Sandra Hofhues

Studieren in der Pandemie: Beitrag zu „Praktiken forschenden Lernens“

In den letzten Tagen sind wieder einige Publikationen erschienen, die den Blick auf’s Studieren in der Pandemie richten und nach der Organisation von Studium und Lehre in der vermeintlichen Post-Corona-Zeit fragen. Solche Beiträge finde ich aus unterschiedlichen Gründen interessant: So halten Autor*innen ihre Überlegungen zur Online- und Fernlehre unter pandemischen Bedingungen fest und sie denken zugleich über mögliche Umwälzungen laut nach, die Studium und Lehre angesichts der Pandemie betreffen könnten. Darüber hinaus skizzieren fast alle Beiträge Spannungen, Widersprüche und Zielkonflikte, die in der Pandemie aus Steuerungsperspektive besonders deutlich wurden.

Diese Spannungen, Widersprüche und Konflikte dokumentiert zweifelsohne auch der Band „E-Learning“, den Ullrich Dittler in der nunmehr 5. Auflage herausgegeben hat, wenngleich mich manche von ihnen an einen älteren Beitrag zur „Begrenzten Hochschulentwicklung“ erinnern, den ich mit Kolleg*innen zur Jahrestagung der GMW im Jahr 2018 verfasst habe. Aufgrund dieser länger anhaltenden Beschäftigung mit (der Organisation von) Studium und Lehre betrachten Jennifer Grüntjens, Sabrina Schaper und ich in unserem aktuellen Artikel auch „Praktiken forschenden Lernens“ in der Online- und Fernlehre in zwei von uns betreuten Modulen der bildungs- und erziehungswissenschaftlichen Studiengänge der FernUniversität. 

Aus der Zusammenfassung: „Dieser Beitrag beschreibt, dass nicht nur Lehren und Lernen, sondern auch Forschen durch eine „Kultur der Digitalität“ bedingt ist. Mit Rekurs auf das forschende Lernen wird verdeutlicht, wie dann in „digitalitätsbedingte“ Praktiken innerhalb von Universität eingeführt werden kann (und sollte). Dabei wird auf (eigene) Erfahrungswerte aus zwei Modulen der beiden erziehungswissenschaftlichen Studiengänge der FernUniversität in Hagen zurückgegriffen, da hier Fernstudium und Online-Lehre praktisch einhergehen und forschendes Lernen in den betrachten Modulen in, mit und durch digitale Medien erfolgt. Im Folgenden rücken die wissenschaftlichen Praktiken des Organisierens, Recherchierens, Reflektierens und Vernetzens und ihre Verschränkung mit digitalen Medien in den Fokus. Über einzelne Beispiele hinaus lässt sich schließlich festhalten, dass Medien immanenter und konstitutiver Teil von Forschung und Wissenschaft(-spraktiken) sind. Dafür ist eine Reflexion und Rahmung dieser Praktiken als Wissenschafts- und Medienpraktiken sowie ihre Aufnahme in Lehr-Lernveranstaltungen jedoch unerlässlich.“ (Grüntjens et al., 2022, S. 119).

Eine angenehme Lektüre!

Quelle: Grüntjens, J., Schaper, S. & Hofhues, S. (2022). 5. FernUniversität in Hagen: Praktiken forschenden Lernens. In U. Dittler (Hrsg.), E-Learning. Digitale Lehr- und Lernangebote in Zeiten von Smart Devices und Online-Lehre. 5. Aktualisierte Auflage (S. 119-138). München: De Gruyter Oldenbourg.

Digitalisierung und Hochschulbildung | Skript und Folien zum Parallelvortrag im Rahmen des 28. DGfE-Kongresses

Im Nachgang des DGfE-Kongresses zum Thema „ENT|GRENZ|UNGEN“ stelle ich auf diesem Weg sowohl mein Skript als auch meinen Foliensatz zu meinem Parallelvortrag zu „Digitalisierung und Hochschulbildung“ zur Verfügung.

