Das Ende der Kreidezeit

Gerade lese ich auf Zeit-Online einen Nachruf. Dabei geht es nicht (wie sonst) um einen unlängst verstorbenen Politiker, Medienmenschen oder sonst wen. Es geht um die „gute, alte“ Tafel. Whiteboards sollen sie ablösen, werden an Schulen und von Vertretern der Kultusministerien bereits gefeiert.

Ist die Tafel wirklich out?

Der Autor des Artikels, Arnfrid Schenk, meint zum Tod der Tafel: „Vieles wird mit ihr verschwinden, kein Tafeldienst mehr, keine Kreideschlachten, keine Schwammwürfe mehr, keine Lehrerkarikaturen mehr, die beim Aufklappen für hektisches Wischen des Porträtierten sorgten. Auch manche Ausrede wird flachfallen: ’Tschuldigung, ich kann die Formel nicht lesen, die Tafel spiegelt so. Auch die Aufgabe, Kreide zu holen, die man aus Solidarität mit den Hinterbänklern gerne ausdehnte – aus, vorbei.“ (ebd.) Gute, alte Zeit.

Aus Schülersicht ein Verlust, aus Lehrersicht auch?

Doch nicht nur die Schüler, auch die Lehrer sind vom „Ende der Kreidezeit“ betroffen. Der Autor stellt sich daher die durchaus berechtigte Frage: „[…] wird die Mehrheit der Lehrer sie je bedienen können? Die meisten sind doch schon am Videorecorder gescheitert.“ (ebd.) Ich hatte gehofft, dass sich Schule zumindest in dem Punkt verändert hat…

Den Abschied versüßen

Zum Abschied gibt es dann noch ein letztes Mal den Klang der Kreide zu hören und  das Geräusch, das ein Fingernagel macht, wenn die Kreide zu kurz war. Hach, ich werde sie auch vermissen – ein bisschen jedenfalls.

Aufreger der Woche

Kennt Ihr das: Man liest etwas und denkt sich gleichzeitig, das gibt’s doch nicht! So ging’s mir in der letzten Woche gleich zweimal… und dann auch noch in Bezug auf dasselbe Thema: richtig zitieren.

  • E-Mail-Nr. 1 und Frage der Woche: Warum braucht die Medienpädagogik ein eigenes Zitiersystem? Ähm, eigenes? Wir machen ja viel, aber dass wir uns die Mühe machen, ein eigenes Zitiersystem zu entwerfen. Also ne…
  • E-Mail-Nr. 2 und die Frage zum Wochenende: Wann darf man welches Buch zitieren? Auszug aus der E-Mail: “So haben wir das gelernt: Wenn keine Fußnoten drin sind, besser nicht zitieren.” Ähm, hat der Dozent schon mal ‘was von mehreren, durchaus seriösen Zitierweisen gehört? Nicht zu fassen…

Zugegeben, die erste Mail hat mich köstlich amüsiert und ich habe wohlwollend die APA-Richtlinien näher erläutert; die zweite Mail hat mich dafür echt erschrocken. Ich würde mich jedenfalls hüten, Studierenden so eindimensional zu erklären, was sie zitieren dürfen und was sie folglich lieber sein lassen sollten. Zum Glück war das niemand aus Augsburg.

Humboldt wird missbraucht

… meint zumindest der Berliner Bildungstheoretiker Heinz-Elmar Tenorth im aktuellen Interview mit dem Uni-Spiegel. Er bezieht sich dabei auf die Auslegung des Humbolt’schen Bildungsideals, was gerne als „zweckfrei“ hingestellt wird: „Humboldt wurde und wird missbraucht, um Interessen durchzusetzen. Meist dient er als Traditionskeule: Es darf sich nichts ändern, was laut Mythos ihm, Humboldt, zugeschrieben wird.“ (ebd., S. 2) Auf die Frage, wie unser Bildungssystem aussehen würde, wenn Humboldts Prinzipien fest verankert worden wären, antwortet der Forscher zudem: „Unsere Schulen wären eigenständiger, lokal stärker verankert und dort in der Verantwortung, staatlich finanziert, aber nicht gegängelt. Wir hätten eine Gesellschaft, die viel in Bildung investiert, wie Humboldt das forderte. Humboldt hinterlässt uns insofern eine Vision.“ (ebd., S. 1) In jedem Fall ein interessantes Interview, das mit diversen Vorurteilen/Meinungen aufräumt. Achso, was Bildung eigentlich ist, wurde neulich auch in der FAZ besprochen; ein ebenso lesenswerter Artikel für diejenigen, die sich mit dem Thema auseinander setzen (wollen).

Ökonomische Bildung: ein Tertium comparationis?

