Studieren neu erfinden – Hochschule neu denken. Reihe Medien in der Wissenschaft (S. 244–252). Münster: Waxmann.