"Uni geht ja doch anders"

In meinem Blog schreibe ich öfters über die studentische Initiative w.e.b.Square, die sich in den letzten vier Jahren von einer kleinen Online-Zeitschrift in Richtung eines didaktischen Modells im Augsburger MuK-Studiengang gewandelt hat. Ein wichtiger Teil von w.e.b.Square ist die jährliche Tagung, die wir dieses Jahr zum Thema „Bekannt, befreundet, vernetzt“ durchgeführt haben (meine Eindrücke dazu habe ich bereits geschildert). Seit einigen Tagen ist jetzt der neue (Image-)Film zur w.e.b.Square-Initiative da, der sich dieses Mal allein der Tagung widmet. Der Film transportiert eindrucksvoll die außergewöhnliche Stimmung auf der studentischen Konferenz und zeigt die vielen Gäste, die im Jahr 2010 mitdiskutiert haben. Außerdem kommt sehr gut heraus, dass Uni auch „anders“ gehen kann… viel Spaß!

Ein ganz herzlicher Dank gilt dem Video-Team, das unzählige Stunden in die Konzeption, Umsetzung und Aufbereitung des Films investiert und zudem noch die komplette Tagung dokumentiert hat. Klasse!

"I wanted to be a good teacher"

Vor ein paar Tagen habe ich eine Expertise gelesen, die mit „I wanted to be a good teacher“ überschrieben ist und von Jürgen Oelkers angefertigt wurde. Die Arbeit ist insofern sehr interessant, als dass die Ausbildungssituation von Lehrern in Deutschland in den Blick genommen wird, um Lehre in Zukunft zu verbessern. Oelkers hält für zentral, dass Lehrer künftig ein anderes Verständnis von Schule entwickeln:

„Die Lehrkräfte müssen ihr Kerngeschäft, den Unterricht, anders begreifen als bisher, nämlich nicht bezogen auf „ihre“ Klasse, sondern auf „unsere Schule“, und dies transparent nach innen wie nach außen.“ (Oelkers, 2009, S. 12)

Als einen Grund, warum diese Denkweise noch nicht realisiert werden konnte und damit Schulentwicklung „ins Stocken“ gerät, sieht Oelkers in den fachbezogenen Rahmenlehrplänen:

„Der Rahmenlehrplan ist ausschließlich auf einzelne Fächer bezogen, die ja auch einzeln in der Schule unterrichtet werden. Dieses Manko ist gravierend, weil interdisziplinärer Unterricht eine der entscheidenden Optionen für die fachliche Entwicklung der Schule ist.“ (Oelkers, 2009, S. 29)

Zu den Fragen, die Schulentwicklung betreffen, gehört auch die Frage nach den Kompetenzen, die angehende Lehrer durch ihre Ausbildung mitbringen sollten. Oelkers fordert hier, in Anlehung an Papiere der KMK (leider nicht online verfügbar), eine Mischung an fachlichen und überfachlichen Kompetenzen ein.

„Die Schlüsselfrage ist, über welche Kompetenzen angehende Lehrkräfte am Ende ihrer Ausbildung verfügen müssen, wo und wie diese erworben werden sollen und mit welchen Mitteln der Erfolg der Ausbildung überprüft werden kann. Professionelle Kompetenzen lassen sich allgemein nach fachlichen und überfachlichen unterscheiden. Die fachlichen Kompetenzen beziehen sich auf Unterrichtsfächer oder schulische Lernbereiche, auf die hin die Lehrkräfte ausgebildet werden. Überfachliche Kompetenzen beziehen sich auf die Fähigkeit, Unterricht zu halten, verschiedene Methoden anzuwenden, zur Schulentwicklung beizutragen oder auch die beruflichen Erfahrungen reflexiv zu bearbeiten.“ (Oelkers, 2009, S. 76, Hervorhebung im Original)

Um diese Kompetenzen zu entwickeln, empfielt er letztlich problemorientiertes Lernen im Lehramtsstudium, denn:

„Das praktische Repertoire der Lehrkräfte, ihr Know-how im Alltag, wird zu Beginn der beruflichen Tätigkeit aufgebaut und lässt sich danach nur noch begrenzt beeinflussen. Die Lehrkräfte ziehen Schlüsse aus der Art und Weise, wie sie die Situationen des Ernstfalls bewältigt haben und was dabei Erfolgsindikatoren gewesen sind. Und sie leiten aus den Erfolgen ihr Könnensbewusstsein ab, das sich nicht aus dem Fachwissen ableitet, sondern mit der Bewährung des Repertoires zu tun hat.“ (Oelkers, 2009, S. 79)

Neben den Fragen der Kompetenzentwicklung beschäftigt sich Oelkers mit dem Image der Schule und dem des Lehrerberufs. Hierbei bezieht er sich im Kern auf die Ergebnisse einer repräsentativen Studie von Köcher (2009), die ihre Folien bei der Vodafone Stiftung online zur Verfügung gestellt hat. Nimmt man diese (viel kritisierten) Ergebnisse zum Ausgangspunkt, scheinen noch erhebliche Lücken zwischen dem zu klaffen, was in der Lehrerbildung gelernt wird, und dem, was „die Öffentlichkeit“ bis heute vom Lehrerberuf denkt.