Im Kern wird kaum jemand behaupten, dass Ökonomische Bildung unwichtig sei. Schließlich werden immer mehr Prozesse in der Lebens- und Arbeitswelt ökonomisiert und man sollte dabei in der Lage sein, den Überblick zu behalten bzw. sich verantwortlich entscheiden zu können. Problematisch wird es erst, wenn es um die formale Integration von Ökonomischer Bildung in die einzelnen Curricula geht. Hier gibt es nach wie vor eine große Zurückhaltung, bspw. gegenüber einem Fach „Wirtschaft“. Ursachen liegen vor allem in dem Verständnis von Bildung bzw. in der Auslegung des humanistischen Bildungsideals, das in Deutschland nach wie vor große Tradition hat. Ohne an dieser Stelle zu sehr werten zu wollen, möchte ich auf einen Text von Andreas Liening (2004) hinweisen, auf den Frank mich vor ein paar Tagen aufmerksam gemacht hat (danke!). Der Autor zeigt aus meiner Sicht die Bedeutung Ökonomischer Bildung schlüssig auf und formuliert dabei Gedanken, wie man diese als Teil von (humanistischer) Allgemeinbildung verstehen kann. „Wenn die Ökonomische Bildung eines Bürgers theoretisch an der Fähigkeit gemessen werden kann, ob er Verantwortung im Wirtschaftsleben tragen kann, also ökonomisch begründet Entscheidungen treffen, Handlungssituationen mit ökonomischen Konzepten analysieren, sich z.B. konstruktiv an der Weiterentwicklung der Wirtschaftsordnung beteiligen, sich kritisch aufgeschlossen gegenüber der Grundordung der Sozialen Marktwirtschaft zeigen kann etc., dann muss als Konsequenz eine Integration Ökonomischer Bildung in die Allgemeinbildung gefordert werden.“ (ebd., S. 15) Neben der klar positiven Haltung gegenüber Ökonomischer Bildung in den einzelnen Curricula weist Liening darauf hin, dass wissenschaftsanaloges Lernen für ein Fach „Wirtschaft“ nicht ausreiche (ebd, S. 7). Vielmehr zeigt er auf, warum insbesondere Ökonomische Bildung erfahrungsanalog vermittelt werden sollte. Dazu gehören seiner Meinung nach das entdeckende Lernen nach Bruner (1972) und das verstehende Lernen nach Klafki (1989) genauso wie das genetische Lernen (z.B. Wagenschein, 1975). Erfahrungen im Wirtschaftsalltag würden so zum Horinzont, vor dem Wissen auf seine praktische Bedeutsamkeit hin geprüft wird (ebd., S. 10). Er folgert schließlich: „Ökonomische Bildung ist das Tertium comparationis zwischen Wirtschaftswissenschaft und Erfahrung im Wirtschaftsalltag.“ (ebd.) Wenn man den Text so liest und vor allem die Erfahrungen mit dem Wirtschaftsprojekt business@school hinzuzieht, kann man diese Überlegungen guten Gewissens unterstreichen. Allerdings – und da bin ich bei der Relativiertung – sollte man nicht vergessen, dass es neben der Wirtschaft auch andere Fächer/Disziplinen gibt. Will man möglichst breite Lehrpläne beibehalten, besteht die große Herausforderung darin, alle Ansprüche (wie auch immer) „unter einen Hut“ zu bekommen.

Bildungsforschung zum Thema "Reflexives Lernen"

Seit heute ist die neue Ausgabe der Bildungsforschung online. Dieses Mal dreht sich alles um das Thema „Reflexives Lernen“. Ich finde das sehr spannend, denn – das sieht man schon bei den eingereichten Beiträgen – der Kern der Fragestellung ist in höchstem Maße interdisziplinär und relevant. Oder anders ausgedrückt: Reflexion geht uns alle etwas an. So heißt es auch im Editorial, das unter anderem von Gabi und Wolf geschrieben wurde: „Reflexives Lernen als Grundlage Lebenslangen Lernens ist nicht nur aus pädagogischer Sicht interessant, sondern auch aus historischer, philosophischer, psychologischer und praktischer Perspektive. Aus der Sicht der Bildungsforschung sind vor allem auch empirische Ergebnisse zum Lebenslangen Lernen von großem Interesse.“ Zum Glück sind bald Weihnachtsferien, sodass ich sicher zum Lesen der Beiträge kommen werde. Der Augsburger „Dunstkreis“ ist übrigens in der aktuellen Ausgabe äußerst gut vertreten.

w.e.b.Square: Weihnachtsausgabe ist online

Endlich ist es soweit: Die Weihnachtsausgabe von w.e.b.Square ist online. Das neue Themenheft steht dabei unter dem Motto „Jedem das Seine: Der Siegeszug von Social Software und Web 2.0“. Schwerpunktmäßig finden sich in dieser Ausgabe viele Abschlussarbeiten, die im Sommersemester 2008 am imb entstanden sind. Besonders freue ich mich natürlich, dass wir Mandy für das Editorial gewinnen konnten. Im Übrigen sagt sie darin ‚was G’scheits: „Das Reizvolle an dieser Ausgabe ist, dass sich hier die sogenannte Net Generation mit sich selbst auseinandersetzt … und dies jenseits von Buzzwords.“ Wie recht Du hast 😉 Ich wünsche allen viel Spaß beim Lesen.