Wie immer gilt das gesprochene Wort. Ich freue mich auf weitere Einordnungen, Kommentare und Feedback.

Download: Vortragsskript | Foliensatz

Open Access: „Mikroformate“

Alle Artikel unseres Bandes über „Mikroformate“ stehen nun online auf den Seiten der Zeitschrift Kunst Medien Bildung (ZKMB) zur Verfügung. Auf diese Weise konnte einmal mehr der ‚grüne Weg‘ des Open Access beschritten werden. Außerdem haben die Artikel – meiner Einschätzung nach – nicht an Aktualität verloren, sodass ich allen interessante Lektüren wünsche, die in Printform noch keinen Einblick in den Band erhalten konnten. Aus dem Inhalt:

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Theoretische Perspektiven

Phänomenografische Studien

Pädagogische Anwendungen

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Quelle: Moormann, P., Zahn, M., Bettinger, P., Hofhues, S., Keden, H.-J. & Kaspar, K. (Hrsg.) (2021). Mikroformate. Interdisziplinäre Perspektiven auf aktuelle Phänomene in digitalen Medienkulturen. Schriftenreihe Kunst Medien Bildung (Band 8). München: kopaed.

Special Issue „Datengetriebene Schule“

In dieser Woche ist unser Special Issue zur „datengetriebenen Schule“ in der Online-Zeitschrift MedienPädagogik erschienen. Mit dem Special Issue knüpfen Mandy Schiefner-Rohs, Andreas Breiter und ich einerseits an unseren zurückliegenden Überlegungen zum DGfE 2020-Kongress an, andererseits haben wir mit einem breiten Call dazu eingeladen, mit uns über Daten und Schule nachzudenken.

Herausgekommen ist ein sehr spannendes, Peer-reviewtes Heft, das darauf verweist, wie weit die Datafizierung von Schule bereits vorangeschritten ist. Hierauf blicken alle Beiträge umfangreich. Darüber hinaus ist auffällig, dass kaum ein Artikel ohne einen interdisziplinären Zugriff auskommt. Details zum Zuschnitt des Hefts finden sich in unserer Einleitung.

Maike Altenrath, Jennifer Lange und ich freuen uns zudem darüber, dass Ergebnisse unseres systematischen Reviews zum Verhältnis von Daten und Schulentwicklung im internationalen Diskurs ebenfalls in dieser Ausgabe veröffentlicht wurden. In diesem Artikel loten wir vor allem die Bezüge von Optimierung, Evidenzbasierung und Datafizierung aus. 

Wie alle Hefte der MedienPädagogik ist auch dieses Special Issue vollständig Open Access verfügbar. Ich wünsche daher interessante Lektüren und nicht zuletzt viele Blicke ‚über den Tellerrand‘ von Einzel- oder Spezialdiskursen.

#Crossposting

Für den NewLearningBlog der FernUniversität in Hagen haben wir – Maike Altenrath, Noelle Diegel, Christoph Piske und ich – auf unseren Workshop bei der jüngsten Hagener Bildungskonferenz zur Frage nach der Verantwortung von Pädagog*innen im Kontext digitaler Daten zurückgeblickt.

Gerne verlinke ich unseren Beitrag hier, um eine breitere Öffentlichkeit für diesen Rückblick und für das (neue) institutionelle Blogangebot der FernUni zu erreichen.

Druckfrisch: „Optimierung“

Der DGfE 2020-Kongress musste Pandemie-bedingt leider ausfallen, ein knapper Band zum Tagungsthema Optimierung mit wunderbaren Beiträgen toller Kolleg*innen ist dafür nun OpenAccess im Verlag Barbara Budrich erschienen. 

Über das Erscheinen dieses Bandes freue ich mich sehr und ich hoffe, dass die enthaltenden Beiträge zu spannenden Reflexionen und Lektüren über Optimierung unter Bedingungen anhaltender Pandemie beitragen und neue Blickwinkel auf das Thema eröffnen.