Danke an Tamara für den Linktipp – sehr interessant!

Köcher, R. (2009). Schulen und Lehrer aus Sicht der Bevölkerung. Unterricht innovativ – Deutscher Lehrpreis. Berlin: Vodafone Stiftung. http://www.vodafone-stiftung.de/upload/pdf/IfD_Allensbach.pdf.

Oelkers, J. (2009). „I wanted to be a good teacher…“. Zur Ausbildung von Lehrkräften in Deutschland. Netzwerk Bildung. Berlin: Friedrich Ebert Stiftung. http://library.fes.de/pdf-files/studienfoerderung/06832.pdf.

Podiumsdiskussion: Zukunftsmodell Notebook-Klasse

In meinem zweiten, dritten (ja, wie vieltem eigentlich?) Leben bin ich für das imb als Pressesprecherin unterwegs und hatte in dieser Funktion heute die Ehre, einer Podiumsdiskussion zum Einsatz von Notebooks in der Schule in Gauting beizuwohnen. Die Diskussionsrunde wurde von der FDP organisiert und zeigt mit Nachdruck auf, dass der Medieneinsatz in der Schule mit ein paar Jahren Verspätung nun auch im Bewusstsein der Politik angekommen ist. Meine Aufgabe in der Runde war es, aus Sicht einer Medienpädagogin über den Notebookeinsatz, über Veränderungspotenziale durch (digitale) Medien und notwendige Rahmenbedingungen zu sprechen und bei der Gelegenheit das eine oder andere Forschungsergebnis anzuführen. Hierzu wurde ich gebeten, zentrale Studien zum Nachlesen auf ein paar Folien zusammenzufassen, die ich gern auch hier zur Verfügung stelle:


Was mir an der Podiumsdiskussion wirklich sehr gut gefallen hat, ist, dass alle schulischen „Stakeholder“ gefragt wurden, d.h. neben der wissenschaftlichen Sicht kamen Schüler, Lehrer, Schulleiter und Eltern zu Wort; auch die Politik selbst war zugegen, um die Möglichkeiten des Notebookeinsatzes auf finanz- und bildungspolitischer Ebene zu hinterfragen. Diese Kombination an Personen ist wirklich essentiell, um den Einsatz von Notebooks über die Grenzen der Einzelschule hinweg zu diskutieren und letztlich auch entsprechende Rahmenbedingungen für den Gebrauch zu schaffen. Auch helfen Beispiele in der Regel sehr gut dabei, ein Phänomen zu erfassen und erste Ankerpunkte für die Diskussion zu suchen.

Inhaltlich brachte diese Diskussion einmal mehr die Punkte zu Tage, die schon in den vielen Studien (s.o.) aufgedeckt wurden: So geht es immer noch darum, wie man Notebooks in den Unterricht integriert, welche Potenziale für einen „besseren“ Unterricht bestehen und ob man Schüler durch den Medieneinsatz stärker als ohne Medien zum Lernen motivieren kann. Dabei wird selten danach unterschieden, ob es um den Computer als Hardware oder um die vielen digitalen Werkzeuge geht, die auf einmal im Unterricht nutzbar werden. Auch wird recht pauschal über Frontalunterricht geschimpft, ohne zu differenzieren, wozu sich welche Unterrichtsmethode eignet. Ich sah mich daher an ein paar Stellen gezwungen, die mitunter sehr große Euphorie zu stören und den Blick auf die Ziele des Notebookeinsatzes bzw. digitaler Werkzeuge zu lenken. Was nämlich mit der Diskussion um Notebooks in der Schule einhergeht, ist der Wunsch nach Veränderung von Schule hin zu mehr Selbstorganisation und Kooperation. In diesem Diskussionsstrang gefangen, ist man dann schnell bei der Rolle des Lehrers, seinen Fähigkeiten zum Medieneinsatz und seiner Bereitschaft zur Verwirklichung alternativer Methoden im Unterricht. Dass diese Bereitschaft erst einmal ganz unabhängig vom Medieneinsatz zu sehen ist, wird (zu) schnell vergessen.

Da Vertreter einer Hauptschule und eines Gymnasiums anwesend waren, ging es auch um den Vergleich der Schultypen. Hier hatte ich allerdings mitunter das Gefühl, dass „Äpfel mit Birnen“ verglichen werden, da die unterschiedlichen Schulen vor ganz anderen Herausforderungen stehen. So steht in der Hauptschule ganz klar die Employability ihrer Schüler im Vordergrund. Insofern wird auch den sozialkommunikativen Kompetenzen und den Fähigkeiten zum Projektmanagement in der Hauptschule mehr Gewicht beigemessen als im Gymnasium, wo Inhalte und Methoden offensichtlich etwas mehr Bedeutung einnehmen. Auch die Finanzierungsmöglichkeiten und -modelle haben es (traditionell) schwer, 1:1 von einen auf den anderen Kontext übertragen zu werden.