PS: Weitere Infos gibt es übrigens in der zugehörigen Pressemitteilung.

Unternehmen "Universität"

Die Ökonomisierung der Bildung lässt mich nicht los. Am Montag hat der dritte und letzte Workshop unserer Reihe „Ist die Ökonomisierung der Bildung ökonomisch?“ mit der Hanns-Seidel-Stiftung stattgefunden, bei dem dieses Mal der Kontext „Hochschule“ beleuchtet wurde (Tamara und Frank berichten bereits). Auch wenn die Diskussionen später nicht so scharf wie erwartet verliefen, haben Prof. Hermann (TU München) und Prof. Mittelstraß (Uni Konstanz) anfangs doch idealtypisch zwei Positionen verkörpert, die ich per se interessant fand. Hermann stand für den Wissenschaftsmanager, der „seine“ Universität durch unternehmerisches Denken an Deutschlands Spitze gebracht hat. Überrascht hat mich seine Haltung gegenüber der Akkreditierungsthematik (nur drei Studiengänge der TU sind akkreditiert!) und gegenüber Drittmitteln (trotz 180 Mio. Euro Drittmitteleinnahmen betont er die Unabhängigkeit von Forschung und Lehre). Mittelstraß dagegen kritisiert das Ökonomische derart, dass die Ökonomie nicht mehr wie früher dienend, sondern inzwischen herrschend über den Menschen und seine Bedürfnisse ist. In der Folge wird etwa Wissen als Ware begriffen und ein Verwertungsdruck des erworbenen Wissens entsteht. Wie bei den anderen beiden Workshops liegt die Wahrheit vermutlich einmal mehr in der Mitte (auch der Verein „Ökonomie & Bildung“ steht für ein aufgeklärtes Ökonomieverständnis). Bei den Statements und der folgenden Diskussionsrunde sind für mich allerdings drei Fragen offen geblieben:

  1. Leuchttürme vs. Otto-Normal-Universität: Welche Prinzipien sind von der einen auf die andere Hochschule übertragbar?
  2. Partizipation von Studierenden vs. Kundenorientierung: Wie gelingt es, unter Studierenden eine Kultur der Beteiligung zu schaffen?
  3. Gute Lehre vs. derzeitiger Betreuungsschlüssel: Wie kann man die Betreuung von Studierenden verbessern, wenn im Mittelbau kaum Ressourcen zur Verfügung stehen?

Alle Fragen machen natürlich große „Fässer“ auf; allerdings sollte man sie im Auge behalten, wenn man künftig vom Unternehmen „Universität“ spricht. Und wer das Thema vertiefen möchte, sollte sich den gleichnamigen Artikel von Heiner Keupp ansehen. Dort werden die zahlreichen Spannungsfelder, mit denen Universität im 21. Jahrhundert konfrontiert wird, aufgegriffen und kritisch reflektiert. Sehr lesenswert.

Geteilte Meinungen: Phoenix-Runde zu PISA-Ergebnissen

In der gestrigen Phoenix-Runde wurde heiß über die neuen PISA-Ergebnisse diskutiert. Es ging viel um die Schule, aber auch um das deutsche Bildungssystem generell und um die Wirksamkeit von Testverfahren zur Erhebung von (Schüler-)Leistungen. Eine interessante Sendung für all dienigen, die sich mit Bildungsthemen auseinander setzen (und angesichts unserer Workshopreihe mit der Hanns-Seidel-Stiftung eine schöne Ergänzung zum aktuellen Stand der Diskussionen).

Finale, oh oh, Finale, oh oh oh

Am Anfang unserer Workshopreihe mit der Hanns-Seidel-Stiftung wurde noch eifrig hinterfragt, was der Titel „Ist die Ökonomisierung der Bildung ökonomisch?“ eigentlich soll. Der eine oder andere hielt ihn für unlogisch oder stilistisch nicht schön. Ich denke, diese Kritik (u.a. von Prof. Kluge) können wir ganz gut verkraften; nach zwei Veranstaltungen hat sich die Namensgebung bereits als guter Diskussionsanker bewährt. Jetzt steht mit dem Thema „Universität“ der dritte und letzte Workshop unserer Reihe ins Haus. Passend zum „Finale“ werden mit Dr. Ludwig Spaenle (Bayerischer Staatsminister für Unterricht und Kultus), Prof. Dr. Dr. h. c. Wolfgang Herrmann (Präsident der Technischen Universität München) und Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Jürgen Mittelstraß (Zentrum für Philosophie und Wissenschaftstheorie, Universität Konstanz) besonders vielversprechende Gäste erwartet. Über den inhaltlichen Schwerpunkt des Abends lässt sich viel spekulieren; ich bin mir allerdings sicher, dass die Bologna-Reform einen großen Bestandteil einnehmen wird. Evtl. ist auch das „neue“ Menschenbild ein Diskussionspunkt, denn hier treffen mit den Professoren Herrmann und Mittelstraß sehr konträre Meinungen aufeinander. Wer sich für die Veranstaltung interessiert, kann sich wie gewohnt gern an mich wenden.