Terhart, H., Hofhues, S. & Kleinau, E. (Hrsg.) (2021). Optimierung. Anschlüsse an den 27. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft. Leverkusen: Barbara Budrich. (Download/Open Access)

Beitrag „Organisationen der Erwachsenenbildung als Gegenstand der Digitalisierungsforschung“

Ich freue mich sehr, dass Maike Altenrath, Christian Helbig und ich einen Beitrag zu „Organisationen der Erwachsenenbildung als Gegenstand der Digitalisierungsforschung“ für den jüngst im Open Access-Format erschienenen Herausgeber*innenband „Erwachsenenpädagogische Digitalisierungsforschung“ (hrsg. von Christian Bernhard-Skala, Ricarda Bolten-Bühler, Julia Koller, Matthias Rohs und Johannes Wahl) beisteuern konnten.

Im Artikel fassen wir zuerst unsere zurückliegende Studie zu „Deutungshoheiten“ der Digitalisierung zusammen (Altenrath et al., 2020) und machen zentrale Ergebnisse fruchtbar, um mit ihnen und organisationstheoretischen Ansätzen gegenwärtige Umgangsweisen mit Digitalisierung zu erklären. Speziell organisationstheoretische Ansätze bieten nicht nur fundierte und gewissermaßen praxeologische Erklärungen dafür, wie mit Digitalisierung als sog. externe Erwartungen an Organisationen umgegangen wird; organisationale Lesarten tragen auch dazu bei, Anknüpfungspunkte für weitere Forschung innerhalb einer erwachsenenpädagogischen Digitalisierungsforschung auszuloten (zum Begriff siehe das Editorial der Herausgeber*innen ).

Aus unserer Sicht – und unter Zuhilfenahme der zurückliegenden Befunde – drängen sich nun mindestens drei Lesarten auf, Digitalisierung in und von Organsationen der Erwachsenenbildung zu deuten und vor diesem Hintergrund auch zu erforschen, sofern sie einer „organisationssensiblen Digitalisierungsforschung“ (Büchner, 2018) nahestehen: So sehen wir einen vermeintlich unterschiedlichen und doch ähnlichen Umgang mit (heterogenen) Umwelterwartungen zur Digitalisierung (1), die sich genauso näher erforschen ließen wie Rationalitäten und Rationalitätsmythen der Digitalisierung (2). Aber auch organisationale Angleichungsprozesse zwischen Standardisierung, Entkopplung und Praktiken der Digitalisierung (3) wären – so unsere Einschätzung – genauer zu betrachten (Altenrath et al., 2021, S. 274 ff.).

Welche Bedeutung Organisationen der Erwachsenenbildung als Gegenstand der Digitalisierungsforschung genau haben, ist demnach (noch) weiter auszuloten.

Literatur:

Altenrath, M., Helbig, C. & Hofhues, S. (2021). Organisationen der Erwachsenenbildung als Gegenstand der Digitalisierungsforschung. In C. Bernhard-Skala, R. Bolten-Bühler, J. Koller, M. Rohs, J. Wahl (Hrsg.), Erwachsenenpädagogische Digitalisierungsforschung. Impulse – Befunde – Perspektiven (S. 267-282). Bielefeld: wbv.

Altenrath, M., Helbig, C. & Hofhues, S. (2020). Deutungshoheiten: Digitalisierung und Bildung in Programmatiken und Förderrichtlinien Deutschlands und der EU. MedienPädagogik: Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung 17 (Jahrbuch Medienpädagogik), 565-594.

Büchner, S. (2018). Zum Verhältnis von Digitalisierung und Organisation. Zeitschrift für Soziologie, 5/2018, 332–348.