Fazit: Alles in allem bin ich froh, den Termin wahrgenommen zu haben, da Stimmen aus der Praxis gut demonstrieren, dass in Punkto Medieneinsatz in der Schule noch viel getan werden kann/muss. Auch lassen sich einige Bezüge zur Hochschule ziehen, die zumindest methodisch-didaktisch vor ähnlichen Fragen wie die Schule steht (Stichwort: Paradigmenwechsel).

Update 11.03.2010: Richard hat mich auf eine spannende Artikelserie zum Notebookeinsatz in der Schule hingewiesen – die möchte ich Euch nicht vorenthalten: http://escholarship.bc.edu/jtla/

Hochschuldidaktik, E-Learning und Forschungswolke: Eindrücke von der DOSS 2010

In dieser Woche war ich erstmals auf einer Tagung von Hochschuldidaktikern, der Dortmund Spring School for Academic Staff Developers (DOSS). Insofern hatte ich keine konkreten Erwartungen, sondern war eher gespannt auf lehr-lernbezogene Inhalte und Themen und wie diese aus hochschuldidaktischer Perspektive diskutiert bzw. umgesetzt werden. Denn natürlich machen wir uns im Institut viele Gedanken über „gute“ Lehre und darüber, wie man diese mit dem Einsatz von (digitalen) Medien bereichern kann. Wenn ich also eine Erwartung hatte, dann die, welche Rolle Medien im Kontext der Hochschuldidaktik spielen und wie Schnittstellen zum (uns bekannten) E-Learning aussehen. Ich wählte folglich eine Vielzahl an Panels und Diskurswerkstätten, die explizit „die Medien“ zum Inhalt hatten.

Schnell musste ich allerdings feststellen, dass ich mit meiner aufgeschlossenen Haltung zum Thema Medien eher Exotin auf der Veranstaltung war. Dies zeigte sich etwa darin, dass

  • an vielerlei Stellen grundlegende Kenntnisse zum Mediennutzungsverhalten bzw. zum E-Learning an sich und zu dessen Einsatzmöglichkeiten in der Lehre fehlten und
  • E-Learning, wenn dieses inhaltlich behandelt wurde, in der Regel der Hochschuldidaktik als Methode untergeordnet wurde. Letzteres hat zumindest unter denjenigen von uns, die einen starken Medienbezug mitbringen, intensive Diskussionen ausgelöst – zur Rolle von Medien in der Hochschuldidaktik und zur Verankerung von E-Learning an der Hochschule (siehe dazu auch Kerstins Blogbeitrag).

„Unterm Strich“ habe ich das Gefühl, dass sich gerade in Punkto Verzahnung von Hochschuldidaktik und E-Learning Grabenkämpfe auftun, die noch nicht ausgestanden sind. An sich schade, da sich meiner Meinung nach eine gute Passung beider Bereiche ergibt, wenn man die historischen Wurzeln und hochschulpolitische Aspekte zugunsten des Lernenden (der ja in beiden Bereichen im Zentrum steht) einen Moment lang außen vor lässt.

Abseits von diesen allgemeinen Fragen, die permanent auf der Tagung präsent waren, haben wir auch an konkreten Beispielen diskutiert. So haben Hannah und ich z.B. die Gelegenheit genutzt und unsere Idee der Forschungswolke vorgestellt. Ich sage ganz bewusst „Idee“, denn noch ist diese nicht umgesetzt (siehe Präsentation bei Slideshare). Momentan gehen wir davon aus, dass die Forschungswolke ab dem Sommersemester als Personal Learning Environment (PLE) im Augsburger MuK-Studiengang zum Einsatz kommen wird. Im Vortrag haben wir allerdings den technischen Aspekt der PLE eher ausgeklammert und stattdessen als theoretische „Hintergrundfolie“ das forschende Lernen herangezogen, welches im Übrigen in vielen Vorträgen und Diskurswerkstätten als wünschenswertes didaktisches Konzept für die Hochschullehre vorgestellt wurde. Im Anschluss an den Vortrag diskutierten wir dann über Chancen und Grenzen der Forschungswolke und wurden im Kern darin bestärkt, bedarfsorientierte webbasierte Angebote für Studierende zu machen und diese um Präsenzangebote zur Unterstützung forschenden Lernens anzureichern. Unter Umständen ergeben sich durch die Vorstellung der Forschungswolke sogar Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Einrichtungen anderer Universitäten – wir werden sehen 🙂

Fazit: Die Reise nach Dortmund hat sich auf jeden Fall gelohnt, um bereits bekannte Themen aus anderer Perspektive zu betrachten und mit Personen zu sprechen, die dem Medieneinsatz in der Hochschullehre teils eher kritisch gegenüberstehen. Das bin ich in Form und Umfang gar nicht mehr gewöhnt!