Druckfrisch: „Mikroformate“

Zusammen mit meinen (inzwischen ehemaligen) Kollegen des Intermedia-Studiengangs der Universität zu Köln – Peter Moormann, Manuel Zahn, Patrick Bettinger, Helmke Jan Keden und Kai Kaspar – habe ich im zurückliegenden Jahr an einem Band zum Thema „Mikroformate“ gearbeitet, der nun im kopaed Verlag erschienen ist.

Aus dem Klappentext: „Kurztexte, Samples, GIFs, Memes, Micro Movies, Instagram-Stories und andere kleine und kurze mediale Formen genießen in den gegenwärtigen Medienkulturen Popularität. Gemein sind ihnen Verkürzungen und Verdichtungen, die in audio/visueller Form sowie textuellen Varianten erscheinen und im World Wide Web zirkulieren. Der Band nähert sich diesen aktuellen Phänomenen aus interdisziplinärer Perspektive und fasst sie als Mikroformate. Der Begriff schließt sowohl die rahmenden, medienindustriellen und institutionellen Bedingungen mit ihren Strategien der Formatierung als auch die Praktiken der Produktion, Rezeption und Kommunikation der Nutzer*innen ein.
Zentrale Fragen des Buchs sind u.a.: Was unterscheidet die gegenwärtigen Mikroformate von früheren medialen Formaten? Welche Logiken zeichnen Mikroformate im Kontext des Digitalen aus? Welche Ästhetiken kommen in aktuellen Mikroformaten zum Ausdruck? Wie zeigen sich potenziell neue Produktions- und Rezeptionspraktiken? Wie zeitigen Mikroformate mögliche neue Formen der kulturellen Sinn- und Bedeutungsproduktion? Und nicht zuletzt: Wie können wir den Mikroformaten samt ihrer Effekte pädagogisch begegnen?
Der Band versammelt theoretische Positionen, phänomenografische Studien und pädagogische Anwendungen zum Forschungsfeld der Mikroformate aus den Bereichen der Medien- und Musikästhetik, Kunst-, Medien- und Musikpädagogik sowie Medienpsychologie.“

Mir hat die Arbeit am Band (und auch an der vorausgehenden Tagung) sehr viel Spaß gemacht, sodass ich mich sehr über das gesamte Buch freue und – wie immer – interessante Lektüren wünsche.

Quelle: Moormann, P., Zahn, M., Bettinger, P., Hofhues, S., Keden, J.-H. &  Kaspar, K. (2021). Mikroformate. Interdisziplinäre Perspektiven auf aktuelle Phänomene in digitalen Medienkulturen. Reihe Kunst – Medien – Bildung. München: kopaed.

Beitrag „Die Zukunft des Digitalen liegt im Hier und Jetzt“

Die Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e. V. (BKJ) hat mich im zurückliegenden Jahr um einen Beitrag zur Zukunft der Digitalisierung gebeten, der nun vorzeitig online erschienen ist. Im Beitrag stelle ich einige „Überlegungen zur (Zukunft der) Digitalisierung und Digitalität“ an, die natürlich auch von der Corona-Gegenwart beeinflusst waren bzw. sind. In der journalistischen Kurzzusammenfassung heißt es dazu wie folgt:

„Als #wirbleibenzuhause zu einem sozio-medialen Hybrid wurde, bildete sich eine gesamtgesellschaftliche Gegenwart ab. Mindestens hier wird sichtbar: Digitalisierung und Digitalität sind gesellschaftliche und kulturelle Realität im Hier und Jetzt. Mehr noch: Deren Zukunft wird jetzt gemacht.“

Ich freue mich sehr darüber, dass der Beitrag nun vorab online zur Verfügung gestellt werden konnte. In Kürze soll er ebenfalls in einer Arbeitshilfe der BKJ erscheinen.

Quelle: Hofhues, S. (2021). Die Zukunft des Digitalen liegt im Hier und Jetzt. Überlegungen zur (Zukunft der) Digitalisierung und Digitalität. In BKJ-Arbeitshilfe. Online verfügbar unter: https://www.bkj.de/digital/wissensbasis/beitrag/die-zukunft-des-digitalen-liegt-im-hier-und-jetzt/ (26.03.2021)

OER-Strategie des Bundes: Anmerkungen und Anregungen zu fünf Fragen im Themenbereich „Mensch“

Von Sandra Hofhues, Maike Altenrath, Sebastian Habla und Christoph Piske

Vorbemerkungen und wesentliche Positionen 

In einem bildungs- und wissenschaftspolitischen Papier ist üblicherweise nicht genügend Raum, um die bildungsphilosophische Frage danach zu stellen „Wer ist der Mensch?“ und, anschließend daran, die historische Gewordenheit des Menschen im Kontext von Bildung, Lernen und Arbeit zu reflektieren. Gleichwohl erinnern wir vor Darlegung unserer Perspektiven und Positionen in Bezug auf OER daran, dass hinter der Diskussion über offene Bildungsressourcen, also OER, stets weiterführende Vorstellungen über das (lebenslange) Lernen und die Ermöglichung von Bildung eingeschrieben sind. Vor diesem Hintergrund lesen wir auch die Fragestellungen, die durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zur Diskussion über „Mensch“ und „OER“ an uns herangetragen wurden. So ist offenkundig, dass es in der gegenwärtigen Auseinandersetzung hauptsächlich darum geht bzw. gehen soll, wie mit OER gelehrt und gelernt werden kann. Letztere Sicht hat nicht zuletzt mit der Covid-19-Pandemie an Bedeutung gewonnen.

An diese Perspektivierung schließt sich an, dass OER vor allem im Zusammenhang mit formalen Bildungseinrichtungen wie Schule, Hochschule und Einrichtungen der Erwachsenen- und Weiterbildung diskutiert werden. Der ausgeprägte Fokus auf die Organisationen und Institutionen von Bildung führt allerdings dazu, dass OER üblicherweise als Problemlöser für Bildungsprobleme jeglicher Art verstanden werden, dem ein technisch-funktionales Verständnis digitaler Medien zugrunde liegt. Dabei ist längst evident, dass Fragen des Zugangs zu OER genauso wie allgemeine Fragen des Zugangs zu Bildung von den Voraussetzungen, Ressourcen, Infrastrukturen und (Lern-)Umgebungen jedes einzelnen beeinflusst sind. 

OER als so genannte offene Bildungsressourcen können also nur wirksam werden, wenn die Diskussion und die politische Debatte darüber in ein größeres Konzept des Zugangs zu Bildung eingebettet werden und damit die Frage nach technischer Zugänglichkeit rasch überwindet. Infrastrukturen begreifen wir daher als Voraussetzung und Basis, um sich eigentlichen Fragen rund um OER zu widmen.

1. Wie lässt sich der Zugang zu OER gestalten? 

Mit Blick auf die Gestaltungsmöglichkeiten differenzieren wir zunächst zwischen Zugang zu OER und Zugriff auf OER und stellen damit den Unterschied zwischen Rahmenbedingungen des Zugriffs und lebensweltlichen Bedingungen des Zugangs zu Bildungsressourcen heraus. Während im Zusammenhang mit Zugänglichkeit insbesondere Fragen von Infrastrukturen sowie notwendiger Kompetenzen adressiert werden, wird mit Zugriff auf OER die Bedeutung lebensweltlicher Perspektiven der Lehrenden und Lernenden hervorgehoben. 

Um diese lebensweltlichen Bezüge in den Blick nehmen zu können, ist es zunächst erforderlich, Lehrende wie Lernende in ihrer Heterogenität wahrzunehmen. Obwohl oder gerade weil wir Vorstellungen (lebenslangen) Lernens und die Ermöglichung von Bildung an Subjektpositionen koppeln, stehen für uns keinesfalls Lernende in der alleinigen Verantwortung, den Zugang zu OER herzustellen und für sich zu gestalten. Insofern ist darüber zu verhandeln, wem die Verantwortung zur Nutzung von OER genau übertragen werden soll und inwiefern sich auch Bund und Länder bzw. Kultusminister*innenkonferenzen dieser Verantwortung annehmen müssen.

Hierzu gehört auch, Zugangs- und Zugriffsbarrieren zunächst zu erkennen, ehe sie individuell und/oder gemeinsam überwunden werden können. Je nach Bildungskontext und Adressat*innenkreis können sich Barrieren auch unterscheiden, wobei politische Debatten und Lösungsstrategien dabei keinen singulären Kontext fokussieren, sondern eine intersektionale Perspektive einnehmen sollten. Zu diskutieren ist, welche Möglichkeiten zur Gestaltung von Zugängen bestehen, wenn die Nutzung von OER weder institutionell noch organisational verortet ist.

Vor dem Hintergrund bestehender Herausforderungen und Handlungsanforderungen im Hinblick auf die persönliche Ausstattung mit Hard- und Software sowie den Zugang zu Internet sowohl im privaten Raum als auch in institutionellen Kontexten gilt es, Zugang zu OER nicht zuletzt technisch bzw. infrastrukturiell zu ermöglichen. Das Maß der jeweiligen Geräteausstattung darf allerdings nicht den Blick darauf beschränken, wer „gut“ oder „schlecht“ ausgestattet ist. So entscheidet die technische Ausstattung der Lernenden nicht nur im Privaten über Chancen informellen Lernens, sondern kann die Nutzung institutioneller Lernangebote maßgeblich verhindern. Zugang zu OER kann demnach nicht losgelöst von Fragestellungen lebenslangen Lernens, Bildung und Arbeit diskutiert werden.

2. Wie können OER (digitale) Bildungsprozesse verbessern? 

Wir verstehen Digitalisierung als sozialen und kulturellen Transformationsprozess, der sich unter anderem in Form von OER in formalen Bildungskontexten zeigt und ermöglichen kann, Lernprozesse des Einzelnen zu verbessern. Wir sehen Potenziale im Zusammenhang mit der Aktualität von Inhalten und im Kontext einer aktuellen Medienkultur. Auf der einen Seite wirken OER somit entlastend für Lehrende, wenn Arbeitsstunden nicht mehr für die Abänderung bzw. Neubeschaffung von Lehrmaterial aufgewendet werden müssen und freiwerdende Ressourcen durch Betreuung der Lernenden verwendet werden können. Auf der anderen Seite belasten OER jedoch Lehrende, indem sie Material medienkompetent und kritisch bewerten müssen. Wichtig werden unter anderem Einschätzungen inhaltlicher Richtigkeit, Einordnungen hinsichtlich getroffener Zielsetzungen oder die Passung zur eigenen Lehre. Auch auf Seite der Lernenden ist eine entsprechende Medienkompetenz erforderlich, sofern diese OER-Material als Alternative oder Ergänzung zum verlagsseitig angebotenen Lehr-, Lern- und Unterrichtsmaterial heranziehen. OER verstärkt hier sogar noch die Rolle des Lehrenden als Begleitende des Lernprozesses. 

Angesichts des umfassenden Transformationsprozesses schlagen wir sukzessive Veränderungen als eine Art hybrides System vor: 

Bestehende Bildungsressourcen stehen zunächst neben offenen Bildungsressourcen, so dass sowohl Orientierungslasten minimiert werden als auch flexible Anpassungen mit OER möglich werden. Perspektivisch sollte an einem Verständnis von Digitalität angeknüpft werden, wonach sich grundsätzliche gesellschaftliche Veränderungen durch Digitalisierung ergeben, die sich in allen Bildungskontexten niederschlagen und einer Anpassung bestehender Handlungspraxen und Strukturen unter anderem in Form von OER bedürfen. 

Umfassende Gestaltungsfragen schließen sich zu organisationalen Strategien, Personalsituationen und/oder des pädagogischen Takts an.

3. Welche Rahmenbedingungen müssen gegeben sein, damit OER auch inklusiv wirken? 

Soziale Inklusion als Teilhabe und Teilnahme an der Gesellschaft bedarf eines Bildungsverständnisses, welches allen Menschen Zugriff und Zugang zu Bildung und Wissen ermöglicht. Dies setzt die Gestaltung von Rahmenbedingungen bereits auf der Ebene von Lehr-, Lern- und Unterrichtsmaterialien – so auch OER – voraus. Eine inklusive Wirkung von OER erfordert eine inklusive Gestaltung von Bildungsmedien – fernab heteronormativen, ableistischen, klassizistischen und rassistischen Zuschreibungen. Eine derartige Gestaltung reagiert auf das handlungssteuernde Potenzial von Bildungsmedien im weitesten Sinne, indem es das Spektrum um plurale Lebenswelten erweitert und die Wahrnehmung von Wissen entlang inklusiver lebensweltlicher Zugänge organisiert.

Gerade Lehrende stehen vor der Anforderung, Bildungsressourcen hinsichtlich ihrer inklusiven Wirkung zu prüfen und sich an den individuellen Voraussetzungen und Erwartungen der Lernenden zu orientieren. Hierbei handelt es sich per se um ein voraussetzungsreiches pädagogisches Anliegen, wenn hierfür notwendiges Wissen, Erfahrungen und/oder Rahmenbedingungen fehlen (defizitorientierte Sichtweise) und/oder reflektiert werden müssen (Anliegen pädagogischen Empowerments).

Vor diesem Hintergrund ist die Bedeutung von Orientierungsleistungen durch so genannte Best Practices in den Blick zu nehmen. Es stellt sich bei „guten Beispielen“ aber nicht nur die Frage, wie der Zugang von OER exemplarisch sichtbar wird und abbildhaft auch andernorts gestaltet werden kann. Es geht zugleich darum zu klären, wie Betreffende über das Vorhanden-Sein derartiger Orientierungsleistungen informiert werden und inwieweit sie dazu motiviert sind, OER zu nutzen. Inhaltlich ist zudem zu eruieren, ob Best Practices den Inklusionsgedanken ernsthaft verfolgen oder sich normative Konzepte durch permanentes Rekurrieren auf Best Practices eher einschreiben, diese de facto also re_produzieren. 

4. Welche Probleme gibt es mit Lizenzfragen und welche Lösungsvorschläge gibt es in Bezug auf OER? 

Werden OER im engeren Sinne als Lehr-, Lern- und Unterrichtsmaterialien verstanden, die in Lehre und Unterricht zum Einsatz kommen sollen, überrascht es kaum, dass die Diskussion darüber eng mit zwei Fragen verknüpft ist: Welche Materialien können rechtssicher von Lehrenden genutzt werden? Darüber hinaus: Wie können Materialien weitergegeben und ggf. auch verändert werden? Vor diesem Hintergrund können Schulungskonzepte für den Einsatz von Lehr-, Lern- und Unterrichtsmaterialien in Learning Management Systemen (LMS) oder Einführungen in rechtssicheres E-Learning bereits als erste Schritte in Richtung von OER gewertet werden. 

Insbesondere das mit OER verbundene Remix-Prinzip verknüpft die Diskussion dann mit konkretenLizenzmodellen. Bekannt geworden sind die Creative Commons (CC-)-Lizenzen, die grundsätzlich Wege dafür vorschlagen, wie die Weitergabe von digitalen Artefakten für alle organisiert werden kann. Sie ermöglichen, auch nach Erscheinen einer Publikation, Fehler und/oder unklare Formulierungen auf Textebene auszubessern. Allerdings machen technische Möglichkeiten Lehrende nicht zu Jurist*innen und zu klären ist bis auf Weiteres, inwiefern OER und CC-Lizenzen eher reputationsförderlich oder -hemmend sind. So müssten Diskussionen um OER mit der Überlegung zur Anpassung von Geschäftsmodellen verknüpft sein, die schließlich Fragen von Urheber*innen- und Autor*innenschaft in der (Post-)Digitalität aus Sicht der Akteur*innen beantworten. Speziell Organisationen und Institutionen könnten nach innen selbst den Diskurs darüber eröffnen, wie sie sich im Zusammenhang mit OER verstehen. 

Das Beispiel der BMBF-geförderten OERlabs zeigte etwa an den Universitäten Köln und Kaiserslautern, dass bereits die gemeinsame Arbeit an OER als Form und Möglichkeit vernetzter Arbeit erlebt werden kann. Es wurden einerseits bedarfsorientierte Bildungsangebote in der Digitalität geschaffen, andererseits aber auch die vielerorts geforderten „passgenauen“ bzw. „kreativen“ Lösungen mit Blick auf Lehr-, Lern- und Unterrichtsmaterialien erzeugt. Über dieses Beispiel hinaus spiegelt die (teilweise) CC-Lizensierung von Videos öffentlich-rechtlicher Medien, dass OER erst mit Bewältigung organisationaler Problemlagen (öffentlich) wirksam werden können

Umfangreichere Kommentarfunktionen unter Texten sowie eine Einreichungsmöglichkeit für Verbesserungsvorschläge an den Verfassenden sind schließlich weitere kleinteilige Lösungsvorschläge, die zwar in den Gegenstandsbereich dieser Frage passen, aber umso mehr adressieren, dass die konsequenteAnwendung von CC-Lizenzen vermutlich noch immer einer digitalen Bohème mit ihren Praktiken vorbehalten ist. 

5. Ist eine permanente Qualitätssicherung von OER notwendig? Wie kann diese gestaltet werden und wer soll diese durchführen? 

Erstens muss grundlegend darüber gesprochen werden, an welchen Kriterien sich Qualität im Zusammenhang mit OER misst. Im Zuge einer „gleichberechtigten“   Etablierung von OER liegt eine Orientierung von Qualitätssicherungsverfahren an den ebenso etablierten Strukturen nahe. Wir sind allerdings der Ansicht, dass neben der Einigung auf Qualitätsstandards (an denen alle Akteur*innen in Bildungsprozessen zu beteiligen sind) zunächst zu klären ist, inwiefern die bisherigen Strukturen die Qualität von Lehr-, Lern- und Unterrichtsmaterialien angemessen sicherstellen. Ein gängiges Verfahren bei wissenschaftlichen Publikationen in Periodika sind beispielsweise Peer-Review-Verfahren – bei Schulbüchern kommen in der Praxis tätige Lehrer*innen zum Einsatz (gegen Bezahlung). Es sollte Bund und Ländern ein Anliegen sein, für eine Sicherstellung der Qualität aufzukommen und Anreize für eine Beteiligung in entsprechenden Review-Verfahren zu schaffen. Schon jetzt wird allerdings sehr viel begutachtet, sodass Expert*innen sich vielfach gar nicht mehr in der Lage sehen, alle Anfragen zu einer Begutachtung positiv zu beantworten. 

Zweitens besteht die Anforderung, eine zeitliche Taktung möglicher Materialprüfungen festzulegen sowie den zugehörigen Prozess für alle machbar zu halten/zu gestalten. Bezüglich permanenter Qualitätssicherung stellt sich für uns die Frage, was hier permanent genau bedeuten könnte: Ist die Prüfung bei jeder Änderung von Material oder periodische Prüfung nach festgelegtem Schema gedacht etc.? Genaue Qualitätskriterien wären überdies zu eruieren. In jedem Fall müssen Qualitätskriterien vor dem Hintergrund der Bedarfe von Zielgruppen festgelegt werden; Verständlichkeit und Anschaulichkeit können Kriterien sein. Inwiefern Möglichkeiten qualitativer Evaluation bezüglich des zu erwartenden Aufwandes realisierbar sind, ist grundsätzlich zu prüfen.

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